Dilemma
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ein Dilemma (griechisch δί-λημμα: „zweigliedrige Annahme“, Plural: Dilemmas oder Dilemmata), auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Wahlmöglichkeiten bietet, welche jedoch beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Es wird durch seine Ausweglosigkeit als paradox empfunden. Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Typen
Das positive Dilemma (auch konstruktives Dilemma) führt bei jeder gewählten Entscheidung zu demselben Ergebnis.
In der Schreibweise der Booleschen Algebra lässt sich dies wie folgt darstellen:
(In Worten: p führt zu q; r führt zu q; p oder r führt zu q.)
Das negative Dilemma (auch destruktives Dilemma) zerstört sich durch die Unmöglichkeit einer Entscheidung selbst.
[Bearbeiten] Beispiele
[Bearbeiten] Gefangenendilemma
Ein klassisches Beispiel aus der Philosophiegeschichte ist das „Gefangenendilemma“ (Original: Prisoner's dilemma): Ein Staatsanwalt schlägt zwei getrennt voneinander einsitzenden Untersuchungshäftlingen einen Handel vor. Ihnen wurde bereits eine kleinere Straftat nachgewiesen, aber eine weitere wird ihnen vorgeworfen. Schweigen beide, werden sie nur für die nachgewiesene Straftat bestraft (z.B. ein Jahr). Gesteht aber einer die bislang nicht nachweisbare Haupttat, so geht er zur Belohnung straffrei aus, während der andere eine weitaus höhere Strafe erhält (z.B. 10 Jahre). Gestehen beide, dann erhalten beide eine hohe Strafe (z.B. fünf Jahre).
Das Paradoxe ist die Divergenz zwischen individueller und sozialer Rationalität: Es ist sozial rational, wenn beide Gefangene schweigen (und nur je ein Jahr absitzen müssen). Individuell rational ist es dagegen für jeden der beiden Gefangenen, ein Geständnis abzulegen, unabhängig davon, wie der andere sich entscheidet. Wenn der andere gesteht, ist es besser, auch zu gestehen. Wenn der andere schweigt, ist es auch besser, zu gestehen. Im Ergebnis erhalten beide eine Strafe von fünf Jahren. Rational ist diese Strategie aber auch individuell nur scheinbar und bei einmaligem Aufeinandertreffen. Das bewies unter anderem ein Computerturnier, in dem die Strategie "Tit for tat" (wie du mir, so ich dir) gewann.
Das Gefangenendilemma existiert in einer Vielzahl von Abwandlungen; die zugrundeliegende Systematik hat unter anderem auch in den Wirtschaftswissenschaften Bedeutung erlangt als Erklärungsmodell in der Dyopol- und Spieltheorie. Sie liefert dort einen Beitrag zu Verständnis und Vorhersage des Preissetzungsverhaltens von zwei (konkurrierenden) Anbietern.
[Bearbeiten] Buridans Esel
Ein Dilemma kann sich auch daraus ergeben, dass man bei der Wahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten keine wählen kann, weil die Wahlnotwendigkeit ein Ergebnis unmöglich macht. Klassische Beispiel ist dabei das Dilemma von Buridans Esel, der vor den zwei Heuhaufen stand und verhungerte.
[Bearbeiten] Das „Dilemma“ von Vater, Sohn und einem Esel
Von Hodscha Nasreddin wird folgende Geschichte überliefert: Hodscha geht mit seinem Sohn auf einen Viehmarkt, um dort einen Esel zu kaufen. Nachdem sie nach langer Suche einen Esel gekauft haben, machen sie sich auf den Weg nach Hause. Zunächst gehen sowohl Hodscha als auch Sohn zu Fuß neben dem Esel her, bis sie ein entgegenkommender Wanderer auslacht und fragt: „Ihr habt einen Esel, aber warum reitet keiner auf ihm?“ Nach kurzer Überlegung setzt sich nun der Sohn auf den Esel und so setzen sie ihren Heimweg fort, bis ihnen der nächste Wanderer entgegenkommt und zu dem Sohn sagt: „Junger Mann, du solltest dich schämen. Du hast junge Beine und reitest auf dem Esel, während dein Vater laufen muss!“ Nach kurzer Pause setzt sich nun der Vater auf den Esel und der Sohn geht zu Fuß. Im Weiterverlauf der Heimreise treffen sie einen weiteren Wanderer, der zu dem Vater sagt: „Du solltest dich schämen, du mit deinen starken Beinen reitest auf dem Esel, während der zarte Junge zu Fuß gehen muss!“ - Nun setzen sich beide auf den Esel und so setzen sie den Heimweg fort, bis ihnen der nächste Wanderer entgegenkommt, der sie wütend beschimpft: „Ihr solltet euch schämen! Ihr beide sitzt faul auf dem Esel und das arme Tier muss die ganze Strecke die schwere Last von euer beider Gewicht tragen!“ Daraufhin entschließen sich Vater und Sohn, den Esel an eine Stange zu binden, und tragen nun den Esel bis nach Hause. Als sie dort ziemlich spät und völlig erschöpft ankommen, sagt die Frau des Vaters: „Ihr seid vielleicht zwei Dummköpfe! Warum lasst ihr den Esel nicht selber zu seinem neuen Stall laufen?“
Bei dieser in verschiedenen Versionen überlieferten Erzählung, deren Ursprung wahrscheinlich in Südeuropa oder im Arabischen Raum zu finden ist, handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Dilemma, sondern um ein Polylemma, da der Vater und sein Sohn zwischen folgenden 5 Möglichkeiten entscheiden (müssen):
- 1. Möglichkeit: Keine Person reitet auf dem Esel
- 2. Möglichkeit: Der Sohn reitet auf dem Esel
- 3. Möglichkeit: Der Vater reitet auf dem Esel
- 4. Möglichkeit: Der Vater und der Sohn reiten gemeinsam auf dem Esel
- 5. Möglichkeit: Der Vater und der Sohn tragen den Esel
[Bearbeiten] Literatur
- Martin Cohen: 99 moralische Zwickmühlen – Eine unterhaltsame Einführung in die Philosophie des richtigen Handelns. Piper Verlag GmbH, München 2005, ISBN 3-492-24515-3
- William Poundstone: Prisoner's Dilemma: John Von Neumann, Game Theory and the Puzzle of the Bomb. Anchor Books,U.S.; Reprint (Februar 1993). ISBN 038541580X