Hyperkulturalität
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Die Hyperkulturalität bezeichnet die heutige Verfassung der Kultur. Im Zuge der Globalisierung lösen sich die kulturellen Ausdrucksformen (Bilder, Klänge, Vorstellungen, Symbole, Rituale etc.) von ihrem ursprünglichen Ort und zirkulieren im globalen Hyperraum. Die Kulturen werden ent-grenzt zu einer Hyperkultur. Nicht Grenzen, sondern Vernetzungen und Vermischungen geben die kulturelle Konstellation von heute wieder. Wie im Hypertext befinden sich unterschiedlichste kulturelle Formen in einem dichten Nebeneinander.
Die Globalisierung der Kultur führt zu einer raum-zeitlichen Implosion der Welt. Sie hebt alle Grenzen auf. Sie wirkt verdichtend und akkumulierend. Diese Implosion erzeugt eine Räumlichkeit, die weder durch die Inter- noch Multi- noch Transkulturalität wiedergegeben werden kann. Der räumliche Charakter der Transkulturalität ist nicht implosiv. Sie steht vielmehr im Zeichen einer Ausweitung oder Überschreitung. Die Hyperkultur hat ebenso wenig die Dialogizität der Interkulturalität. Vielmehr zeichnet eine prädialogische Konjunktion die kulturelle Dynamik von heute aus. Auch die Multikultur ist nicht ganz frei von Trennungen, Unterschieden und Ghettos. Inter, Multi oder Trans entsprechen nicht jenem dichten, abstand- und schwellenlosen Nebeneinander des Verschiedenen, das die globalisierte Kultur von heute kennzeichnet. Die Hyperkulturalität verweist also auf die kulturelle Dynamik der Globalisierung, die über die Inter-, Multi- oder Transkulturalität hinausgeht.
Ted Nelson, dem berühmten Theoretiker des Hypertextes zufolge ist dieser nicht auf den digitalen Text beschränkt. Vielmehr macht die Hypertextualität die "wahre Struktur der Dinge" aus. "Everything is", so Nelson, "deeply intertwingled". Alles ist also mit allem vernetzt. Die Hyperkulturalität bringt die Erkenntnis zur Sprache, dass die Vernetzung ("intertwingularity") auch die Kultur von heute charakterisiert. Die Hyperkultur ist eine kulturelle Version des Hypertextes oder des Hyperlinks, der jede Linearität und Begrenzung des konventionellen Textes ganz aufhebt.
Die Hyperkulturalität hebt die kulturelle Identität nicht auf. Sie stellt nur jene Form der Identität in Frage, die als ein unveränderliches Faktum gegeben ist. Die hyperkulturelle Identität ist ein sehr bewegliches, wandelbares Gebilde, das sich aus dem kulturellen Hyperraum heraus erst konstituiert.
[Bearbeiten] Literatur
- Ted Nelson, Computer Lib/Dream Machines (1974)
- Ted Nelson, Literary Machines (1981, 1993)
- Martin Klepper u. a.: Hyperkultur, Berlin/New York 2000. ISBN 3-11-014729-7
- Byung-Chul Han: Hyperkulturalität. Kultur und Globalisierung, Berlin. 2005. ISBN 3-88396-212-0
- Byung-Chul Han: Hyperkultur und Globalisierung, in: Lettre International 74(2006), S. 122-123
- Byung-Chul Han: Eine kurze Schwellenkunde zur Globalisierung, in: http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2006-1/BCh_Han.htm
- Martin Warnke u. a.: HyperKult, Frankfurt a. M. 1997. ISBN 3-86109-141-0