Müllverbrennung
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Die Müllverbrennung (schweiz.: Kehrichtverbrennung) zählt zu den thermischen Verfahren der Abfallbehandlung und erfolgt zu einem großen Teil in Müllverbrennungsanlagen. Außerdem wird Müll auch in den Drehrohröfen der Zementindustrie verbrannt. Dort ersetzt der Müll andere fossile Energieträger und wird in diesem Zusammenhang als Sekundärbrennstoff bezeichnet. Hinzu kommen außerdem die Verfahren der Pyrolyse, die Hydrierung und die Trocknung von Abfällen. Die Müllverbrennung wird heute in der Regel der Deponierung vorangestellt, da unbehandelte Abfälle nach dem Stand der Technik nicht die Voraussetzungen für die Deponierbarkeit erfüllen, weil sie zu große organische Anteile besitzen und Schadstoffe leicht auslaugbar sind.
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[Bearbeiten] Verfahren
Müllverbrennung ist die thermische Behandlung von Abfall, um dessen Volumen zu reduzieren und toxische Inhaltsstoffe (beispielsweise bei Krankenhausabfällen, toxischen Abfällen aus gewerblicher Tätigkeit) zu zerstören oder zu immobilisieren.
[Bearbeiten] Heizwert
Bei der Verbrennung von nicht vorbehandeltem Siedlungsabfall wurde in Deutschland vor Einführung der getrennten Abfallerfassung von einem unteren Heizwert von 6-8 MJ/kg ausgegangen. Unter Berücksichtigung aller Bilanzgrenzen und Wirkungsgrade der Teilverfahren in einer klassischen Müllverbrennungsanlage (Hauptkomponenten: Müllaufgabe; thermisches Hauptverfahren bestehend aus Feststoffausbrand auf einem Rost, Restausbrand in einem nachgeschalteten Kolbenstromreaktor und Dampferzeugung in einem Wasserrohrkessel; Abgas- und Abwasserreinigung; elektrische Energieumwandlung aus dem Heißdampf) ließen sich so ca. 1,3 MJ [elektrische Energie] pro kg feuchtem Abfall erzeugen. Ein Großteil des elektrischen Stroms muss allerdings für den Betrieb der Rauchgasreinigungsanlage und weiterer Nebenanlagen eingesetzt werden.
Obwohl dem Siedlungsabfall gemäß den Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (§4 Abs.1 KrW-/AbfG & §6 KrW-/AbfG) stofflich wiederverwertbare Inhaltsstoffe entzogen sind (z. B. sortenreine Kunststoffe, Papier, Glas) und die Untergrenze für eine energetische Verwertung von Abfallstoffen auf 11 MJ pro kg festgesetzt wurde (§6 Abs. 2 KrWAbfG), ist eine selbstgängige Verbrennung von Restmüll meist ohne Zusatzfeuerung möglich. Eine andere Möglichkeit der Restmüllbehandlung besteht darin, eine Mechanisch-Biologische Vorbehandlung (MBV) vorzuschalten, um Metalle und Mineralisches auszusondern und feuchte organische Abfälle mit niedrigen Heizwerten in einer Rotte abzubauen. Der auf diese Weise angehobene untere Heizwert der Restabfälle gestattet eine energetische Verwertung. In dieser Reihenfolge ist die thermische Behandlung der damit stark verringerten Mengen von Rest- und Abfallstoffen eine technisch sinnvolle Ergänzung eines dadurch kostengünstigeren integrierten Abfallmanagementsystems für Siedlungsabfälle.
[Bearbeiten] Prozess
Die Verbrennung ist ein 5-stufiger Prozess, zusammengesetzt aus:
- Trocknung (ohne Sauerstoff),
- Verdampfung (ohne Sauerstoff),
- Entgasung (ohne Sauerstoff),
- Vergasung (mit unterstöchiometrischem Sauerstoffanteil),
- Restausbrand (mit stöchiometrischem Sauerstoffanteil oder auch überstöchiometrisch).
Die Verfahrensschritte 1-3 werden technisch auch als Pyrolyse bezeichnet.
[Bearbeiten] Nutzung
Im Restmüll ist chemische Energie gebunden, die durch eine Verbrennung freigesetzt und in einem Dampfkraftprozess (Clausius-Rankine-Prozess) zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Da der unsortierte Restmüll, der in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt wird, mit nicht brennbaren Stoffen (Metalle, keramische Verbindungen) vermischt ist und die Feuchtigkeit oft hoch ist, können keine sehr hohen Verbrennungstemperaturen erreicht werden. Aufgrund der Schadensanfälligkeit der Heizflächen in Müllverbrennungsanlagen werden die Dampfkessel mit den vergleichsweise niedrigen Dampfdrücken von 40 bis 90 bar und Heißdampftemperaturen bis 400°C betrieben, so dass der exergetische Wirkungsgrad (Carnot-Wirkungsgrad) geringer ist als bei modernen Kohlekraftwerken.
Wegen der thermodynamischen Verhältnisse (Entropie) kann grundsätzlich durch die Verbrennung nicht annähernd so viel Energie wiedergewonnen werden wie zuvor für die Herstellung der Produkte eingesetzt werden musste. Weil in der industriellen Produktion überwiegend fossile Energieträger eingesetzt werden, kann mit der Müllverbrennung somit auch kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Vielmehr wird die in den verbrannten Stoffen und Produkten noch gespeicherte Restenergie zusätzlich zu der bei ihrer Produktion eingesetzten Energie freigesetzt und das dabei entstehende Kohlendioxid zusätzlich in die Atmosphäre abgegeben. Die durch Müllverbrennung erzielbare energetische Gutschrift in der Energie- und Klima-Gesamtbilanz ist jedoch sehr viel kleiner als die erzielbare Gutschrift durch stoffliche Verwertung oder Erhaltung und Weitergabe von Produkten.
Im Sinne des Kyoto-Protokolls sind zur Ressourcenschonung Techniken einzusetzen, die Rohstoffe möglichst effizient nutzen und Abfälle über ein Stoffstrommanagement möglichst schonend verwerten. Mit Bezug auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz wird oft die energetische Verwertung von aussortierten Siedlungsabfällen als Ersatzbrennstoff für fossile Rohstoffe angeführt, zum Beispiel in der Zementindustrie oder in der Stahlherstellung, wo u.a. die Shredderleichtfraktion aus der Automobilverwertung als Reduktionsmittel den Steinkohlekoks substituiert.
[Bearbeiten] Müllverbrennung in der Zementindustrie
In der Zementindustrie wird vermehrt Müll als sogenannter Sekundärbrennstoff eingesetzt, mit dem fossile Energieträger ersetzt werden. Dies geschieht in den Drehrohröfen bei der Zementklinkerherstellung. Das Forschungsinstitut der Zementindustrie - unterhalten vom Verein Deutscher Zementwerke e.V. - dokumentiert diesen Einsatz in einem jährlichen Umweltbericht[1].
Den Daten ist zu entnehmen, dass in der deutschen Zementindustrie aktuell (2004) 42 % des Brennstoffenergieeinsatzes durch Müll gedeckt werden. Neben aufbereiteten Fraktionen aus Hausmüll (Siedlungsabfällen) mit 157 000 t/Jahr und Fraktionen aus Industrie- und Gewerbeabfällen mit 863 000 t/Jahr zählen dazu insbesondere Tiermehle und -fette (439 000 t/Jahr), Altöl (100 000 t/Jahr) und Altreifen (290 000 t/Jahr). Zur gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmung der Emissionen gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz / BImSchV stehen dabei sowohl kontinuierliche als auch diskontinuierliche Messverfahren zur Verfügung. Kontinuierlich werden hauptsächlich Staub, NOx und SO2 gemessen; die anderen immissionsrechtlich relevanten Parameter werden in der Regel diskontinuierlich auf der Basis von Einzelmessungen bestimmt und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen dokumentiert.
Von Kritikern wird angeführt, dass anhand der gesetzlichen Grenzwerte nur wenige der unbestimmbar vielen Luftschadstoffe überhaupt erfasst werden, die bei der Verbrennung entstehen. Außerdem stellt die mögliche Kontamination der hergestellten Baustoffe mit Schadstoffen aus den Ersatzbrennstoffen für Kritiker ein Problem dar.
[Bearbeiten] Alternativen zur Müllverbrennung
Bei einer Wiederverwertung z. B. von sortenrein vorliegenden Kunststoffen kann mit etwa derselben Energie, die bei der Verbrennung freigesetzt würde, im stofflichen Recycling ein neues Produkt erzeugt werden. Da die Sortenreinheit, gerade bei Verbundkunststoffen und Kunststoffen aus Siedlungsabfällen nur in seltenen Fällen gegeben ist, erfolgt hier entweder ein "Downcycling" zu Produkten mit geringeren Materialanforderungen oder ein Materialrecycling nach erfolgter verfahrenstechnischer Aufbereitung.
Da Abfälle in Deutschland nur bis zum 31. Mai 2005 unbehandelt deponiert werden durften, sind die Kommunen gehalten, Anlagen zur Vorbehandlung der öffentlich erfassten Abfälle zu errichten. Es gibt verschiedene weitere Verfahren zur Restmüllbehandlung, wie z. B. die kalten Abfallbehandlungstechnologien (mechanische Sortierung, Vergärung, Nachrotte), die von der Bundesregierung in der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) als der Müllverbrennung prinzipiell gleichwertige Vorbehandlungsarten vorgesehen sind. Diese haben eine wesentlich höhere Akzeptanz in der Bevölkerung als Müllverbrennungsanlagen, was wohl auch daran liegt, dass ein System größerer technischer Komplexität (wie eine Hausmüllverbrennungsanlage mit integrierter Abgasreinigung), das zudem mit hohen Kosten verbunden ist, mehr Verunsicherung auslöst als beispielsweise ein biologisches Rottesystem.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Forschungsinstitut der Zementindustrie / Verein Deutscher Zementwerke e.V.:Umweltdaten der deutschen Zementindustrie 2004
[Bearbeiten] Literatur
- Walter Leidinger, Joachim Beyer: Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Methoden der Sonderabfallverbrennung. Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 17(2), S. 59-63 (2005), ISSN 0934-3504
- Braungart, M. / Fuchsloch, N. / Engelfried, J. (1990): Gutachterliche Stellungnahme zur Klimarelevanz der Abfallbehandlungtechnologien Verbrennung, Deponierung und Kompostierung unter besonderer Be-rücksichtigung der geplanten Müllverbrennungsanlage Weißenhorn. Weißenhorn.
- Heuel-Fabianek, B.: Standortsuche für Abfallbehandlungsanlagen in Ballungsräumen. in: Umweltverträglichkeit in der Abfallwirtschaft" (Hrsg.: Heuel-Fabianek, B., Schwefer, H.-J., Schwab, J.), S. 71-87 (1998), Springer-Verlag, ISBN 3-540-63732-X
- Fritz Stuber et al.: Emissionsschäden bei einer Kehrichtverbrennungsanlage, in: Schweizer Ingenieur und Architekt, Jg. 105, Nr. 45, 1987, S. 1309-1314, 3 Abb.