Erste Schlacht von Narva
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Erste Schlacht von Narva | |||||||||||||||||
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Die Aufstellung der Truppen vor Narva |
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Konflikt | Großer Nordischer Krieg | ||||||||||||||||
Datum | 30. November 1700 (Greg. Kalender) | ||||||||||||||||
Ort | Narva, Estland | ||||||||||||||||
Ergebnis | Überragender Sieg der Schweden | ||||||||||||||||
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Die Erste Schlacht von Narva wurde am 20. November 1700 (Schwedischer Kalender) zwischen den Truppen des schwedischen Königs Karl XII. und denen des russischen Zaren Peter I. ausgetragen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Mit dem Einfall sächsisch-polnischer Truppen in Livland begann der Große Nordische Krieg. Karl XII., ein begabter Feldherr, ging sofort in die Offensive. Er zwang Dänemark mit der Unterstützung von England und Holland am 18. August den Frieden von Travendal auf und wandte sich dann nach Osten.
Am 19. August erklärte Russland Schweden den Krieg. Mitte September 1700 erreichte die russische Vorhut das stark befestigte Narva. Am 4. Oktober 1700 begannen die Russen, inzwischen auf 37.000 Mann verstärkt, einen Wall zu errichten und danach die Belagerung. Die zuvor verstärkte schwedische Garnison in Narva bestand aus 3.000 Infanteristen, 200 Kavalleristen und 400 bewaffneten Zivilisten. Russische Kosakenhorden verheerten derweil Wierland, den Osten Estlands. Vom 4. November bis zum 14. November 1700 bombardierten die Russen mit ihrer Artillerie erfolglos die Festung. Dann ging ihnen die Munition aus, die Kanonen schwiegen und sie mussten auf Nachschub warten. Daraufhin trafen gleich zwei Nachrichten in Narva ein, welche für die Russen beunruhigend waren: August hatte Livland verlassen und war mit seinem Heer in die Winterquartiere nach Kurland gezogen, und eine schwedische Armee, die in Pernau gelandet war, befand sich bereits auf dem Weg nach Narva.
[Bearbeiten] Die Beteiligten
Karl XII. befehligte beim Abmarsch aus Reval ein Heer mit einer Gesamtstärke von 10.537 Mann. Am 13. November 1700 begann der Marsch vom befestigten Reval nach Narva, dabei mussten die Schweden das von russischen Streifscharen verwüstete Land durchqueren. Überall sah man nur ausgebrannte Bauernhäuser und Dörfer. Nirgendwo gab es Futter für die Pferde oder Nahrung für die Soldaten. Der kalte Novemberregen durchnässte die Soldaten bis auf die Haut und sie litten an Hunger. Nachts ging der Regen in Schnee über, der Boden begann zu frieren, und die Soldaten mussten, wie auch der König auf dem matschigen Boden schlafen. Drei Gebirgspässe konnten ohne Widerstand überwunden werden, erst 30 km vor Narva kam es an der Pyhäjöggi-Schlucht zu einem kleinen Scharmützel zwischen den Vorausabteilungen. Am 19. November 1700 erreichten die durchnässten und schlammverschmierten Schweden Narva.
In der Nacht vom 17. auf den 18. November 1700, nachdem die Nachricht vom Gefecht an der Pyhäjöggi-Schlucht eingetroffen was, verließ Peter überstürzt, um nicht zu sagen fluchtartig, das Schlachtfeld. Das Oberkommando über die russischen Truppen übergab er in aller Eile dem Herzog Charles Eugène de Croy, einem Adeligen aus den Niederlanden in russischen Diensten. Croy konnte kein Russisch, kannte die ihm unterstehenden russischen Offiziere nicht und hatte deshalb Schwierigkeiten, Befehle zu erteilen. Dazu kam, dass er mit der Aufstellung der russischen Truppen nicht einverstanden war.
Die russischen Soldaten hatten in wochenlanger Arbeit einen kilometerlangen doppelten Wall errichtet. Die Befestigungen waren nach Osten hin gegen die belagerte Garnison in Narva, und nach Westen hin gegen eine eventuelle Entsatzarmee mit Gräben und spitzen Holzpfählen bewehrt. Dazwischen standen quer zum Wall die Zelte.
Als erfahrener Soldat und Truppenführer erkannte Croy, dass die russischen Verteidigungslinien über eine Länge von 7 km zu weit auseinander gezogen waren. Die Kräfte waren daher zu stark zersplittert und die Gräben zu dünn besetzt. Er erkannte, dass ein konzentrierter schwedischer Angriff auf einen einzigen Punkt der russischen Verschanzung zu Durchbruch durch die Linien führen musste. Und den Belagerungsring nach Osten, nach Narva hin, musste er ebenfalls verteidigen, um einen möglichen Ausbruchsversuch der Garnison zu verhindern.
Für eine Umstrukturierung der russischen Streitkräfte war es aber inzwischen zu spät, die Schweden hatten das Schlachtfeld bereits erreicht.
[Bearbeiten] Die Schlacht
20. November (= 30. November), denn sowohl in Schweden als auch in Russland galt noch der Julianische Kalender.
Im Morgengrauen brechen die Schweden ihr Nachtlager ab und erreichen um 10 Uhr das Schlachtfeld. Karl XII. und General Rehnskjöld erkennen sofort die Schwachstelle in der russischen Aufstellung. Sie beschließen einen konzentrierten Angriff auf die überdehnten russischen Verteidigungslinien, sie sollen an einem Punkt durchbrochen werden. Dann soll sich das schwedische Heer nach Norden und Süden teilen, und so die russischen Linien von innen her aufrollen.
Gegen zwei Uhr am Nachmittags beginnt der schwedische Sturmangriff auf die russischen Linien: 10.000 Schweden beginnen einen Angriff auf weit über 40.000 gut verschanzte Russen.
Beim Beginn des Angriffs beginnt auch ein Schneesturm. Er bläst den Russen ins Gesicht, und gibt den Schweden Rückenwind. Die schwedischen Salven mähen die Russen in den Gräben nieder wie Gras, während die russischen Salven wegen des Gegenwindes zu kurz liegen. Nach 15 Minuten herrscht in der russischen Umschanzung ein entsetzliches Chaos. Das Heer ist nur ein einziger wirrer Haufen, die meisten Regimenter haben sich regelrecht aufgelöst. Die disziplinierten Schweden treiben die unerfahrenen russischen Rekruten vor sich her, in zwei Richtungen nach Nord und Süd auseinander. Die russischen Infanteristen geraten in Panik und versuchen über die einzige vorhandene Brücke nach Osten zu entkommen, die undisziplinierten Kosaken wenden ihre Pferde zur Flucht und reiten Hals über Kopf in den Fluss Narva hinein. Tausende von Pferden und Männern ertrinken dabei in dem eiskalten Fluss. Am Abend kapitulieren die letzten russischen Widerstandsnester.
[Bearbeiten] Das Ende der Schlacht
In der Schlacht fielen 31 schwedische Offiziere und 646 Soldaten, 1.200 Schweden wurden verwundet.
In schwedische Gefangenschaft gerieten 10 Generäle, darunter auch der russische Oberbefehlshaber Charles Eugène de Croy, 10 Obristen und 130 weitere hohe Offiziere. Der Leibarzt des Zaren und ein Günstling gehörten ebenfalls dazu. Die Schweden erbeuten darüber hinaus 230 Standarten des russischen Heeres, die gesamte russische Artillerie mit 180 Geschützen und große Mengen Munition, über 20.000 Musketen und die Kriegskasse des Zaren mit 32.000 Goldrubel.
Die russischen Verluste können nur geschätzt werden, aber von den Truppen, die bei Narva gekämpft hatten, erreichten weniger als 23.000 Mann Nowgorod. Die Gesamtverluste müssen daher auf 19.000 bis 20.000 Mann geschätzt werden, inklusive Hunger, Krankheit, Verwundung und Desertion.
Ende 1700 bestand die gesamte russische Armee nur noch aus 34.000 Soldaten, allerdings ohne Geschütze, ohne Munition, zum Teil ohne Gewehre, und obendrein ohne jegliche Disziplin oder Moral.
[Bearbeiten] Fazit
Peter der Große lernte aus seinem Misserfolg. Er forcierte die Schwerindustrie zur Herstellung modernen Kriegsgerätes. Mit Hilfe ausländischer Fachleute vergrößerte und reformierte er die veraltete russische Armee und machte sie den modernen Armeen Europas ebenbürtig. Die nötige Zeit dafür gab ihm die eigenwillige Strategie von Karl XII., der sieben Jahre lang kreuz und quer durch den polnischen Sumpf hinter August herjagte um ihn als König abzusetzen. Peter nutzte die Zeit, reformierte seine Armee und Flotte und eroberte eine von Truppen entblößte schwedische Provinz nach der anderen. Karl dagegen glaubte nach der Schlacht von Narva der russischen Armee überlegen zu sein und sie leicht noch einmal schlagen zu können.
Als die beiden Armeen in der Schlacht bei Poltawa 1709 erneut aufeinander trafen, stellten die Russen ihre Fortschritte eindrucksvoll unter Beweis.
[Bearbeiten] Historisches Zitat
Friedrich Engels: „Der Krimfeldzug“, 1854:
"Narva war der erste große Unfall einer aufsteigenden Nation, deren entschlossener Geist selbst Niederlagen in Siege umzuwandeln wusste."