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Krimineller Menschenhandel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter dem Begriff Menschenhandel bzw. krimineller Menschenhandel (in Österreich Grenzüberschreitender Prostitutionshandel) wurden ursprünglich der Handel mit Frauen (männliche Opfer sind zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung extrem selten), die der Prostitution zugeführt wurden, verstanden. In den letzten Jahren wurde der Begriff mehr und mehr ausgeweitet und umfasst heute alle Handlungen, durch die Menschen jeglichen Geschlechts oder Alters in ein Ausbeutungsverhältnis gezwungen werden, wobei ihr Selbstbestimmungsrecht verletzt wird. Darunter fallen alle Formen der sexuellen Ausbeutung (z.B. Zwangsprostitution), aber auch die Ausbeutung der Arbeitskraft oder die Entnahme von Organen. Insbesondere der Menschenhandel mit dem Ziel der Prostitution wird häufig auch Frauenhandel genannt.

Diese Ausbeutung erfolgt meist unter massiver Gewaltanwendung und ist für die Opfer extrem belastend. Viele sind ihr Leben lang von den Erlebnissen traumatisiert oder gleiten in die Drogensucht ab.

Gegen die Opfer werden in diesem Kontext schwerste Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen die persönliche Freiheit und gegen die körperliche Unversehrtheit begangen. Als Nebenstraftaten sind meist Steuerhinterziehungen und Verstöße gegen das Arbeits-, Ausländer-, und Sozialversicherungsrecht vorhanden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Formen von Menschenhandel

[Bearbeiten] Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung

Darunter fallen neben der Zwangsprostitution auch der Handel mit Menschen zur Herstellung pornographischen Materials. Opfer sind hauptsächlich Frauen und Kinder. Siehe dazu auch Frauenhandel und Kinderhandel.
Die Straftatbestände, Täter- und Opferstruktur in diesem Kontext sind im Artikel Zwangsprostitution näher aufgeschlüsselt.

[Bearbeiten] Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft

Darf nicht verwechselt werden mit normaler Arbeitsmigration (auch illegaler Schwarzarbeit). Menschenhandel trifft insbesondere dann zu, wenn der ausländische Arbeitnehmer unter Umgehung der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen gezielt ausgebeutet wird. Hierzu zählen zum Beispiel die Vermittlung von Hausangestellten an Privathaushalte, die nicht arbeitsrechtlich kontrolliert werden und wo teilweise an Sklaverei grenzende Arbeitsbedingungen herrschen. Hierbei werden gerade weiblich Angestellte auch häufig sexuell ausgebeutet.

In diesem Bereich bekannt gewordene Fälle sprechen von keiner Bezahlung, Essensentzug zur Bestrafung, psychischer Misshandlung, fehlende Freizeit, Isolation, Körperverletzung, sexueller Gewalt, Freiheitsentzug.

[Bearbeiten] Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme

Dieser relativ junge Bereich des Menschenhandels entstand aufgrund der hohen Nachfrage nach menschlichen Organspenden in Industrieländern. "Lebendspenden" von Organen werden in Drittweltländern mit einer Zahlung an den Spender erstanden und in Industrieländern auf dem Schwarzmarkt angeboten. Da das Phänomen relativ jung ist, gibt es bisher keine klare Abgrenzung zwischen illegalem und legalem Organhandel. Auch vertrauenswürdige Zahlen über das Ausmaß des Organhandels gibt es bisher keine.

[Bearbeiten] Ursachen

Bei den Ursachen des kriminellen Menschenhandels wird zwischen Pull- und Push-Faktoren unterschieden. Zu den Push-Faktoren werden insbesondere Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte oder nicht vorhandene Schulbildung und geschlechtsspezifische Diskriminierung der Opfer in den Herkunftsländern gezählt. Als Pull-Faktoren in den Zielländern gelten eine hohe Nachfrage nach billigen Sexarbeiterinnen und "exotischen Frauen" sowie nach ungelernten Arbeitskräften und Lebend-Organspenden.

[Bearbeiten] Ausmaß und Entwicklung

Krimineller Menschenhandel wird weltweit betrieben. Die "Beschaffungsmärkte" liegen in der dritten Welt, in Entwicklungsländern und seit dem Fall der Mauer im ehemaligen Ostblock. Zielländer sind alle Länder der so genannten Ersten Welt. Mit der zunehmenden Globalisierung steigt auch das Geschäft mit Menschen. Die Opfer sind meistens Frauen aus unterentwickelten Ländern wie Brasilien. Dabei zeigt die rasante und weltweite Zunahme des Menschen- und insbesondere des Frauenhandels, dass die Globalisierung dazu beiträgt, dass Körper und sexuelle Dienstleistungen - manchmal in verdeckten Zwangsverhältnissen wie der Zwangsehe, meist aber in offenen Gewaltverhältnissen - als Ware gehandelt werden. Eine Analyse dieses Problems muss daher eine geschlechterkritische und herrschaftskritische Dimension beinhalten. Um eine vollständige und angemessene Analyse zu erreichen, die weder das Problem allein als Migrationsthema ("sex workers") abtut, noch die Feminisierung von Migration und Armut als Verbrechensproblem verkürzt, muss die Globalisierung als strukturgebende Voraussetzung anerkannt werden. (siehe Lemke: Gender und Globalisierung. 2003)

Die Internationale Organisation für Migration (IMO) schätzt, dass jährlich gegen 500.000 Frauen und Kinder aus Mittel- und Osteuropa nach Westeuropa gehandelt werden. Andere Schätzungen sprechen von 120.000 bis 200.000.

[Bearbeiten] Polizeilich registrierte Zahlen in Deutschland

Über das in Deutschland von der Polizei registrierte Ausmaß des Menschenhandels geben sowohl die Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) des Bundeskriminalamtes (BKA) sowie die Lagebilder Menschenhandel des BKA Auskunft. Zu beachten ist hierbei, dass diese Statistiken das volle Ausmaß des Frauen- bzw. Menschenhandels nur zum Teil wiedergeben.

In Deutschland wurden bis 1992 um die 200 Menschenhandels-Fälle pro Jahr in der PKS registriert. Danach stiegen die Zahlen stark an: Von 171 Fällen (1992) über 517 (1993), 767 (1994), 919 (1995) auf den Höchststand von 1094 Fällen im Jahr 1996. Seit 1994 erfasst die Polizei jährlich zwischen 678 (1999) und 1094 Fälle (1996).

Für den starken Anstieg der Zahlen nach 1992 kommen verschiedene Gründe in Betracht. Zum einen wurde der Straftatbestand Menschenhandel 1992 durch das 26. Strafrechtsänderungsgesetz erweitert, zum anderen könnte aber auch das Ausmaß der Taten durch die Öffnung der Grenzen zwischen West- und Osteuropa gestiegen und in der Folge die polizeiliche Ermittlungstätigkeit auf diesem Gebiet intensiviert worden sein. Einen wenn auch geringen Einfluss dürfte zudem die Tatsache gehabt haben, dass ab 1993 erstmals auch Straftaten aus den fünf neuen Bundesländern registriert wurden. Die Fallzahlen Menschenhandel in Ostdeutschland fallen allerdings bis heute marginal aus.

Seit 1997 sinkt die Anzahl der Menschenhandelsfälle in der Bundesrepublik leicht. Während 1996, 1997, 1998 und 2000 dennoch jeweils über 1000 Menschenhandels-Fälle gezählt wurden, waren es sowohl 1994 als auch 1999, 2001, 2002, 2003 und 2004 „nur“ rund 800. 2005 sank die Zahl der in der PKS registrierten Straftaten (Fälle) im Zusammenhang mit dem Delikt Menschenhandel nochmals leicht ab, auf 700 Fälle. Zu starken Rückgängen der Fallzahlen kam es bundesweit in den Jahren 1999, 2001 und 2005.

Die Zahl der im Lagebild Menschenhandel des BKA registrierten Opfer war zwischen 1995 (1521) und 1999 (801) rückläufig, stieg in den Jahren 2001 (1000) und 2003 auf bis zu 1200 Opfer an und geht seitdem stark zurück (2005: 642). Der Anstieg 2003 dürfte u.a. darauf zurückgehen, dass ab diesem Jahr auch Verfahren zum Nachteil deutscher Opfer erfasst wurden.

Die Zahl der registrierten Menschenhandelsfälle und -opfer wie auch der durchgeführten Verfahren der Polizei in den einzelnen Bundesländern fällt sehr unterschiedlich aus. Auch innerhalb eines Bundeslandes schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr. Als Grund hierfür nennt eine Studie des BKA (BKA (Hrsg.) (2006, Straftatbestand Menschenhandel, München) die wechselnde Kontroll- und Ermittlungsintensität der Polizei, die von den vorhandenen Ressourcen und der kriminalpolitischen Schwerpunktsetzung abhänge.

[Bearbeiten] Täter

Menschenhändler oder Schlepper sind Personen, die dem organisierten Menschenhandel nachgehen und – oft in Schlepperbanden vereinigt – Menschen aus Osteuropa oder den Entwicklungsländern illegal in westliche Länder schleusen. Je restriktiver die Einreisebestimmungen in den westlichen Ländern sind, umso leichter fällt es den Schleppern, Ausreisewillige mit den vermeintlich "paradiesischen Zuständen" in den Industrienationen zu ködern. Meist zu mehreren eingesperrt in Lkw oder Kühlwagen werden die Migranten, oft unter Lebensgefahr, von den Schleppern in den Westen verfrachtet, nachdem man ihnen alles abgenommen hat. Das Schleppen von Menschen (im internationalen Jargon auch Trafficking genannt) erfordert ein weitreichendes, komplexes Netzwerk, angefangen von der Fälschung von Dokumenten und dem Verkauf gefälschter Papiere über die Organisation des Transports bis hin zum Abarbeiten des Schlepperlohnes im Zielland.

Bestimmte Händlerringe haben sich darauf spezialisiert, junge Frauen in den Westen zu schleusen, um diese dann, nachdem man ihnen die Pässe abgenommen hat, unter unwürdigen Bedingungen in Bordellen arbeiten zu lassen. Oft bieten die Schlepper, als seriös erscheinende Arbeitsvermittler getarnt, den Frauen an, Einreise, Arbeit und Wohnung für sie zu organisieren.

[Bearbeiten] Rechtliche Grundlagen auf internationaler Ebene

Menschenhandel ist eine Menschenrechtsverletzung ersten Grades. Neben Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN (Sklavereiartikel - Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.) werden dabei viele weitere Grundrechte der Opfer verletzt.

[Bearbeiten] UNO: Zusatzprotokoll Menschenhandel

Im Zusatzprotokoll zur UNO-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ("ZP Menschenhandel") wird die Vorbeugung, Unterdrückung und Bestrafung des Handels mit Menschen behandelt. Als krimineller Menschenhandel werden der Handel mit Menschen zum Zweck der Prostitution sowie andere Formen sexueller Ausbeutung wie Herstellung pornographischen Materials genannt. Dazu kommen die Ausbeutung der Arbeitskraft (definiert als: Verletzung arbeitsrechtlicher Normen betreffend die Arbeitsbedingungen, die Entlöhung und die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz) und die Entnahme menschlicher Organe. Bedingung, damit krimineller Menschenhandel vorliegt, ist eine repetitive und kontinuierliche Verletzung der Grundrechte der betroffenen Person(en). Aus diesem Grund fallen die internationale Heiratsvermittlung und die Adoptionsvermittlung nicht unter diese Gesetzgebung.

Das ZP Menschenhandel umfasst den Menschen als Ware und umfasst insbesondere die Tätigkeit als Vermittler (Handel). Die illegale Migration hingegen wird unter Menschenschmuggel geahndet und stellt in diesem Sinne keinen Menschenhandel dar. Die vom ZP Menschenhandel explizit genannten Tathandlungen sind die Anwerbung, Beförderung, Beherbegung und Empfang von Personen. Tatmittel sind Androhung oder Anwendung von Gewalt, diverse Formen der Nötigung (z.B. Entführung), arglistige Täuschung, Betrug, Missbrauch von Macht, Einfluss oder Druckmitteln, Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und/oder Bestechung des Gewaltinhabers.


[Bearbeiten] Europäische Union

  • Europäische Menschenrechtskonvention
  • Rat der Europäischen Union, Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels, 19. Juli 2002, (2002/629/JI), veröffentlicht in: Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 203/1 vom 1. August 2002
  • Rat der Europäischen Union, EU-Plan über bewährte Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels, 2005/C311/01), veröffentlicht in: Amtsblatt der EU vom 9. Dezember 2005.
  • Europäisches Parlament, Bekämpfung des Menschenhandels, Empfehlung des EP an den Rat zur Bekämpfung des Menschenhandels – ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan (2006/2078 (INI)) vom 16. November 2006.
  • Vorschlag vom 21. Dezember 2000 für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels, KOM(2000) 854 endg./2, ABl. C 62 E vom 27. Februar 2001, 321, ([1]);
  • Empfehlung R (2000) 11 des Ministerkomitees des Europarates über die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.
  • Verabschiedung des Rahmenbeschlusses durch den Rat der EU Justiz und die Innenminister am 27./28. September 2001, nachdem die Divergenzen über die Fixierung einer einheitlichen Mindesthöchststrafe (8 Jahre bei erschwerten Umständen) ausgeräumt wurden, und soll bis 2003 in Kraft getreten sein.

[Bearbeiten] Literatur

  • Agisra (Hrsg.) "Frauenhandel und Prostitutionstourismus : eine Bestandsaufnahme zu Prostitutionstourismus, Heiratsvermittlung und Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen ; Anhang: Rechtsexpertise zur Situation in der BRD". München : Trickster, 1990 381 S. ISBN 3-923804-41-5
  • Inge Bell (et al): "Stopp dem Frauenhandel! Brennpunkt Osteuropa". München : Atwerb-Verl., 2004 98 S.
  • BKA (Hrsg.) (2006), Straftatbestand Menschenhandel, München. [2]
  • Bundeskriminalamt (BKA) (2000-2006), Lagebild Menschenhandel 1999 - 2005, Wiesbaden. [3] (Berichte und Statistiken/ Kriminalitätslageberichte/ Menschenhandel)
  • Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz (Hrsg.) (2006), Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, Berlin. [4]
  • Heinz, Wolfgang (2004): Menschenhandel und Menschenschmuggel. Kriminologische und kriminalpolitische Aspekte, in: Otto Triffterer (Hg.): Gedächtnisschrift für Theo Vogler, Heidelberg, S. 127-150.
  • Europäische Kommission: "Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung : Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament". Luxemburg : Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1996 ISBN 92-78-11758-7
  • Ilse Lenz / Heidi Thiemann: "Internationaler Frauenhandel : eine Untersuchung über Prostitution und Heiratshandel in Nordrhein-Westfalen und die Interventionsmöglichkeiten von Institutionen und Frauengruppen". Düsseldorf : Ministerium für d. Gleichstellung von Frau u. Mann d. Landes Nordrhein-Westfalen, 1993 135 S.
  • International Organization for Migration (IOM) (2005), Data and research on human trafficking: A global survey, Genf.
  • Kelly, Liz (2002), Journeys of Jeopardy: A Commentary on Current Research on Trafficking of Women and Children for Sexual Exploitation Within Europe, London.
  • Kelly, Liz, Regan, Linda (2000), Stopping Traffic: Exploring the extent of, and Responses to, Trafficking in Women for sexual Exploitation in the UK, London, Hrsg: Home Office, Policing and Reducing Crime Unit, Research, Development and Statistics Directorate, Police Research Series Paper 125 [5]
  • Angelika Kartusch: "Internationale und europäische Maßnahmen gegen den Frauen- und Menschenhandel - Rückblick und Ausblick". http://web.fu-berlin.de/gpo/angelika_kartusch.htm (12.04.2006)
  • Christiane Lemke: "Gender und Globalisierung" in: gender...politik...online: [6]
  • Niesner, Elvira, Jones-Pauly, Christina (2001), Trafficking in Women in Europe: Prosecution and Victim Protection in a European Context, Bielefeld.
  • Tübinger Projektgruppe Frauenhandel: "Frauenhandel in Deutschland". Bonn : Dietz, 1989 351 S. ISBN 3-8012-3030-9

[Bearbeiten] Gesetzestexte

[Bearbeiten] EU

[Bearbeiten] Deutschland

[Bearbeiten] Österreich

[Bearbeiten] Schweiz

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Organisationen

[Bearbeiten] Statistiken

[Bearbeiten] Siehe auch

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