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Europäische Verteidigungsgemeinschaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) stellte einen 1952 von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Italien und den drei Benelux-Staaten unterzeichneten Vertrag dar, nach dem eine europäische Armee unter übernationaler Führung gebildet werden sollte. Dadurch wäre eine Wiederbewaffnung Deutschlands innerhalb eines europäischen Rahmens erfolgt, die gleichzeitig das Ende der Besatzungsregime nach sich gezogen hätte (erster Deutschlandvertrag). Die Verwirklichung der EVG scheiterte daran, dass die französische Nationalversammlung 1954 den Vertrag nicht ratifizierte.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Der Kalte Krieg - Beginn eines Umdenkens bezüglich der deutschen Wiederbewaffnung

Nach dem Ausbruch des Kalten Krieges, des Korea-Krieges 1950 und wegen einer akuten Furcht vor einem Angriff der UdSSR aus der DDR wurde im August 1950 von Winston Churchill eine europäische Armee mit deutscher Beteiligung gefordert, die mit den USA zusammenarbeiten sollte. Churchill hatte sich schon im März des gleichen Jahres für einen deutschen Verteidigungsbeitrag ausgesprochen, so dass die beratende Versammlung des Europa-Rates am 11. August 1950 die Bildung einer europäischen Armee mit deutschen Kontingenten befürwortete. In den USA begann sich gleichzeitig die Vorstellung durchzusetzen, eine europäische Verteidigungsstreitmacht unter Führung der NATO aufzubauen.

Bundeskanzler Konrad Adenauer betrieb im Rahmen einer verstärkten Westintegration und der Wiedererlangung einer deutschen Souveränität (Ende des Besatzungsstatuts und Kriegszustandes) gleichfalls systematisch eine deutsche Wiederbewaffnung. In einem Memorandum an die Hohen Kommissare vom 30. August 1950 erklärte er sich in einem Alleingang bereit, ein deutsches Kontingent im Rahmen einer internationalen westeuropäischen Armee bereit zu stellen. Dieser Vorstoß war innenpolitisch bis in die Regierung Adenauer hinein massiv umstritten. Die Vorbereitungen begannen aber bald während der Tagung der deutschen militärischen Expertenkommission aus ehemaligen hochrangigen Wehrmachtsoffizieren im Eifelkloster Himmerod vom 03. bis 06. Oktober 1950. Die erarbeitete "Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas" zielte nicht nur auf die Aufstellung von Truppen ab, sondern entwarf auch Konzepte zur Inneren Führung und dem Staatsbürger in Uniform.

[Bearbeiten] Die Ausarbeitung der Idee einer europäischen Armee: Pleven-Plan und Europäische Verteidigungsgemeinschaft

Am 24. Oktober 1950 unterbreitete dann der französische Ministerpräsident René Pleven (1901-1993), orientiert am Schuman-Plan und um die politische Initiative nicht zu verlieren, den sogenannten Pleven-Plan der französischen Nationalversammlung. Danach sollte eine europäische Armee unter Beteiligung der BRD entstehen. Im Gegensatz zu den anderen Ländern der Verteidigungsgemeinschaft, Italien und den drei Benelux-Staaten, hätten die deutschen Truppen in den internationalen Streitkräften aufgehen müssen. Damit wäre das Entstehen einer nationalen deutschen Armee verhindert worden.

In den Verhandlungen um eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) forderte die Regierung der BRD als Gegenleistung für die Aufstellung deutscher Truppen unter europäischer Führung die Ablösung des Besatzungsstatuts und die Einrichtung eines Verteidigungsministeriums, was eine weitgehende innen- und außenpolitische Souveränität nach sich gezogen hätte (erster Deutschlandvertrag oder Generalvertrag; weitgehendes Ende der Alliierten Kontrollrechte). Frankreich wollte dem erst zustimmen, wenn die militärische Integration vertraglich verabschiedet sein würde; der Deutschlandvertrag konnte also erst in Kraft treten, wenn der EVG-Vertrag von den nationalen Parlamenten ratifiziert worden war. Die Unterzeichnung der Verträge erfolgte dann am 26. und 27. Mai 1952. Hinter dem Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft standen letztlich auch die Hoffnungen, Europa in einer politischen Union zu verschmelzen.

[Bearbeiten] Das Scheitern der EVG und der deutsche NATO-Beitritt

Die Ratifizierung scheiterte dann 1954, da sich die französische Nationalversammlung nach der bereits erfolgten Zustimmung durch die Parlamente Belgiens, Deutschlands, Luxemburgs und der Niederlande (Italien stand kurz vor der Ratifikation) gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft aussprach. Der offizielle Grund war, dass Gaullisten und Sozialisten die Übertragung der militärischen Souveränitätsrechte an eine übernationale Behörde zu weit ging und grundsätzliche Bedenken gegen eine Wiederbewaffnung Deutschlands weiterbestanden. Eine zeitgenössische Vermutung lautete, dass ein geheimer "Kuhhandel" zwischen Frankreich und der UdSSR stattgefunden habe: Als Gegenleistung für die verweigerte Ratifizierung habe Frankreich ein günstigeres Ende seines Indochinakrieges gegen die kommunistische Unabhängigkeitsbewegung der Vietminh bekommen.

Auch im Deutschen Bundestag und Bundesrat wurde die Diskussion monatelang bis hin zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes heftig geführt, da ein Wiederbeginn des deutschen Militarismus, eine Zuspitzung des Ost-West-Konfliktes und eine Festschreibung der deutschen Teilung befürchtet wurden. Völkerrechtlich blieb Deutschland mit dem Scheitern der EVG weiter unter dem Besatzungsstatut.

Als Ersatz wurde allerdings noch 1954 durch die sog. Londoner Akte, von den Mitgliedern des Brüsseler Paktes zusammen mit der BRD und Italien die Westeuropäische Union (WEU) gegründet, um Deutschland militärpolitisch einbinden zu können. Nach Verabschiedung der Pariser Verträge (1954) und des in diesen enthaltenen zweiten Deutschlandvertrages wurde schließlich der Beitritt der BRD zur NATO festgeschrieben und am 9. Mai 1955 vollzogen. Die weiter bestehenden französischen Bedenken waren zuvor durch die Garantie der USA, dauerhaft Streitkräfte in Europa zu stationieren, und durch eine Verzichtserklärung der BRD, atomare, biologische und chemische Waffen herzustellen, ausgeräumt worden.

[Bearbeiten] Verweise

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Doering-Manteuffel, Anselm: Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer: Außenpolitik und innere Entwicklung 1949-1963. Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-Gesellschaft 1988. ISBN 3-534-80031-1.
  • Geppert, Dominik: Die Ära Adenauer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-Gesellschaft 2002. ISBN 3-534-15155-0.
  • Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa. Geschichte der europäischen Integration 1939-1957. 3. Auflage. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 1996. ISBN 3-525-33565-2.
  • Sontheimer, Kurt: Die Adenauer-Ära: Grundlegung der Bundesrepublik. München: dtv 1991. ISBN 3-423-34024-X.
  • Volle, Hermann: Die Agonie der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Europa-Archiv, 1954, S. 7115-7126.
  • Köllner, Lutz/ Maier, Klaus A./ Meier-Dörnberg, Wilhelm (u.a.): Die EVG-Phase, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, hrsg. v. Militärgeschichtlichem Forschungsamt, Bd. 2, München 1990.

[Bearbeiten] Weblinks

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