Lotuseffekt
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Als Lotuseffekt wird die geringe Benetzbarkeit einer Oberfläche bezeichnet, wie sie bei der Lotuspflanze beobachtet werden kann. Blüte und Blätter dieser Pflanze können von Wasser und vielen anderen Flüssigkeiten nicht benetzt werden, sodass sich Tropfen bilden, die nicht an der Oberfläche haften. Auch an üblichen Oberflächen haftende Feststoffe wie Farbpulver zeigen verringerten Halt und können einfach weggespült werden. Es liegt hier Selbstreinigung einer biologischen Oberfläche vor. Auch andere Pflanzen, wie beispielsweise die Kapuzinerkresse, Kohl, Schilfrohr, Akelei, Tulpe und Banane zeigen diesen Effekt.
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[Bearbeiten] Ursache
Nachdem der Botaniker Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn feststellte, dass manche Pflanzen im Herbarium häufig schmutzig waren, wogegen Individuen anderer Arten während vieler Jahre stets sauber blieben, untersuchte er dieses Phänomen genauer und beschrieb dessen physikochemische Grundlagen zusammen mit C. Neinhuis in den 1990er Jahren.
Wassertropfen haben wie alle Flüssigkeiten aufgrund von Kohäsion (Zusammenhalt innerhalb der Flüssigkeit) die Tendenz zur Minimierung ihrer Oberfläche und bilden daher Kugelformen (Oberflächenspannung). Bei Kontakt mit einer Oberfläche wirken Adhäsionskräfte (Anhaftungskräfte an die Oberfläche), so dass es zur Benetzung der Oberfläche kommen kann. Abhängig von der Beschaffenheit der Oberfläche und der Oberflächenspannung der Flüssigkeit kann es zu vollständiger Benetzung kommen, wenn die Adhäsionskräfte die Kohäsionskräfte überwiegen, zu unvollständiger Benetzung sowie zu keiner Benetzung, wenn die Kohäsionskräfte die Adhäsionskräfte überwiegen.
Die Ursache des Lotuseffekts liegt in einer besonderen Oberflächenstruktur, welche so geringe Adhäsionskräfte erzeugt, dass schon bei Flüssigkeiten mit geringer Oberflächenspannung die Kohäsionskräfte innerhalb der Flüssigkeit die Adhäsionskräfte überwiegen und es zu keiner Benetzung kommt. Die Epidermis der Lotuspflanze beispielsweise bildet etwa fünf bis zehn Mikrometer hohe und zehn bis fünfzehn Mikrometer voneinander entfernte Noppen, denen eine Cuticula aufgelagert ist. Sie besteht aus einem Grundgerüst von Polymeren wie Cutin und den darin eingelagerten hydrophoben Wachsen.
Durch die Oberflächenstruktur der Pflanzen werden gegenüber Wasser Kontaktwinkel von bis zu 160° erreicht (Superhydrophobie). Das bedeutet, dass nur etwa 2 bis 3 % der Tropfenoberfläche mit der Oberfläche der Pflanze in Kontakt stehen, diese also eine extrem geringe Benetzbarkeit besitzt. Die Adhäsion zwischen Blattoberfläche und Wassertropfen ist dabei so gering, dass das Wasser leicht abperlen kann. Aufliegende Schmutzpartikel – die ebenfalls nur eine kleine Kontaktfläche besitzen – werden dadurch mitgerissen und weggespült. Durch die zentrale Bedeutung der Oberflächenspannung wässriger Lösungen für die Minimierung der Kontaktfläche wird verständlich, dass der Lotuseffekt in dieser Form nicht bei stark benetzenden Lösungsmitteln auftreten kann.
Die Voraussetzung zur Reproduktion des Effekts sind daher mikro- und nanostrukturierte, superhydrophobe Oberflächen (5-20 μm hoch und 5 bis 50 μm voneinander entfernt, 1 μm = 10 − 6 m).
[Bearbeiten] Biologische Bedeutung
Die biologische Bedeutung dieses Effekts liegt für die Pflanze im Schutz vor einer Besiedlung durch Mikroorganismen, Krankheitserregern oder Keimen, beispielsweise Pilzsporen, oder dem Bewuchs mit Algen. Dies gilt in ähnlicher Weise für Tiere wie Schmetterlinge, Libellen und andere Insekten, die mit ihren Beinen nicht überall an ihren Körper zum Säubern hinreichen.
Eine weitere positive Wirkung des Lotuseffekts ist die Verhinderung von Verschmutzungen, die den Lichteinfall vermindern und Spaltöffnungen verschließen könnten.
[Bearbeiten] Anwendungen
Im Jahr 1995 wurde das Patentierungsverfahren durchgeführt und erste Kooperationsverträge mit der Industrie abgeschlossen. Eingeführt wurde der Begriff Lotus-Effect 1997 in einem Fachartikel in der Zeitschrift Planta[1]. Der Name Lotus-Effect wurde von Barthlott 1998 als Marke registriert.
Es ist mittlerweile gelungen, die Oberflächenstruktur künstlich nachzubilden. Kommerzielle Produkte sind selbstreinigende Dachziegel und eine selbstreinigende Fassadenfarbe („Lotusan“). Es ist auch gelungen, einen Autolack mit Lotuseffekt herzustellen. Dieser Lack konnte sich aufgrund seiner optischen Eigenschaften am Markt nicht durchsetzen, da er wegen der erhöhten Rauheit zu matt wirkt. Aus dem Bereich der Nanotechnologie gibt es mittlerweile ebenfalls Beschichtungen, die superhydrophob sind. Diese Oberflächen sind zwar wasserabweisend, jedoch nicht selbstreinigend, sondern besonders leicht zu reinigen. Es gibt auch Spray-Beschichtungen, die solche Nano-Strukturen ausbilden. Werden diese Beschichtungen auf bereits entsprechend mikrostrukturierte Oberflächen aufgebracht, kann ein Lotuseffekt erzielt werden.
[Bearbeiten] Der Lotuseffekt im Buddhismus
Der Lotus gilt im Buddhismus als heilige Pflanze, da das Abperlen von allen Unreinheiten und Sorgen zur Leidaufhebung führt. Siehe Lotos-Sutra, dukkha, magga, nirodha, samudaya
Siehe auch: Bionik
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Wilhelm Barthlott, Christoph Neinhuis: The purity of sacred lotus or escape from contamination in biological surfaces. In: Planta. 1/202/1997, S. 1-8. Springer, Berlin, Heidelberg, ISSN 0032-0935, Inhaltsangabe
[Bearbeiten] Literatur
- Wilhelm Barthlott, Zdenek Cerman, Anne Kathrin Stosch: Der Lotus-Effekt: Selbstreinigende Oberflächen und ihre Übertragung in die Technik. Biologie in unserer Zeit 34 (5), S. 290–296 (2004)
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Lotuseffekt – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Projektgruppe Lotus-Effect am Botanischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Eine Arbeit aus dem Jahr 1944 zu dem Thema
[Bearbeiten] Animation zum Thema Lotuseffekt
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Diese Animation im .avi-Format (Codec: MS-MPEG4 V2) |
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