Direktvertrieb
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Beim Direktvertrieb erwirbt der Kunde die Leistung direkt vom Hersteller bzw. vom Importeur, ohne Zwischenhändler. Gegensatz ist der Handelsverkauf, bei dem die Leistung entlang einer Handelskette vertrieben wird.
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[Bearbeiten] Wesen des Direktvertriebs
Beim typischen Direktvertrieb besucht ein Vertreter des Anbieters, selten auch der Anbieter selbst, den Kunden in dessen Räumen (Wohnung oder Arbeitsplatz), um dort den Vertrag zu schließen. Meist handelt es sich dabei um einen Kaufvertrag; man spricht dann von Direktverkauf. Aber auch manche Dienstleister wählen als Absatzform den Direktvertrieb, vor allem Anbieter von Versicherungen, Stromnetzen und Telefonnetzen.
Der Vertreter kann selbständiger Unternehmer (Handelsvertreter) oder Arbeitnehmer des Anbieters (Reisender) sein. Die Bezeichnung Hausierer ist in dieser Hinsicht neutral, wird aber oft als abwertend empfunden. Der Direktvertrieb kann auch ohne Vertreterbesuch stattfinden, nämlich mit Mitteln der Telekommunikation, vor allem telefonisch (Telefonverkauf) oder über das Internet (e-Commerce). Zum Direktvertrieb zählen auch der Verkauf auf Märkten, der Straßenverkauf und die Verkaufsveranstaltungen im Zusammenhang mit Kurzreisen (Kaffeefahrt).
Direktverkauf gibt es sowohl beim Absatz an Unternehmen (Business-to-Business, abgekürzt B-to-B oder auch B2B) als auch beim Absatz an Privatverbraucher (Business-to-Consumer, abgekürzt B-to-C oder auch B2C). Gewerbliche Kunden schätzen am Direktvertrieb die Tatsache, daß niemand seinen Arbeitsort verlassen muss, um sich über das Produkt zu informieren. In manchen Fällen können Produkte auch vor dem Vertragsschluss im eigenen Unternehmen getestet werden. Auch Privatpersonen schätzen die Möglichkeit, ihre Wohnung nicht verlassen zu müssen. Manche schätzen auch den persönlichen Kontakt zu einem ihnen vertrauten Vertreter. Viele empfinden Vertreterbesuche aber auch als lästig. Die Entsprechung zum Direktvertieb im Bereich der Akquisition, also bei der Herstellung des Kundenkontakts, ist das Direktmarketing.
[Bearbeiten] Kritik
Ein Vorteil des Direktvertriebs liegt darin, dass die Kosten des Zwischenhandels entfallen (siehe Handelsspanne). Dieser Kostenvorteil kann als Preisvorteil an den Kunden weitergegeben werden. Ob das allerdings tatsächlich geschieht, kann der Kunde kaum je überprüfen. Ein Vergleich zwischen den Angeboten verschiedener Anbieter ist meist nicht möglich, weil der Vertreter nur für einen einzigen Anbieter handelt.
Der Direktvertrieb ist nicht immer seriös. Insbesondere Privatkunden werden von Vertretern oft überrumpelt und entscheiden sich dann ohne ausreichende Überlegung für einen Vertragsschluss, insbesondere ohne Preisvergleich. Manche Anbieter setzen ihre Vertreter systematisch unter so großen Erfolgsdruck, dass diese sich praktisch gezwungen sehen, ihren Kunden unerwünschte Leistungen aufzunötigen (Drückerkolonnen).
Zu den erklärten Zielen des Verbraucherschutzes gehört es deshalb, die Möglichkeiten des Direktvertriebs einzuschränken. Alle Mitgliedstaaten in der Europäischen Union haben deswegen Regelungen eingeführt, wonach Kunden sich von Verträgen lösen können, die im Wege des Direktvertriebs geschlossen wurden. Im Deutschen Recht sind dies die Regelungen über Haustürgeschäfte in §§ 312 fortfolgende des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere das Widerrufsrecht des Kunden.
Ein Extremfall ist das Netzwerk-Marketing oder auch Mulitlevel-Marketing (MLM). Dabei stehen die Verkäufer in mehreren Ebenen übereinander, und das Ziel jedes Kundenkontakts besteht darin, den Kunden selbst zum Verkäufer zu gewinnen, wodurch der vormalige Verkäufer eine Ebene höher steigen kann (Schneeballsystem). Das MLM ist in Deutschland eine Straftat, wenn es so betrieben wird, wie in § 16 Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) beschrieben. Vereinfacht ausgedrückt, ist das Netzwerk-Marketing dann verboten, wenn nicht das Produkt selbst im Vordergrund steht, sondern die Förderung des Vertriebssystems.
[Bearbeiten] Bundesverband Direktvertrieb
In Deutschland vertritt der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e.V. mit Sitz in Berlin als größter Branchenverbund die Interessen der Direktvertriebsunternehmen (Lobbyismus). Im Jahr 1967 als Arbeitskreis "Gut beraten - zu Hause gekauft" gegründet, zählen heute 35 Unternehmen zu seinen Mitgliedern, darunter zum Beispiel Avon, Tupperware, Vorwerk, inmediaONE (die Direktvertriebstochter von Bertelsmann), Yello, die Reico und Partner Vertriebs GmbH und die Deutsche Telekom AG.
Die Mitgliedsunternehmen haben sich selbst bestimmte Verhaltensstandards auferlegt, um das Image des Direktvertriebs in der Öffentlichkeit zu verbessern. In diesen Verhaltensstandards ist unter anderem ein erweitertes Widerrufsrecht festgelegt, das über die vom BGB vorgegebenen gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht. So räumen die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Direktvertrieb ihren Kunden auch dann ein Widerrufsrecht ein, wenn a) die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des Vertrags beruht, auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind, und b) die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das Entgelt 40 Euro nicht übersteigt.
Weitere Informationen: Verhaltensstandards des Direktvertriebs
[Bearbeiten] Wirtschaftliche Bedeutung
Weltweit betrachtet, verzeichnet der Direktvertrieb starke Zuwächse. Wie aus der Jahresstatistik der World Federation of Direct Selling Associations (WFDSA) hervorgeht, stieg der weltweite Umsatz von rund 95 Milliarden US-Dollar im Jahr 2004 auf 102,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 (jeweils ohne Mehrwertsteuer). Die Zahl der im Direkvertrieb tätigen Außendienstmitarbeiter stieg von rund 55 Millionen (2004) auf über 58 Millionen (2005).
Weitere Informationen: World Federation of Direct Selling Associations
In Deutschland wurden im Jahr 2005 laut Angaben des Bundesverbandes Direktvertrieb 2,317 Milliarden Euro Umsatz erzielt (inklusive Mehrwertsteuer), wobei sich diese Zahl auf die 33 Mitgliedsunternehmen bezieht, die dem Verband 2005 angehörten. Zusammen beschäftigen diese Unternehmen in Deutschland rund 201.000 Vertriebsmitarbeiter. Insgesamt werden laut einer im April 2005 veröffentlichten Studie des Schweizer Prognos-Instituts in Deutschland jährlich rund 7,8 Milliarden Euro im Direktvertrieb umgesetzt. Die Zahl der im Direktvertrieb tätigen Mitarbeiter liegt demnach bei rund 700.000 Beschäftigen.
[Bearbeiten] Literatur
Reinhard von der Becke: Das Job-Wunder. Millionen freie Stellen im Direktvertrieb. Econ, München / Düsseldorf 1999 ISBN 3-430-11200-1