Militarismus
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Der Militarismus bezeichnet
- meist eine Ideologie, welche die Meinung vertritt, dass nur durch militärische Stärke Sicherheit oder gar Frieden gewährleistet wird; in ihrer schwächsten Form dient diese Ideologie dazu, prophylaktische Aufrüstung zu rechtfertigen; heute (2007) wird "Militarismus" oft als Gegenpart zu den zeitgenössischen Friedensbewegungen definiert; die besondere Form des auf Seemacht ausgerichteten Militarismus bezeichnet man auch als Navalismus; das Gegenteil des Militarismus ist der Pazifismus;
- während dem gegenüber der brasilianische Soziologe Willems mit "Militarismus" die Tatsache beschreibt, dass eine ganze Gesellschaft sich an militärischen Bräuchen orientiert, militärische Ehrenvorstellungen pflegt, bereits Kinder am liebsten uniformiert sieht usw., ohne dass sie deshalb notwendig kriegslüstern (bellizistisch) sein müsste; Gegenteil dieses Konzeptes von Militarismus ist dann bäuerliche, bürgerliche oder intellektuelle Soldatenverachtung oder -missachtung, wie sie sich im Antimilitarismus zeigt.
- Nach Walter Benjamin ist Militarismus der Zwang zur allgemeinen Anwendung von Gewalt als Mittel zu Zwecken des Staates.
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[Bearbeiten] Militarismus als Ideologie
Historisch wird der Militarismus mit Sparta, Rom, Preußen oder auch moderneren imperialistischen Staaten in Verbindung gebracht, u.a. mit dem japanischen Kaiserreich vor dem Zweiten Weltkrieg, als Navalismus mit dem Britischen Weltreich, mit dem „Dritten Reich“ in Deutschland, Italien unter Mussolini.
[Bearbeiten] Militarismus als kultureller Stil
Militarismus als kultureller Stil ist geprägt von der übertriebenen Wertschätzung militärischer Hierarchien, Waffen, Orden, Uniformen (die bei gesellschaftlichen Anlässen den Frack bzw. schwarzen Anzug ersetzen können), Paraden, Mythen, Rituale (z.B. des Stechschritts) und vom Muster von Befehl und Gehorsam. Oftmals werden Gewaltanwendung (wie im Krieg) und damit einhergehende Bewusstseinszustände und Emotionen glorifiziert (z.B. bei Ernst Jünger) und erscheinen als Heldenverehrung. Der Soldat wird zum Rollenmodell für die Gesellschaft (Der Soldate, der Soldat | ist der erste Mann im Staat) und entwickelt den entsprechenden Dünkel. Eine Übertragung militärischer Prinzipien auf die Zivilgesellschaft wird angestrebt bzw. hat stattgefunden. Beispiele für eine derartig geprägte Gesellschaftsordnung sind z.B. der Wilhelminismus und der Nationalsozialismus (wo sogar die militärfeindliche und eher ordensorientierte SS ihre Kriegs- und Nachkriegslegitimation am stärksten aus der Waffen-SS bezog).
Außerordentlich militaristische Staaten, wie es Preußen gerade unter dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. war, führten gar keine (Krieg gab es erst später unter Friedrich II.), oder wie das Deutsche Reich 1871 - 1914 wenige Kriege, andererseits forcierten Gesellschaften, in denen das Militär zwar kein Vorbild, die aber bellizistisch waren (die USA, Frankreich) zahlreiche Kriege .
Das Dritte Reich dagegen machte sich den seit langem gesellschaftlich fest verankerten Militarismus zunutze, indem es sich hauptsächlich auf die Aufrüstung der in Wehrmacht umbenannten Reichswehr konzentrierte, während es nur wenige Mittel aufwenden musste, um eine stark revanchistische Kriegslust anzuheizen. So konnten das nationalsozialistische Deutschland und seine faschistischen Verbündeten (bei denen es ebenfalls einen weitverbreiteten, aber wesentlich oberflächlicheren Militarismus als in Deutschland gab) die Eroberung großer Gebiete wagen, weshalb bei der Bundeswehr heute in diesen Fragen - sogar im Vergleich mit anderen europäischen Nationen - relativ große Zurückhaltung herrscht.
Das große und starke Militär eines Landes führt nicht automatisch zu Militarismus. Nationen, in denen liberale Waffengesetze und große Bewunderung für ein meist starkes Militär vorherrschen, sind deswegen nicht sofort militaristisch, selbst dann nicht, wenn ein großer Teil der Bevölkerung in ein straffes Reservistensystem eingebunden ist. Hierbei spielen das im Staat vorherrschende System, das Verhältnis der Bürger zur nationalen Regierung sowie zur dem Militär befehlsgebenden Instanz sowie ihre subjektiv empfundene Bedrohungslage eine wesentliche Rolle, wobei die oben genannten Faktoren Schlüssel- oder verstärkende Elemente eines gegebenenfalls vorhanden Militarismus sein können. Entscheidend können vor allem die Vielfalt, Häufigkeit und Intensität der im Militär selbst praktizierten militärischen Rituale, die über die Notwendigkeit der Disziplinierung und der Stärkung des Korpsgeistes hinausgehen, wobei hier die Grenzen fließend sind.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Karl Liebknecht, Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung, 3. Auflage, Zürich 1911
- Wilhelm Liebknecht, Gegen Militarismus und Eroberungskrieg, Berlin, Dietz, 1886
- Bernd A. Weil, General Dr. von Staat. Zum Verhältnis von Militär und Politik zwischen 1919 und 1945. Frankfurt am Main 1985
- Volker R. Berghahn, Militarismus. Die Geschichte einer Debatte, Hamburg 1981.