Franz Six
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Franz Alfred Six (* 12. August 1909 in Mannheim; † 9. Juli 1975 in Bozen) war SS-Brigadeführer, NS-Funktionär und Mitarbeiter der Organisation Gehlen bzw. des Bundesnachrichtendienstes.
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[Bearbeiten] Leben
Als Sohn eines Möbelhändlers machte Six auch für NS-Verhältnisse eine Blitzkarriere. Er studierte Zeitungswissenschaften und war Aktivist im Heidelberger Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Nach seiner Promotion 1934 bei Arnold Bergsträsser habilitierte er 27-jährig und wurde ein Jahr später 1937 Professor in Königsberg. 1939 wurde er Dekan in Berlin an der extra für ihn geschaffenen "Auslandswissenschaftlichen Fakultät". Dabei befasste er sich wissenschaftlich mit den Gegnern des NS-Regimes. Daneben war er noch Gesandter erster Klasse im Auswärtigen Amt im Range eines Ministerialdirigenten.
Auch innerhalb der NS-Hierarchie machte er rasch Karriere. 1937 war er de facto Chef des Sicherheitsdiensts (SD). 1939 wurde er zum SS-Standartenführer (Oberst) befördert. Er war damit einer der sieben ranghöchsten Führer im gesamten SD-Hauptamt. Six trug maßgeblich dazu bei, dass sich der SD in der Juden- und Rassenpolitik des Dritten Reiches eine Monopolstellung erarbeiten konnte. Er war auch an der Entwicklung der Logistik für die Judenverfolgung mitbeteiligt. Seine Rolle am Holocaust wurde nach dem Krieg völlig unterschätzt bzw. bewusst ausgeblendet. Im Gegensatz zu seinem Untergebenen Adolf Eichmann fehlt der Name Six in den einschlägigen Personennachschlagewerken über das Dritte Reich.
Six war zusammen mit Gestapo-Chef Heinrich Müller auch mit der Durchführung der "staatspolizeilichen Vorbereitungen" des Überfalls auf Polen beauftragt, und war als Mitglied des "Stabs Heydrich" umfassend in die Pläne Hitlers, Himmlers und Heydrichs zur Liquidierung der gesamten polnischen Führungsschicht eingeweiht. Am 22. Juni 1941 übertrug ihm Heydrich die Leitung des Vorkommandos Moskau (VK Moskau / SK 7c) in der von Arthur Nebe geführten Einsatzgruppe B. Deren Aufgabe war es, "Partisanen, Saboteure, kommunistische Funktionäre im rückwärtigen Heeresgebiet" zu erfassen. Am Ende des Krieges war Six zum SS-Brigadeführer (Generalmajor) und Chef des Amtes VII (Gegnerforschung) des Reichssicherheitshauptamtes aufgestiegen. Er war zuständig für weltanschauliche "Forschung" und Auswertung und wollte einen "wissenschaftlichen Nationalsozialismus" entwickeln, einen Think Tank, dem die verschiedenen Nazi-Wissenschaftler in diversen Instituten zuarbeiteten. In seiner "Auslandswissenschaftlichen Fakultät" ließ Six Themen wie die Kriegs-Lageberichterstattung, den Nazi-Expansionismus als "Großraumgestaltung" und die "Ostsiedlung" in den Mittelpunkt stellen.
Six' Funktion als Inhaber einer Schaltstelle für das künftige SS-Europa zeigt seine kleine Schrift Die Bürgerkriege Europas und der Einigungskrieg der Gegenwart, die 1943 auch in das Französische übersetzt wurde, um Kollaborateure zu werben ("Les Cahiers du groupe 'Collaboration' en Allemagne"). Der Nazikrieg wird als Einigung Europas bezeichnet, die Abwehrkämpfe in den besetzten Ländern gegen die deutsche Herrschaft als "Bürgerkrieg".
[Bearbeiten] Nach 1945
Schon 1946 konnte Six in den Dienst der Organisation Gehlen treten, die ihre Kenntnisse über die Sowjetunion an das Office of Strategic Services (OSS) zu übermitteln und sich so ein Überleben in der Nachkriegordnung zu sichern wusste. Obwohl der von Adolf Eichmann als Streber und Liebling Himmlers bezeichnete Six als Kriegsverbrecher gesucht wurde, hatte man ihn dennoch nach Stuttgart-Schondorf beordert, um arbeitslose Nazi-Agenten aufzuspüren und für die Amerikaner bzw. die Organisation anzuwerben.
Dort wurde er wiederum von einem ehemaligen SS-Kollegen, der ebenfalls für die Westalliierten arbeitete, erkannt und an das Counter Intelligence Corps (CIC) - Konkurrent der OSS - ausgeliefert, sodass er sich 1948 im Nürnberger Einsatzgruppenprozess für seine Verbrechen verantworten musste. Six beteuerte seine Unschuld und völlige Ahnungslosigkeit. Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, aber bereits im Oktober 1952 vom US-Hochkommissar für Deutschland, John McCloy, begnadigt und aus der Haft entlassen. Six trat nur einige Wochen später seinen Dienst beim Bundesnachrichtendienst in Pullach wieder an.
Hierbei machten sich seine alten Kontakte aus seiner SD-Zeit, z. B. zu Reinhard Höhn bezahlt. So fungierte Six auch als Dozent an der „Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft“, einer der größten europäischen Managerschulen, die auch gerne von Gewerkschaften, SPD-Funktionären und dem Offizierskorps der Bundeswehr besucht wurde.
1961 war mittlerweile seine Reputation wieder so weit fortgeschritten, dass er im Prozess gegen Adolf Eichmann in Israel als Zeuge fungierte. Zu der Zeit arbeitete er allerdings nicht mehr für den Bundesnachrichtendienst, sondern war Werbeleiter bei der Mannesmanntochter Porsche-Diesel-Motorenbau. Nach dem Ende von Porsche-Diesel 1963 arbeitete Six in Essen als selbständiger Unternehmensberater.
Am Ende seines Lebens zog er sich nach Südtirol zurück, wo der NS-Architekt Hermann Giesler für ihn ein Haus gebaut hatte.
[Bearbeiten] Werke
- Die Presse der nationalen Minderheiten im Deutschen Reich, Dissertation, Universität Heidelberg 1936
- Die Politische Propaganda der NSDAP im Kampf um die Macht, Habil.Schrift Universität Heidelberg 1938
- Pressefreiheit und internationale Zusammenarbeit (1938)
- Freimaurertum und Christentum (1940)
- Das Reich und Europa - Eine politische Skizze (1943)
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Simpson, Christopher. Der amerikanische Bumerang. NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA, Wien 1989
- Lutz Hachmeister. Der Gegnerforscher: Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998
- Gideon Botsch "Politische Wissenschaft" im 2. Weltkrieg. Die "deutschen Auslandswissenschaften" im Einsatz 1940 -1945 Paderborn: Schöningh, 2006 ISBN 3506713582 (Rez. in Das Parlament, 22.5.2006)
- Tôviyya Friedman SS-Brigadeführer Prof. Franz Six, Vorgesetzter Adolf Eichmanns, der bei der Endlösung der Judenfrage 1933 - 1945 aktiv beteiligt war Haifa: Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes, 2002
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Franz Six im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Six, Franz Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | NS-Funktionär und Kriegsverbrecher |
GEBURTSDATUM | 12. August 1909 |
GEBURTSORT | Mannheim; |
STERBEDATUM | 9. Juli 1975 |
STERBEORT | Bozen |