Neolithische Revolution
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Als Neolithische Revolution wird von einigen Wissenschaftlern das Aufkommen produzierender Wirtschaftsweisen (Ackerbau und Viehzucht) und die neu eingeführte Vorratshaltung im Neolithikum (Jungsteinzeit) bezeichnet. Mit dieser Epoche verbunden war die Aufgabe einer nomadischen Lebensweise und die Anlage fester Siedlungsplätze. Der Begriff wurde von Vere Gordon Childe geprägt.
Vor allem das Auftreten der Landwirtschaft unterscheidet das Neolithikum nach allgemeiner wissenschaftlicher Auffassung vom Paläo- und Mesolithikum, in dem die Menschen als Jäger und Sammler lebten. Der Epochenwechsel wird von Forschern - hinsichtlich des Aufkommens von Landwirtschaft - unter zwei Gesichtspunkten diskutiert: der Entstehung (neolithische Revolution) und der Verbreitung (Neolithisierung) der neuen Kulturen. Die bislang vorherrschende Theorie besagt, dass der Ackerbau unabhängig voneinander weltweit dreimal entstanden ist, und zwar in der Levante, in Südchina und in Mittelamerika) und von diesen Keimzentren aus durch soziale Prozesse verbreitet wurde. Die Forschung ist jedoch nach wie vor nicht abgeschlossen.
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[Bearbeiten] Begriff und Bedeutung
Die Neolithische Revolution (griechisch neos "neu", lithos "Stein") markiert nach Ansicht vieler Wissenschaftler einen der wichtigsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit, der so genannten Hominisation.
Das ist zum einen der Übergang vom mobilen Leben als Jäger und Sammler zum sesshaften Leben als Bauer. Sesshafte Lebensweise war im Orient bereits im Mesolithikum vor über 20.000 Jahren, z. B. in der Natufien-Kultur, üblich. Vor rund 11.500 Jahren begann dort der Ackerbau (PPNA - englisch: Pre-Pottery Neolithic Agriculture) und schon vorher wurden nach dem Verschwinden der Gazellenbestände, Schaf, Ziege und Rind domestiziert.
Zum anderen geht es um den Übergang von Anpassung an die Umwelt zu einem durch folgenreiche Erfindungen dynamisierten Prozess mit rasant steigender Produktivität. Die Anfänge dieser Entwicklung fanden möglicherweise in der Levante statt, beginnend vor etwa 20.000 Jahren.
Bereits Gabriel de Mortillet hatte 1897 im Zusammenhang mit dem Neolithikum von der ersten Revolution der Menschheit gesprochen. Der Begriff "Neolithische Revolution" wurde dann 1936 von dem marxistischen australischen Archäologen Vere Gordon Childe in Anlehnung an den Ausdruck "Industrielle Revolution" geprägt. Ähnlich dem epochalen Wandel von vorindustrieller zu industrieller Zeit bedeute die Neolithisierung einen fundamentalen Einschnitt in der Menschheitsgeschichte, der sich an mehreren Merkmalen erkennen lässt. Childe, der archäologische und ethnologische Quellen benutzte, stellte die auf Vorratshaltung ausgerichtete Wirtschaftsweise des Neolithikums, die er auf den Klimawandel zurückführt, als determinierend in den Vordergrund. Die Veränderungen wurden seiner Ansicht nach in einem begrenzten Gebiet mit entsprechenden Ressourcen erzwungen. Er geht davon aus, dass die hier wild lebenden Herbivoren, die einen geordneten Ackerbau beeinträchtigt hätten, in der postglazialen Trockenphase abgewandert bzw. domestiziert ansonsten jedoch ausgerottet waren.
Heute ist die überwiegende Auffassung, dass zwischen den verschiedenen "Erfindungen" wie Sesshaftigkeit, Keramik, erste Tier- und Pflanzenzucht rund 5000 Jahre liegen, mithin dieser "Revolution" der Charakter der Schnelligkeit des sozialen Wandels fehlt, weshalb man jetzt in der Forschung eher den evolutionären Wandel betont und das Wort Revolution in diesem Zusammenhang seltener verwendet. Als revolutionär werden jedoch nach wie vor die Folgen dieser Entwicklung angesehen.
[Bearbeiten] Überblick
Neben völlig neuen Wirtschaftsweisen sind noch andere Innovationen festzuhalten, die auf die Lebensweise großen Einfluss hatten: Schliff von Steingeräten, später auch Keramikherstellung. Seit Childe wird das Neolithikum aber vor allem über die Wirtschaftsweise definiert, nicht mehr, wie bei John Lubbock, über fein zugeschlagene bzw. geschliffene Steingeräte.
Kennzeichnend für die zwanzig Jahrtausende bis ca. 1000 v. Chr. ist dabei der Seriencharakter der Neuerungen, wenngleich die Erfindungen und Umstellungen nicht annähernd das Tempo der Industrialisierung erreichten. Vielmehr stehen den Jahrhunderten hier die Jahrtausende dort als Zeitmaß gegenüber (s. o.).
Auslösender Faktor, der die neolithischen Kulturformen prägte, waren die Sesshaftigkeit sowie die Domestikation von Pflanzen und Tieren. Der Wandel von der aneignenden Lebensweise der Sammler und Jäger zur erzeugenden Wirtschaftsweise von Bauern und Hirten ging einher mit gesellschaftlichen Veränderungen sowie mit veränderten Ritualen und Vorstellungen.
Vor etwa 11.500 Jahren setzt sich der Getreideanbau in der Südosttürkei und Nordsyrien, später in der gesamten Levante durch. Gleichzeitig entstehen die ersten Tempel Jerf el Ahmar, Göbekli Tepe und in der Folge Protourbane Großsiedlungen (z. B. Jericho).
[Bearbeiten] Forschungserkenntnisse zum Neolithikum
Setzt man den Beginn der Menschheitsgeschichte mit dem Auftreten der ersten Homo sapiens in Ostafrika vor mehr als 150.000 Jahren an, so ernährte sich der mitteleuropäische Mensch den größten Teil seiner Geschichte von dem Wild, das er jagte, Fischen, die er fing, und Kleingetier und wilden Pflanzen, die er sammelte. Er zog sein gesamtes Leben - den Wanderungen der Tierherden folgend - von einem Lagerplatz zum anderen. Gemeinschaft gab es für ihn in Form seiner Gruppe. Bei der Nahrungsbeschaffung war jedes der Mitglieder eingebunden, so dass sich kaum Spezialisierung ausbildete. Die Forschung ist sich uneins, inwieweit die Steinverarbeitung, die Flechtkunst und der Bootsbau zu der Entwicklung von Spezialwissen bei Stammesmitgliedern führte. Wahrscheinlich gab es Individuen, die sich auf besondere Fähigkeiten spezialisiert und ihre Erfahrungen an ihre Kinder weitergegeben haben, doch wird ausgeschlossen, dass sie sich nur von diesen Fähigkeiten ernähren konnten.
Die letzten Eiszeiten (Würmeiszeit) konnten die Menschen als Jäger und Sammler überleben. Die Natur bot ausreichend pflanzliche und tierische Ressourcen. Nach der letzten Eiszeit aber verschwanden in weiten Teilen der Welt die meisten großen Säugetiere. Arten wie das Mammut starben aus, möglicherweise aufgrund einer Kombination aus Bejagung und Klimawandel.
Die meisten Forscher gehen auf Grund archäologischer und archäozoologischer Funde im Vorderen Orient davon aus, dass es unmittelbar vor dem Beginn des Ackerbaus keine Notsituation gab. Danach wäre nach ersten Anläufen in Richtung Sesshaftigkeit vor 15.000 bis 13.000 Jahren mit der Kaltphase der Jüngeren Dryas vor ca. 12.900 bis 11.600 Jahren eine Rückkehr zum Leben als Jäger und Sammler erfolgt. Erst mit dem Beginn des Holozäns sei es dann wieder zu Sesshaftigkeit und intensiver Getreidenutzung gekommen. Die Schlüssigkeit dieser konstruierten Chronologie wird von einzelnen Forschern jedoch angezweifelt, die davon ausgehen, dass der Ackerbau früher begonnen habe.
Als eine wesentliche Ursache für den Beginn des Ackerbaus und der Vorratshaltung im Vorderen Orient gilt der Klimawandel zu Beginn der Warmzeit vor rund 11.500 Jahren. War bis dahin das Nahrungsangebot ganzjährig knapp, so gab es jetzt in der feuchten Winter- und Frühjahrszeit ein reicheres Nahrungsangebot (Wildgetreide, Pistazien etc.), in der anderen dagegen fast nichs. Das Sammeln eines Vorrats für die Trockenzeit im Sommer lag nahe und wurde offensichtlich schon sehr bald praktiziert. Da es eine ungekannte Sicherheit der Ernährung bot, wurde Getreide angeblich schon sehr bald außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebiets angebaut.
1500 bis 2000 Jahre lang konnte die Bevölkerung in der Levante den Forschern zufolge ihren Fleischbedarf noch durch die Gazellenjagd decken. Zeugnisse dafür sind die Tierknochenanalysen in den Siedlungen sowie die "Wüstendrachen", Fanganlagen, in denen die Herden zusammengetrieben und geschlachtet wurden. Erst vor ca. 10.000 Jahren brachen die Gazellenbestände zusammen, und es erfolgte als Ausgleich die Domestikation von Schaf, Ziege, Rind und Schwein. Eine primäre Neolithisierung ist auch in anderen Weltregionen wie Südindien, China, Süd- und Mittelamerika nachzuweisen.
Was sich in gewissen Regionen Schritt für Schritt entwickelt hatte, wurde in anderen durch Einwanderung oder Handelsbeziehungen fast schlagartig eingeführt. Ein Beispiel ist die Neolithisierung in Mitteleuropa um 5500 v. Chr. Im südlichen Afrika wurde nach Ansicht vieler Forscher die Stufe der neolithischen Ackerbaukultur gar ganz übersprungen. Hier trafen um die Zeitenwende eisenzeitliche Ackerbauern auf eine Kultur von Sammlern und Jägern [1] [2].
[Bearbeiten] Aktuelle Forschung
Erkenntnisse der Populationsgenetik erlauben in jüngster Zeit konkretere Aussagen zur Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht durch Wanderungsbewegungen, denn auch bei Skeletten lässt sich die DNA bestimmen. Im Jahr 2000 analysierte ein Forscherteam aus diesem Grund die DNA von 1000 Männern aus Europa und dem Nahen Osten; die entscheidenden gemeinsamen oder unterscheidenden Merkmale, die Rückschlüsse auf gemeinsame Vorfahren und deren Datierung erlauben, werden genetische Marker genannt. Das Ergebnis: Etwa 20 Prozent der europäischen Y-Chromosomen stammen von neolithischen Einwanderern aus dem Nahen Osten. Der Populationsgenetiker Spencer Wells hält es für wahrscheinlich, dass diese den Ackerbau nach Europa und in die Levante brachten, es sich also nicht um eine unabhängige Entwicklung handelte. „In einem denkbaren Szenario hätte sich die Landwirtschaft demnach zunächst rund um das Mittelmeer ausgebreitet, weil die neolithischen Einwanderer aus dem Nahen Osten das dortige Klima bevorzugten (...) Erst später übernahmen die paläolithischen Europäer im Landesinneren die Landwirtschaft und verbreiteten überall die Kultur (...) des Neolithikums.“[3]
Unabhängig vom Nahen Osten scheint sich die Landwirtschaft in Asien entwickelt und ausgebreitet zu haben. In Nordchina wurde Ausgrabungen zufolge etwa 7000 Jahre vor unserer Zeitrechnung erstmals in größerem Umfang Hirse angebaut, in Zentralchina außerdem auch Reis. 2000 Jahre später gab es auch Reisanbau in Südchina, um 3500 v.Chr. dann in Taiwan, um 2000 v.Chr. in Borneo und Sumatra, 500 Jahre später auf anderen Inseln Indonesiens. Die genetischen Forschungsergebnisse zeigten, dass die neue Kultur hier durch Wanderungsbewegungen von China ausgehend weiterverbreitet wurde.[4]
[Bearbeiten] Folgen der Entwicklung
Gewöhnlich wird der Wandel der Wirtschafts- und Lebensweise zu Beginn der neolithischen Ära als großer Fortschritt betrachtet, da die Menschen durch die landwirtschaftliche Produktion allmählich unabhängig von den Schwankungen im natürlichen Angebot der gesammelten und erjagten Nahrung wurden. Die Ergebnisse der Paläoanthropologie belegen, dass die Bevölkerung nach der Einführung des Ackerbaus stark anwuchs; ihre Versorgung wäre durch Jagen und Sammeln allein wahrscheinlich nicht ausreichend möglich gewesen. Der Feldanbau bedeutete jedoch auch die Konzentration auf wenige Nahrungsmittel und eine starke Abhängigkeit von der Ernte, die wiederum vom Wetter beeinflusst wurde. Die Sesshaftigkeit der Ackerbauern verhinderte rasche Ortswechsel bei Klimaschwankungen und begünstigte Hungersnöte.[5]
Die Skelettfunde aus dem Neolithikum belegen, dass die Körpergröße der Menschen in dieser Phase deutlich abnahm, was Rückschlüsse auf ihren Ernährungsstatus zulässt. Die Lebenserwartung sank deutlich im Vergleich zum Paläolithikum. Nachweislich erkrankten wesentlich mehr Menschen als vorher, vor allem an Infektionen. Die meisten dürften durch häufigen und engen Kontakt mit Vieh nach Einführung der Viehzucht entstanden sein; innerhalb größerer Populationen vermehren sich die Erreger und sterben nicht aus wie in kleinen Gruppen. Masern sollen ihren Ursprung in der Rinderpest haben.[5]
Eine andere Folge der Sesshaftigkeit war die Entstehung von sozialen Schichten, während es bei Jägern und Sammlern nur einen Gruppenführer gibt. Dass mit der Bevorratung von Nahrung und Saatgut und (später) von Viehherden eine Kapitalbildung vorlag, die ihrerseits den Raub lukrativ machen konnte und eine Vorkehr dagegen erzwang, ist nach Ansicht mancher Forscher durch die 11.500 Jahre alte Stadtmauer von Jericho nachgewiesen. Da man sesshaft war, konnte man sich bei Konflikten nicht mehr ausweichen. Somit sei der Krieg durch die neolithische Revolution eingeführt worden.
[Bearbeiten] Rechtliche Auswirkungen
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Die neolithische Revolution hatte auch starke Auswirkungen auf das Recht. Mit Begriffen des deutschen Privatrechtes: Der "Besitz" als tatsächliche Verfügungsgewalt über einen Gegenstand begann sich vom "Eigentum" als einem Recht auf den Gegenstand zu trennen.
Jäger und Sammler hatten außer Jagd-, Sammel- und Kochgerät, Brennstoffvorrat, Kleidung und Schmuck keine Sachgüter und hantierten zumeist direkt mit diesen auf sie angepassten Gegenständen. Starben sie, so waren diese Gegenstände als Grabbeigabe ein hinnehmbares Opfer der gemeinschaftlich verfassten Horde. Bei Hirten waren nun die Herden und bei den Bauern Land, Gebäude und Vorräte gemeinsames oder individuelles "Eigentum", wobei insbesondere deren Übertragung nach dem Tod eines Besitzers geregelt werden musste. Auch die Ungleichverteilung der Sachgüter (besserer oder weniger geeigneter Boden, größere oder geringere Schäden bei Unwettern und Dürren usw.) bedurfte einer Regelung und führte zu einer sozialen Schichtung, die am Ende zur Trennung von Arm und Reich führte. Einige der Spitzen der neuen Gesellschaft waren bald von jeder manuellen Arbeit freigestellt und konnten mit den freien geistigen und zeitlichen Ressourcen den neuen Verhältnissen besser angepasste Langzeitplanungen, Schutzvorkehrungen, auch theistische (götterbezogene) Religionen weiter entwickeln - im Gegensatz zu den bisher vorherrschenden animistischen und totemistischen Vorstellungen. Vielleicht waren oberster geistiger und weltlicher Führer bereits in einer Person als Priesterkönig vereint, wie das für die Bronzezeit nachgewiesen ist. (Vgl. Hydraulische Gesellschaft.)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Siedlungsgeschichte im Südosten Sambias
- ↑ Eisenzeitliche Viehzucht im südlichen Afrika und ihre Ausbreitung
- ↑ Spencer Wells, Die Wege der Menschheit. Eine Reise auf den Spuren der genetischen Evolution, Frankfurt/Main 2003, S. 234
- ↑ Spencer Wells, S. 235 ff.
- ↑ a b Stephen Wells, S. 237 ff.
[Bearbeiten] Siehe auch
Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Jungsteinzeit, Agrargeschichte
[Bearbeiten] Literatur
- Marion Benz: Die Neolithisierung im Vorderen Orient: Theorien, archäologische Daten und ein ethnologisches Modell. Berlin (Ex Oriente) 2000
- Bernbeck, R: Theorien in der Archäologie 1999
- Vere Gordon Childe: Der Mensch schafft sich selbst. Dresden, Verl. d. Kunst, 1959.
- Vere Gordon Childe: Soziale Evolution. Frankfurt Main, Suhrkamp 1975, stw 115, ISBN 3-518-07715-5.
- James E. McClellan/Harold Dorn: Werkzeuge und Wissen. Hamburg 2001
- Müller-Beck, Hansjürgen: Die Steinzeit. Der Weg der Menschen in die Geschichte, München 2004. (Informatives, schmales Kompendium, das den neueren Forschungsstand reflektiert)
- Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, Fischer Verlag, Frankfurt, 1998