First Nations
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Mit First Nations (französisch Premières nations) werden die indianischen Völker in Kanada (ohne die Métis und Inuit) bezeichnet. Ein nationales Repräsentationsorgan der First Nations in Kanada ist die Versammlung der First Nations.
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[Bearbeiten] Begriff
Der Begriff First Nations wurde in Kanada in den 1970er-Jahren als Ersatz der Bezeichnung Indian Band (indianische Gruppe) eingeführt, die als geschichtlich überholt und herabwürdigend angesehen wurde. Er wird heute in Kanada mehrheitlich zur Bezeichnung der indianischen Ureinwohner ohne die Métis und Inuit verwendet. Als Eigenbezeichnung wurde er von den indianischen Völkern erstmals 1982 bei der Benennung der Versammlung der First Nations benutzt und hat heute in den Namen der Völker weitgehend den den Begriff Band abgelöst.
Obwohl der Begriff First Nations auch von den kanadischen Behörden verwendet wird, ist er juristisch nicht genau festgelegt. Im Indian Act sind drei Arten von Indianern festgelegt:
- Status Indian: Angehöriger eines Indianervolks der als Indianer registriert ist oder dazu berechtigt ist.
- Non-Status Indian: Angehöriger eines Indianervolks, der nicht zur Registrierung als Indianer berechtigt ist.
- Treaty Indian: Angehöriger eines Indianervolks, hauptsächlich in Saskatchewan, das mit der britischen Krone einen der fünf Verträge zwischen 1874 und 1906 (Numbered Treaties) abgeschlossen hat.
[Bearbeiten] Bevölkerung
Im Jahr 2001 gab es in Kanada 690.101 registrierte Indianer und 612 verschiedene First Nations. 373.121 der Indianer lebten in Indianerreservaten. Gegenüber 1981 hat sich die Anzahl der registrierten Indianer mehr als verdoppelt, die Anzahl der First Nations ist nur leicht angewachsen. Die größten First Nations sind: [1]
- Six Nations of the Grand River, Ontario (21.379)
- Akwesasne Mohawk Nation, Ontario (9.695)
- Kainai Nation (Blood), Alberta (9.265)
- Kahnawake Mohawk Nation, Québec (8.965)
- Saddle Lake Cree Nation, Alberta (7.845)
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Bis zum 20. Jahrhundert
Seit der Besiedelung Kanadas durch europäische Siedler war das Verhältnis zu den Indianern mehrmals größeren Veränderungen unterworfen. Bis ins 18. Jahrhundert war es durch individuell ausgehandelte Verträge und einer Notwendigkeit zur Zusammenarbeit in den harten Lebensbedingungen der Siedler gekennzeichnet. Nachdem Großbritannien die alleinige Kolonialherrschaft in Kanada übernahm, wurde im Royal Proclamation Act von 1763 und Québec Act von 1774 erstmals von den Indianern erwartet, ihre Rechte auf das Land in großem Umfang aufzugeben, um der Besiedelung durch Europäer Platz zu machen. Sie wurden jedoch als Vertragspartner und Verbündete angesehen und das Land wurde ihnen in Verträgen abgekauft. Mit der Festigung der britischen Kontrolle in den Gebieten wurde diese Politik langsam durch die einer Assimilierung der Indianer ersetzt. Nach dem britisch-amerikanischen Krieg von 1812 wurden die Indianer in Kanada von denen in den USA abgetrennt.
Seit dem British North America Act 1867 wurden die Verträge nicht mehr mit Großbritannien, sondern mit der kanadischen Regierung ausgehandelt. Im Vergleich mit den Indianerkonflikten in den USA um 1870 gab es in Kanada relativ wenig Blutvergießen. Allerdings waren Indianer durch den Rückgang der Büffelherden, die ihre Nahrungsgrundlage bildeten, oft gezwungen, ihr Land für wenig Gegenleistung zu veräußern. 1871 bis 1875 wurden mit den Indianern der Prärie die ersten fünf der sogenannten Numbered Treaties (Nummerierte Verträge) ausgehandelt, in denen die Indianer Landrechte aufgaben. Als Gegenleistung erhielten sie Reservate als Lebensraum, finanzielle Entschädigung und Jagd- und Fischereirechte in den abgetretenen Gebieten. Im Indian Act von 1876 wurde definiert, wer als Indianer angesehen wurde und Indianer zu Schutzbefohlenen des Staates erklärt.
Ende des 19. Jahrhunderts begann eine Politik der zwangsweisen Eingliederung der Indianer in die kanadische Kultur. Erstmals wurden Internate eingerichtet, in die indianische Kinder zwangsweise verbracht wurden, wo sie bei Strafe ihre eigene Sprache nicht mehr sprechen durften um sie von ihrer angestammten Kultur und eigenen Familie zu entfremden. Dabei kam es von Seiten der sich in der Regel rassisch und sozial höherwertig ansehenden Lehrpersonen vielfach zu sexuellen und andern körperlichen Uebergriffen an den indianischen Schülern und zur Indoktrination der angeblich allein massgebenden Werte der Europäer.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert
In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhundert wurden noch ein mal zwei neue Numbered Treaties ausgehandelt, da auf den Gebieten im Westen Kanadas Gold und andere Rohstoffvorkommen entdeckt wurden. Die William Treaties von 1923 bezogen sich auf Gebiet in Ontario.
Die Politik der Assimilierung wurde bis in die späten 1960er-Jahre fortgeführt. In der Fassung des Indian Act von 1927 wurde ihnen verboten eine politische Organisation zu bilden, um ihre Interessen zu vertreten. Die Indianerinternate bestanden bis 1970.
Die Bewegung für die Rechte der First Nations nahm in den frühen 1980er-Jahren einen Aufschwung, als die kanadische Regierung eine von Großbritannien unabhängige Verfassung plante. Aus der Befürchtung heraus, dass die Rechte der First Nations übergangen würden, bildete sich 1982 erstmals eine gemeinsame Vertretung der indianischen Völker Kanadas, die Versammlung der First Nations. Im Constitution Act von 1982 wurden die Rechte der First Nations zwar anerkannt, sie selbst wurden am Verfassungsprozess jedoch erst ab 1983 beteiligt. In einem Zeitraum von vier Jahren wurden mehrere Konferenzen mit dem kanadischen Premierminister, den Premierministern der Provinzen und den Vertretungen der Ureinwohnern abgehalten (First Ministers Conferences on Aboriginal Rights). Trotz einer Verbesserung der Beziehungen lehnten die Regierungen von Kanada und der Provinzen von Kanada letztendlich das Recht der First Nations auf eine eigene Regierung ab.
1990 war die kanadische Regierung unter Brian Mulroney in Bedrängnis, da es Probleme mit den französischsprachigen Gebieten gab, die sich beim Verfassungsprozess übergangen fühlten. Daher suchte Mulroney die Unterstützung der First Nations und versprach die Einrichtung einer Kommission. Kurze Zeit später im selben Jahr gab einen Aufstand der Mohawk nahe der Stadt Oka in Québec, die Oka-Krise, die sich an Auseinandersetzungen mit den Bürgern der Stadt Oka entzündeten. Nach Ablauf eines Jahres veröffentlichte die Kommission einen Bericht, der die Probleme der First Nations in Kanada bestätigte. Dazu gehörten hauptsächlich Armut, schlechte Gesundheit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, das Auseinanderbrechen von familiären Strukturen und eine hohe Selbstmordrate. Die Kommission empfahl der Regierung eine faire und anhaltende Grundlage der Koexistenz mit den First Nations zu schaffen, darunter materielle Unterstützung zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und die Schaffung eines eigenen Parlaments zur Vertretung ihrer Interessen.
1995 gab es wieder Unruhen, diesmal in Ontario, die Ipperwash-Krise. Anfang 1998 entschuldigte sich die kanadische Regierung formell bei den Ureinwohnern für die Art und Weise, wie sie sie in der Vergangenheit behandelt hatte.
[Bearbeiten] 21. Jahrhundert
Auch im 21. Jahrhundert sind die Lebensverhältnisse vieler Indianer noch prekär. 2005 erreichte die Trinkwasserkrise der Kashechewan First Nation nationales Medieninteresse, als eine Bakterienverseuchung in ihrer Wasserversorgung entdeckt wurde, die zu zwei Jahren in Verhältnissen mit verschmutztem Wasser führten.
Ende 2005 lud Premierminister Paul Martin, zum ersten Mal seit den Verfassungsgesprächen in den 1980er-Jahren, die Vertreter der First Nations zu einer First Ministers-Konferenz ein. Kurz vor seiner Abwahl als Premierminister versprach Martin im Abkommen von Kelowna, innerhalb der nächsten fünf Jahre fünf Milliarden kanadische Dollar zur Verbesserung der Lebensbedingungen der First Nations, Métis und Inuit zur Verfügung zu stellen. Von der neuen konservativen Regierung unter Stephen Harper wurde das Abkommen jedoch fallengelassen, im Haushalt von 2006 und 2007 sind lediglich 150 bzw. 300 Millionen Dollar vorgesehen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Department of Indian Affairs and Northern Development: Registered Indian Population by Sex and Residence 2001. Ottawa 2002. ISBN 0-662-31134-5
[Bearbeiten] Weblinks
- Canada in the making: Aboriginals: Treaties and relations (englisch)
- http://www.firstnations.de First Nations: Land Rights and Environmentalism in British Columbia. Überblick über Aktionen der Indianer für ihre Landrechte und gegen Naturzerstörung (englisch)
- Naming guidelines vom Ministerium für indianische und nördliche Angelegenheiten (englisch)
- First Nation Profile vom kanadischen Minister des Ministeriums für indianische und nördliche Angelegenheiten (englisch)
- Union of BC Indian Chiefs (englisch)
- Maple Leaf Web: Native Social Issues in Canada (englisch)