Corps Rhenania Heidelberg
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Das Corps Rhenania Heidelberg ist ein Corps (Studentenverbindung) im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV). Das Corps ist pflichtschlagend und farbentragend. Es vereint Studenten und ehemalige Studenten der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
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[Bearbeiten] Couleur
Rhenania führt die Farben „blau-weiß-rot“ mit goldener Perkussion. Dazu wird eine dunkelblaue Mütze mit weiß-rotem Rand und weißer Paspel getragen. Rhenania hat wie alle Corps in Heidelberg kein Fuchsenband, die Füchse tragen nur die Mütze, allerdings mit blau-weiß-blauem Rand.
Der Wahlspruch lautet „Virtuti semper corona!“, der Wappenspruch „Gladius ultor noster!“
[Bearbeiten] Geschichte
Das Corps Rhenania wurde am 15. Januar 1849 gestiftet, blickt aber auf eine längere und wechselvolle Vorgeschichte zurück. Am 23. Juli 1802 erfolgte die Stiftung der ältesten sicher nachweisbaren Rhenania in Heidelberg (Rhenania I) durch Mitglieder der Rhenania Gießen. Sie stand auf landsmannschaftlicher Basis und agitierte gegen die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestehenden, freimaurerisch beeinflussten Studentenorden. Bis 1849 erfolgte die abwechselnde Suspension und Neubildung rheinischer Landsmannschaften/Landescorps und partikularistischer Sonderformen (Nassovia I u. II, Hassia I u. II, Palatia I, II und III).
1803 schlossen sich Rhenania und die 1803 gestiftete Franko-Badenia zu einem Senioren-Convent (SC) zusammen; es handelt sich um den ältesten Heidelberger SC-Comment. Franko-Badenia löste sich aber bereits 1805 auf. Im gleichen Jahr (1805) vollzog Rhenania eine Spaltung in Ober- und Niederrheiner.
Nach der Reorganisation der Universität unter Kurfürst/Großherzog Karl Friedrich von Baden kam es ab 1805 zu einem Zuzug zahlreicher auswärtiger Studenten, die neue, zum Teil nur kurzlebige Landsmannschaften stifteten (Suevia, Palatia Guestphalia, Curonia, Vandalia, Hannovera, Holsatia, Hanseatia, Helvetia, Saxo-Borussia u.a.). Bei einer Spaltung des Heidelberger SC wurde 1810 erstmals der Begriff Corps für eine Gruppe der hiesigen Landsmannschaften verwendet (darunter die Niederrheiner, die sich nur noch Rhenania nennen). Ein neuer SC-Comment trat am 1. Juni 1810 in Kraft. 1818 erfolgte die Stiftung des Corps Hassia I, das sich zwei Jahre später in Rhenania II umwandelte. Im Stiftungsprotokoll wurde explizit festgehalten, dass man sich als Fortführung der Rhenania von 1802 versteht.
Infolge der Ereignisse um den Karzersturm und Auszug der Heidelberger Studentenschaft nach Frankenthal (nach Differenzen mit der Heidelberger Museumsgesellschaft über den Mitgliederstatus von Studierenden, 14. August 1828) erging eine dreijährige Verrufserklärung gegen die Universität, die aber vom SC noch im gleichen Jahr zurückgenommen wurde. 1836 stifteten Mitglieder der Hassia II (1829-1836) das Corps Rhenania III, zwei Jahre später erfolgte durch auswärtige Corpsstudenten, namentlich Mitglieder der Nassovia Göttingen, die Stiftung des Corps Nassovia II zu Heidelberg. An der revolutionären Bewegung in Südwestdeutschland nahmen mehrere alte Rhenanen (Rhenania II) teil. Am bekanntesten wurden Friedrich Hecker (1811-1881) als Führer der Revolution in Baden und Joseph Martin Reichard (1803-1872) als Präsident der Provisorischen Regierung der Pfalz.
Das Revolutionsjahr wurde auch zum Stiftungsjahr der heute noch bestehenden Rhenania IV. In bewusster Abkehr von der deutschen Kleinstaaterei lösten die Aktiven der Nassovia das Corps am 15. Januar 1849 auf und stiften am gleichen Tag eine neue Rhenania (IV). Verfassung, Wahlspruch („Virtuti semper corona!“) und Tradition der Nassovia wurden übernommen. Der Einzugsbereich weitete sich in den folgenden Jahren über ganz Deutschland aus. Auch Studenten aus dem europäischen Ausland und aus Übersee (Schweiz, Griechenland, England, Vereinigte Staaten, Kanada und Südafrika) werden aktiv. Das Corps Rhenania gehört als Mitglied des Heidelberger SC seit seiner Stiftung dem 1848 gegründeten Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) an, dem ältesten Verband studentischer Korporationen in Deutschland und Österreich. Die Zeit des Kaiserreichs gilt als "Blütezeit" des Corpsstudententums. Bis zum Ersten Weltkrieg knüpfte Rhenania offizielle Beziehungen zu Corps in anderen Universitätsstädten an, u.a. nach Bonn, Gießen, Marburg, Freiburg, Tübingen, Würzburg, München, Jena, Leipzig, Halle, Breslau, Göttingen, Berlin, Straßburg und Zürich. 1875 wurden erstmals gedruckte „Corpschroniken“ (Semesterberichte) an die auswärtigen Mitglieder (Alten Herren) verschickt. Seit 1949 erscheinen die Berichte unter dem Titel „Heidelberger Nachrichten“.
Nachdem das Corps in wechselnden Heidelberger Gasthäusern gekneipt hatte (u.a. im Seppel), erfolgte 1882 der Ankauf des alten Pfarrhauses in der Hauptstraße 231 als Corpshaus und die Gründung der „Rheinländischen Gesellschaft AG“ als Träger. Die letzten lebenden Alten Herren der Rhenania II erkannten im gleichen Jahr das bestehende Corps als rechtmäßigen Nachfolger der alten Rhenania von 1802/20 an. Noch lebende Mitglieder der Rhenania III und Nassovia II wurden in das Corps übernommen. 1886 fiel der Rhenane Emil Hartwich (1843-1886, Amtsrichter in Düsseldorf) im Duell mit Baron Léon Armand von Ardenne. Theodor Fontane verwendete die Affäre als Vorlage für seinen Roman „Effi Briest“.
In den Jahren 1906/09 wurde das alte Haus abgerissen und nach Plänen von Hofbaurat Eugen Drollinger (München) das heutige Corpshaus errichtet. Es ist der einzige Jugendstilbau in der Heidelberger Hauptstraße.
Wegen des Ersten Weltkrieges musste 1914-19 der Aktivenbetrieb eingestellt werden. Das Corps supendierte im Herbst 1935 unter dem zunehmenden Druck verschiedener NS-Gliederungen. Die Feier des 100. Stiftungsfestes durch die Altherrenschaft fand 1949 in einem den Zeitumständen entsprechenden Rahmen statt. Im gleichen Jahr bildete sich der durch den Verein Heidelberger Rhenanen protegierte „Rheinländerkreis“, der zum Teil Formen des früheren Corps fortführte, aber auch neue Ansätze für zeitgemäßes studentisches Zusammenleben suchte. Am 3. Mai 1951 erfolgte ein Beschluss zur Übernahme des Rheinländerkreises durch die Altherrenschaft und damit die Rekonstitution des Corps Rhenania.
[Bearbeiten] Auswärtige Beziehungen
Rhenania unterhält befreundete Beziehungen zu den Corps Suevia Freiburg, Hasso-Nassovia Marburg, Nassovia Würzburg und der seit 1932 suspendierten Tigurinia Zürich.
[Bearbeiten] Bedeutende Mitglieder
- Albert Ahn (1867-1935) - Verleger und Industrieller
- Georg von Caro (1849-1913) – schlesischer Großindustrieller, Geheimer Kommerzienrat und Fideikomissherr auf Schloss Wilkendorf bei Strausberg
- Friedrich Dernburg (1833-1911) – Politiker, Publizist, Schriftsteller, Führer der hessischen Fortschrittspartei, Mitglied des Reichstages (nationalliberal), Chefredakteur der „Nationalzeitung“ in Berlin.
- Adolf Ernst von Ernsthausen (1827-1894) – Politiker, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, Oberpräsident von Westpreußen, Oberbürgermeister von Königsberg, Ehrenbürger von Danzig und Elbing.
- Eckart Hachfeld (1910-1994) – Schriftsteller, Texter und Songschreiber.
- Johann Maria Heimann (1878-1931) – Industrieller, Teilhaber und Mitglied der Geschäftsführung der ältesten bestehenden Parfum Fabrik der Welt „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz gegr.1709“ (siehe Farina gegenüber) in Köln.
- Wilhelm Küchler (1846-1900) – Oberbürgermeister und Ehrenbürger von Worms, Ghzgl. Hess. Finanzminister und stellv. Bevollmächtigter zum Bundesrat.
- Wilhelm Lanz (1829-1882) - Oberbürgermeister von Wiesbaden
- Ludwig Mond (1839-1909) – Chemiker – Mitgründer der Brunner Mond Comp, ein Vorläufer der Imperial Chemical Industries (ICI) in London, Vizepräsident der Chemical Society in London, Kunstsammler und Mäzen.
- Hans Reschke (1904-1995) – Oberbürgermeister und Ehrenbürger von Mannheim, stellv. Präsident und Ehrenmitglied des Deutschen Städtetages.
- Heinrich Schnee (1871-1949) – Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Mitglied des Reichstages, Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, bedeutender Vertreter des Weimarer Kolonialrevisionismus.
- Wilhelm Spiritus (1854-1931) - Oberbürgermeister und Ehrenbürger von Bonn
[Bearbeiten] Literatur
Berthold Kuhnert: Geschichte des Corps Rhenania Heidelberg 1802-1869, 1913, ND Heidelberg 1997
Paul Bertololy: „Alt-Heidelberg – ewiger Studententraum“, 1962, Neudruck 1997 (Studentenroman. Freie Bearbeitung der Ereignisse um den Tod des Rhenanen Carl Specht, der 1855 im Duell fiel.)
Werner Lamprecht/Peter Kutter (Hrsg.): 150 Jahre Corps Rhenania Heidelberg 1849-1999, Heidelberg 1999
Siehe auch: Liste Kösener Corps, Kösener Senioren-Convents-Verband, Corps