Failed State
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Failed State – englisch für gescheiterter Staat – ist ein kontroverser Begriff und bezeichnet in seiner allgemeinsten Definition einen Staat, der die grundlegendsten Funktionen eines Staates nicht mehr erfüllen kann.
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[Bearbeiten] Definition
Ausgehend von der westlich geprägten Sichtweise dessen, was Staatlichkeit ausmacht, sind Failed States geprägt von Defiziten in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt. Das staatliche Gewaltmonopol und die Fähigkeit staatlicher Akteure zur Durchsetzung politischer Entscheidungen sind gefährdet oder nicht mehr vorhanden. Die Ausprägung dieser Defizite unterscheidet Failed States von schwachen Staaten, welche lediglich stark defizitäre staatliche Akteure besitzen bzw. Defizite in lokalen Räumen oder bestimmen Politikbereichen vorweisen.
[Bearbeiten] Ursachen
Es lassen sich geopolitische Faktoren als Ursache für die Entstehung von Failed States ausmachen.
[Bearbeiten] Koloniales Erbe
Die Kolonialzeit hat vielerorts traditionelle Gesellschaftsstrukturen zerstört, diese wurden jedoch nicht durch westliche Verfassungsstrukturen ersetzt. Es bestand kein Interesse der Kolonialmächte daran, den neu entstandenen Staat mit einer eigenen Identität zu versehen. Der nach dem zweiten Weltkrieg schließlich in die Unabhängigkeit entlassene Staat besaß nur rumpfartige Strukturen und Institutionen.
[Bearbeiten] Ende des Kalten Krieges
Eine weitere mögliche Ursache des Zerfalls staatlicher Zentralgewalt, die in der Theorie Internationaler Beziehungen diskutiert wird, ist die Anfang der 1990er Jahren eingeleitete Auflösung der ideologischen, wirschaftlichen und politischen Systemkonfrontation des Kalten Krieges. Diktatorische Regime wurden − meist ohne feste Verankerung im eigenen Land − während des Kalten Krieges durch die Supermächte aus ideologischen und strategischen Interessen an der Macht gehalten. Durch Waffenlieferungen und außenwirtschaftliche Unterstützung wurde die staatliche Einheit künstlich aufrechterhalten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion offenbarte sich die mangelhafte interne Legitimierung dieser Staatsapparate, die politische und militärische Oppositionsbewegungen und Rebellengruppen ausnutzten.
[Bearbeiten] Modernisierungsprozesse
Die Globalisierung hat zu einer größeren sozialen und geografischen Mobilität der Bevölkerung geführt, dem kein Gegengewicht eines nationalen Festigungsprozess entgegensteht.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Anarchie
- Good Governance
- Gouvernementalität
- Governance
- Nation building
- Neopatrimonialismus
- Schwacher Staat
- Staatstheorie
[Bearbeiten] Weblinks
- Bundeszentrale für politische Bildung: Zerfallende Staaten
- Foreign Policy: Failed States Index
- Fund for Peace: Failed States Index
- Freie Universität Berlin zu Failed States
[Bearbeiten] Literatur
- Annette Büttner: Staatszerfall als neues Phänomen der internationalen Politik: Theoretische Kategorisierung und empirische Überprüfung. Marburg: Tectum 2004.
- Robin Geiß: „Failed States“: Die normative Erfassung gescheiterter Staaten. Berlin: Duncker & Humblot 2005.
- Matthias Herdegen, Daniel Thürer, Gerhard Hohloch (Hrsg.): Der Wegfall effektiver Staatsgewalt im Völkerrecht: "The Failed State". Heidelberg: C.F. Müller 1995.
- Ingo Liebach: Die unilaterale humanitäre Intervention im „zerfallenen Staat“ („failed State“). Köln/Berlin/München: Carl Heymanns 2004.
- Werner Ruf (Hrsg.): Politische Ökonomie der Gewalt: Staatszerfall und die Privatisierung von Gewalt und Krieg. Opladen: Leske + Budrich 2003.
- Ulf M. Schubert: Staatszerfall als Problem des internationalen Systems. Marburg: Tectum 2005.