Netzkunst
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Netzkunst ist ein Sammelbegriff für künstlerische Arbeit in Netzen und mit künstlerischen Netzwerken. Hauptformen sind 'Kunst im Netz' und 'Kunst mit Netzwerken', Mischungen kommen vor.
- 'Kunst im Netz' als 'Digitale Netzkunst' sind solche Werke der Digitalkunst, für die Rechnernetze oder Internetdienste wie Telnet oder Webseiten als unverzichtbares Mittel der Bild-, Klang- und Texterzeugung eingesetzt werden. Für Digitale Netzkunst ist nicht entscheidend, ob sie durch eine oder mehrere Personen entsteht, sondern dass zentrale Aspekte und Aussagen der Werke nur in Verbindung mit einem Rechnernetz erfahrbar sind. Gegenwärtig üblich ist die Anordnung Computer- Tastatur- Bildschirm/ Projektor- Internetanbindung- Peer/Server oder ähnlich, z.B. bei 'Handykunst' (Mobile Phone Art). Andere Anordnungen sind denkbar oder werden praktiziert.
- 'Kunst im Netz' als 'kollektiv-virtuelles Kunstschaffen' betreiben telekommunikativ vernetzte Teilnehmer, die ein gemeinsames visuelles oder auditives Werk hervorbringen. Ihre Netztechnik muss nicht unbedingt digital sein. Teilnehmer bringen ihre Beiträge kontrolliert ein, können in digitalen Netzwerken jedoch auch freiwillig oder unfreiwillig durch ein Programm abgeschöpft werden.
- 'Kunst mit Netzwerken' verändert oder erschafft Netzwerke. So gründete Joseph Beuys Organisationen, die als konzeptuelle künstlerische Arbeiten entstanden und zu langlebigen Netzwerken aus Ideen, Kommunikation und Arbeitszusammenhängen wurden. Nach diesem Kunstverständnis sind die Beiträge von Tim Berners-Lee zur Entstehung des World Wide Web sowohl intelligent angewandte Netz-Wissenschaft als auch global folgenreiche künstlerische Eingriffe eines kreativen Netzwerkers. Außer einzeln oder gemeinsam auftretenden Netzwerk-Künstlern, siehe etoy, gibt es demnach Netzwerker, die von sich weisen, künstlerisch zu handeln, aber selbst bedeutende Netzwerke schaffen und es Anderen ermöglichen.
'Kunst auf dem Netz' ist keine Netzkunst. Sie nutzt das Netz wie beliebige andere Medien. So werden im [WWW] - World Wide Web Projekte und Werke analoger oder digitaler Kunst vorgestellt, die im Prinzip auch ohne Netz möglich wären. Eine eigenständige künstlerische Auseinandersetzung mit Netz oder Netzwerk liegt nicht vor bei: Angewandter Kunst mit Webseiten (Applied Webart) im Dienst der Werbung; Seiten für Künstlerkontakte; Verwendung des Begriffs 'Netzkunst' oder 'Netart' aus Statusgründen, usw.
Netart als Begriff im Deutschen verwendet, kann als Sammelbegriff wie 'Netzkunst' gemeint sein, oder wie meist im Englischen (vgl. en.wikipedia.org/wiki/Netart) in etwa vergleichbar zu 'Internetkunst' (siehe unten). Unter Künstlern ist 'Netart' eher ein Kürzel für eine bestimmte Kunstszene und als net.art (siehe unter "Siehe auch") ein Etikett einer bekannten Künstlergruppe.
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[Bearbeiten] Begriffe Netz und Netzwerk
Die aktuelle Begriffsdiskussion bevorzugt 'Netz' statt 'Netzwerk' wo es sich um eine sinngemäß falsche Übernahme des englischen 'network' handelt. 'Netzwerk' jedoch schematisch durch 'Netz' zu ersetzen erzeugt Unsinn, denn 'Netzwerk' ist ein deutscher Begriff für 'netzartiges Gefüge' (s. Wahrig 1968).
Die Vorstellung von einem 'netzartigen Gefüge' ist geeignet, auf komplexe, mehrdimensionale, netzartige Erscheinungen im übertragenen Sinne angewendet zu werden. Beispielsweise: Soziale Gefüge oder Beziehungsgefüge; Psychologische Zusammenhänge mit vielen Variablen; oder das Denken selbst. Solche Gefüge verändern und reproduzieren sich unter günstigen Bedingungen nach eigenen Regeln, die kaum linear, eher chaostheoretisch fassbar sind. Die Verwendung des Begriffs in sozialwissenschaftlichen Texten auf dem Stand der Wissenschaft ist daher treffend, aber auch in den Naturwissenschaften unentbehrlich.
Die unterschiedliche Bedeutung von Netz und Netzwerk erfordert bei theoretischen Überlegungen, zwischen Netzkunst und künstlerischen Netzwerken zu unterscheiden. Im sprachlichen Alltag geschieht es nur bei Bedarf.
Netz und Netzwerk gehen dort ineinander über, wo sich komplexe Beziehungen zwischen Gegenständen und Menschen gleichzeitig als bewegliches, drei- und mehrdimensionales Netz, oder als soziales Netzwerk beschreiben lassen, das technische Hilfsmittel einsetzt. Da beide Blickwinkel zudem in Beziehung zu abstrakten und theoretischen Netzwerk- und Netzbegriffen gesetzt werden können, entsteht ein weites Feld, in dem kreative Varianten künstlerischer Arbeit durch sprachliche und theoretische Missverständnisse begünstigt werden.
Die Inflation der Begriffe 'Netz' und 'Netzwerk' legt nahe, auch verbundene Ausdrücke auf sinnvolle Anwendung zu prüfen, z.B.:
Bei ‘Kunst im Netz‘ ist mit dem Begriff 'Netzparadigma' ein Vorstellungsmuster gemeint, nach dem das Netz technisch oder organisatorisch beschaffen ist oder sein könnte, um damit Netzkunst herstellen zu können.
Bei 'Kunst mit Netzwerken' empfiehlt es sich, den vermeintlich ähnlichen Begriff 'Netzwerkparadigma' nur auf Basis eines durchdachten wissenschaftlichen Hintergrundes anzuwenden (z.B. wie Manuel Castells in "Das Informationszeitalter").
[Bearbeiten] Kunst im Netz und mit dem Netzwerk
Ein Netz kann einerseits der Herstellung eines künstlerischen Produkts dienen, andererseits die technische Grundlage für den kommunikativen und kreativen Prozess eines Netzwerkes bilden. So gibt es Netzkunst in der Bandbreite zwischen einerseits bedeutender Digitaler Netzkunst, die mit 'Netzwerk' nichts zu tun hat und andererseits 'Kunst mit Netzwerken', die technische Kommunikationsnetze nur als untergeordnete Werkzeuge einsetzt.
Netzkunst ist manchmal gleichzeitig an Netze und ein Netzwerk gebunden. Wenn Teilnehmer telematischer Netze durch ständige kommunikative Prozesse Netzwerke kreieren, werden sie darin zu Netzwerkern. Sie können die Netzwerke verändern und sich darin bewegen. Dabei werde beliebige technische Netze genutzt, oder es wird auf einer bestimmten Netztechnik aufgebaut. Diese Auffassung von Netzkunst ist nicht nur durch sozialwissenschaftliche Theorien, sondern auch durch soziale Utopien und literarische Vorbilder inspiriert. Digitale Netzkunst ist aus dieser Sicht nur eine der Möglichkeiten, technische Netze für menschliche Netzwerke zu nutzen.
Sparten von Netzkunst:
- 'Mail Art' oder 'Postkunst' benutzt alle verfügbaren Netze für ihr Netzwerk. Das in den 1960er Jahren bestehende, weltweit zugängliche Postsystem, in das alle öffentlichen Einrichtungen der Telekommunikation integriert waren, wurde in ursprünglich gesellschaftsverändernder Absicht einerseits zum künstlerischen Gegenstand, andererseits zum Mittel für künstlerische Prozesse in darauf aufbauenden Netzwerken, bis hin zu vielfältiger Netzwerk-Kunst. So gab es schon früh selbsternannte 'Mail Art Boten' und -Kuriere als eine Art 'Mail Art Performer' und heute gibt es Mail Art auch als 'E-Mail Art'. Als anspruchsvolle Parallele oder Sonderform gilt 'Correspondence Art' (Kunst der Korrespondenz). 'Korrespondenz' bezieht sich in diesem Zusammenhang gleichzeitig, im Sinne von Pop Art, trivial auf die gegenständliche Korrespondenz aber im Sinne des verborgenen Themas der 'New York School of Correspondance' Ray Johnsons, auch auf 'spirituelle (Nicht-)Korrespondenz'.
- 'Internet Art' ist im anglo-amerikanischen Sprachraum ein selbstverständlich verwendeter Begriff. Ungefähr ab 1982 wird die globale Vernetzung von Rechnernetzen zunehmend als 'Internet' bezeichnet. Künstlerische Arbeit, die ohne Internet nicht möglich ist und sich mit den Bedingungen des Mediums auseinandersetzt, wäre folglich auch im Deutschen 'Internetkunst'. Bei dieser Auffassung von Internetkunst wären die Kommunikationsmöglichkeiten des Internet selbstverständlicher Teil der Arbeit, Internetkunst würde also im Netz und in einem kommunikativen Netzwerk entstehen. Die Fachliteratur bevorzugt dafür eher die Bezeichnung 'Netzkunst', weil 'Internetkunst' oft zu banal als 'Kunst, die im World Wide Web zu sehen ist' verstanden wird.
- 'Web Art' ist Digitale Netzkunst, die als künstlerische Arbeit mit Webseiten über deren reine Gestaltung hinausweist, beispielsweise indem sie die Bedingungen für Wahrnehmung im Internet thematisiert. Web Art hat künstlerisch immer mit Digitaler Netzkunst zu tun, und eher selten mit künstlerischen Netzwerken. Sie kann auch oberflächlichem kommerziellem 'Webdesign' nahe stehen. Ein treffender deutscher Begriff wäre nützlich.
[Bearbeiten] Stichworte
[Bearbeiten] Analog und digital
Marshall McLuhans Satz, "The Medium is the Message", ist für Netzkunst und ihre Interpretation bedeutend. Sogar wenn ein Netzwerk auf den ersten Anschein unabhängig von der Art der eingesetzten technischen Netze und Medientechnologien funktioniert, hängen Form und den Inhalt jeder Mitteilung und Darstellung davon ab und verändern dadurch die Wirklichkeit. Ebenso wie der Übergang von Buchdruck zu elektronischen Netzen die Welt veränderte, wirkt sich auch der Übergang zu digitaler Informationsverarbeitung aus, denn sie beruht auf einem charakteristischen technologieabhängigen Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsvorgang, dessen Beherrschung weitreichende gesellschaftliche Folgen hat.
Netzkunst ist schon durch teilnehmende Interaktion in analogen telematischen Netzen erfahrbar. Zwischen 'unabhängig von digitalen Medien' und 'mit digitalen Medien untrennbar verbunden' ist alles möglich. Für digitale Netzkunst benötigt der Teilnehmer oder Netzwerker Geräte, Displays, Webseiten und andere technische Mittel. Viele Erscheinungen, die erst mit dem Webseiten-Internet (WWW - World Wide Web) bekannt wurden, sind jedoch in analogen telematischen Netzen bereits zu beobachten. Ein einfaches Netz von Teilnehmern, die sich Karten senden, kann durchaus ein soziales Netzwerk mit einem virtuellen Raum erzeugen, in dem beispielsweise virtuelle Persönlichkeiten (siehe unten) geschaffen werden können.
Geschieht die künstlerische Arbeit oder der künstlerische Prozess in Auseinandersetzung mit digitalen Netzen und einem entsprechenden Netzparadigma, so handelt es sich um 'Digitale Netzkunst' im engeren Sinne. Netzkunst in Netzwerken dagegen, ist ihrem Wesen nach nicht digital, selbst wenn sie unter Anderem auch digitale Technik in digitalen Medien einsetzt, denn sie bezieht sich meist auf soziale oder abstrakte Bedeutungen.
[Bearbeiten] Gesellschaftsveränderung
Netzkunst ist von Anfang an mit Vorstellungen über Gesellschaftsveränderung verbunden (siehe Kommunikationsguerilla, Medienguerilla) und von Begeisterung für soziale und technische Möglichkeiten geprägt (siehe "Telematische Gesellschaft" bei Vilém Flusser). Kritische Versuchsanordnungen in Bereichen wie Wahrnehmung, Medien und Gesellschaft sind für Netzkunst nicht ungewöhnlich. Beispielsweise kann es Netzkunst sein, bestimmte soziale oder kulturelle Traditionen des Internet bei Projekten außerhalb der technischen Struktur des Internet zu praktizieren.
Netzkünstler interessiert die Dekonstruktion ästhetischer, digitaler und meist auch gesellschaftlicher Codes. Netzwerke benötigen zwar die positive mentale Teilhabe der Teilnehmer, unter Umständen können störende und unbequeme Netzwerkstrategien künstlerisch aber auch konsequent sein.
Netzkunst kann sich auf eher technische und ästhetische Aspekte beziehen, aber in der internationalen Szene der Netzkünstler interessiert auch der "kreative Netz-Hack" als Akt des politischen und ästhetischen Widerstands. Für die Künstler ist es nicht ungewöhnlich, auch Netzaktivist und Hacktivist zu sein. Die Präsentation eines Computervirus zur 49. Biennale Venedig war eben keine einsame kriminelle Tat, sondern eine Werk von Netzwerkkünstlern. Der Übergang zu Netzaktivisten und Hacktivisten, die sich nicht mehr als Künstler per se definieren, ist fließend. Viele gehen gegenüber Kommerz und Macht so kreativ und subversiv mit Formen und Inhalten um, dass es als Netzkunst verstanden werden kann. Künstlerische Aktivitäten dieser Art geraten immer wieder in Gefahr, missinterpretiert und kriminalisiert zu werden.
So wie Widerstandsrechte zur Politik, gehören zu Netzkunst auch der elektronische zivile Widerstand, die egozentrische Kunst-Propaganda, die Verunsicherung der Wahrnehmung, die kreative Fehlinformation und der verantwortliche Einsatz destruktiver ästhetischer, digitaler oder sozialer Codes im Rahmen des zivilen Ungehorsams.
Die jeweils aktuellen Formen von Netzkunst stehen vor Allem in Zusammenhang mit Veränderungen in den Bereichen 'Telekommunikation', 'gesellschaftliche Interaktion' und 'Wahrnehmung in der Mediengesellschaft'. Netzkunst kann diese Veränderungen reflektieren, daran beteiligt sein, und manchmal sogar kommende Entwicklungen vorwegnehmen.
[Bearbeiten] Virtuelle Persönlichkeiten
Schon im Mail Art Netz wurden virtuelle Persönlichkeiten durch Netzkommunikation erzeugt. Besonders in den Propaganda-Aktionen des Neoismus sind virtuelle Persönlichkeiten, an denen jeder teilnehmen kann, als offene Konzepte realisiert worden. Eine solche Persönlichkeit kann aus einem Netz der an ihr Beteiligten Netzwerker entstehen und im umgebenden Netz in Erscheinung treten und sogar kommunizieren. So führt heute etwa die Eingabe 'Karen Eliot' in eine Suchmaschine in ein Dickicht neoistischer Propaganda, in dem mit etwas Glück immer wieder jemand zu finden ist, der unter dem Namen Karen Eliot antwortet oder fragt. Die virtuelle Persönlichkeit entstand in analogen Netzen und setzt sich im Internet fort. Karen Eliot lebt von den neuen Bedürfnissen und Möglichkeiten, mit ihr zu kommunizieren, ihre verstreute Identität anzunehmen, sie für sich arbeiten zu lassen und sich durch sie überall vertreten zu wähnen. So wurde die im Internet gebräuchliche Idee des Avatars als künstliche Persönlichkeit bereits in analogen künstlerischen Netzen vorweggenommen.
[Bearbeiten] Entwicklungen
[Bearbeiten] Rezeption und Globalisierung
'Kunst mit dem Netz' war kunsthistorisch nicht leicht zu erfassen: Nach Verwirklichung eines prozessualen Kunstwerks in kommunikativen Prozessen, ist es nur noch aus Nebenprodukten, aus Dokumenten der gesellschaftlichen Rezeption und aus Künstlerarchiven rekonstruierbar. Deshalb erfolgte die kunsthistorische Aufarbeitung nach heutigen Maßstäben verspätet. Ab wann und wo der vielschichtige Begriff "Netzkunst" in Kunsttheorie und Kunstgeschichte sinnvoll eingesetzt wird, bleibt daher diskussionswürdig.
Spätestens seit den frühen 1960er Jahren sind bedeutende Entwicklungen wie Mailart, Happening und Fluxus und Konzeptkunst festzustellen, die konzeptuell oder real, lokal oder global, vernetzt kommunizierende und agierende Teilnehmer und Netzwerker voraussetzen. Zu den ersten Initiatoren solch künstlerischer Netzwerke gehören Künstler wie Ray Johnson, der seine Kommunikationszusammenhänge für teils reale, teils 'virtuelle' Ausstellungen nutzte; Yves Klein and Ben Vautier, die 'Post-Skandale' inszenierten; und Ken Friedman, dessen Ausstellungsprojekt '[Omaha Flow Systems]' (1972) den Charakter eines Kommunikations- und Ereignisnetzwerkes hatte. Robert Filliou prägte 1968 mit George Brecht den Begriff 'Fete Permanente'/'Eternal Network' ('Die Ständige Feier'/'Das Ewige Netzwerk'), der für die damalige kulturelle Situation bezeichnend, für die Idee und Entwicklung eines nichtmilitärischen Internet erwähnenswert und für künstlerische Netzwerker grundlegend ist. Mindestens ab diesem Zeitpunkt ist 'Kunst mit dem Netz' kunsthistorisch wahrnehmbar.
Bereits diese frühen Formen von Netzkunst haben nicht nur analoge Netze, wie die Briefpost, sondern auch elektronische Netze einbezogen, z.B. Telefon- und Fax. Netzkunst wurde weit vor Entstehung des World Wide Web, in Zusammenhang mit der besonders für die digitale Bild- und Tonerzeugung bedeutenden Digitalkunst zu Digitaler Netzkunst; zunächst über vernetzte Rechner an einzelnen Forschungseinrichtungen, dann über das beginnende Internet. Bei den ersten telematischen Kunstprojekten (s. Telematik), die auf digitalen Netzen basierten, sind anfangs nur kurzzeitig Netzwerke als Kunstwerke entstanden. In den 1980er Jahren folgte die künstlerische Nutzung von Mailbox-Systemen (vgl. Tilman Baumgärtel 'Immaterialien' am 26. Juni 1997 in Telepolis). Es entstanden komplexere, auf digitaler Netztechnik basierende Netzwerke, die unter anderem politisch bedeutend wurden, wie das [Zamir] Netzwerk). Webseiten wurden etwas später, vorwiegend durch neue Akteure als visuell und akustisch, aber auch als sozial und politisch einsetzbares Medium entdeckt. Dabei kann als einer der wichtigsten Bezugspunkte bis etwa 2000 The Thing genannt werden (Initiator und Betreiber: Wolfgang Staehle), und als frühe Webart- und Netart-KünstlerInnen Olia Lialina und [Heath Bunting] (s. Weblinks: irational.org).
[Bearbeiten] Deutschsprachiger Raum
Vorläufer für den Beginn von Netzkunst sind u.a.: Der Postkartenaustausch der Künstler der Brücke bis 1913; Max Bense und die Stuttgarter Gruppe/Schule ab Beginn der 60er Jahre. Die Organisationen von Joseph Beuys oder Robert Adrian X mit ARTEX; u.a. machten Netze schon bewusst für Netzwerke dienstbar.
Netzkunst, oft als Mail Art, war im geteilten Deutschland, sofern grenzüberschreitend, eine Auseinandersetzung mit Postzensur, außerdem ein Besuchsnetz, das Künstler und Netzwerker aus vielen Ländern gerade wegen der Ausreisebeschränkungen der DDR dort zusammenbrachte. Es gab künstlerische Netzwerker, die als Kuriere zwischen Ost und West die Grenzen der Machtblöcke überschritten um Mailart zu transportieren. So konnten trotz Behinderung durch "staatliche Organe" sogar zwischen Mailart Netzwerkern und Akteuren des Samiszdat einzelne Verbindungen hergestellt werden.
Ein seit 1993-1994 bekanntes Beispiel für deutschsprachige digitale Netzkunst ist unter [sero.org/handshake/] dokumentiert und teilweise benutzbar.
[Bearbeiten] Aufmerksamkeit-Limitierung-Wert Webseiten
Der Ursprungsbegriff aus dem Englischen lautet Advertance–Limitation–Worth Homepages (ALW-Homepages). Unter diesem Begriff werden Webpages verstanden welche durch eine künstlich erzeugte Limitierung Aufmerksamkeit erzeugen und diese Verkaufen. Diese Internetseiten bieten meist eine in irgendeiner weise logisch erklärende Limitierung wie etwa 1000.000 Pixel oder die Zahlen von eins bis Tausend bis hin zu Zahlenspielen wo jede Ziffer hinter einander gereiht wird zum Beispiel beim „the senseless 1234567$ club“
Das Besondere an dieser Art von Netzkunst oder E-Business liegt darin dass der Wert der Verkauften Einheiten (Pixel, Zahlen, Clubmitgliedschaften, Werbefläche etc.) durch Aufmerksamkeit generiert wird. Die Aufmerksamkeit wiederum wird dadurch generiert, dass ein Preis verlangt wird für etwas das noch keinen Wert hat, allerdings nur beschränkt zur Verfügung steht. So entsteht eine Wertsteigerungsspirale.
ALW-Homepages die kleine 1- 1000$ oder flexible Verkaufseinheiten an viele Käufer abgeben wie etwa die „million dollar homepage“ oder „onethousendpaintings.com“ waren höchst erfolgreich (über 1.000.000$ Gewinn) und haben mittlerweile dutzende von Kopierern gefunden. Als neue Entwicklung ist www.1-2-3-4-5-6-7.org ,“the senseless 1234567$ club“ zu sehen.
[Bearbeiten] Siehe auch
Internetkultur, Kommunikationskunst, Mail Art, Medienkunst, Netzliteratur, Telekommunikation, Vernetzung, demoscene, Marianne-von-Willemer-Preis, net.art
[Bearbeiten] Online Literatur und Materialien
- Tilman Baumgärtel Das Internet als imaginäres Museum, Berlin 1998
- Tilman Baumgärtel Immaterialien. Zur Vor- und Frühgeschichte der Netzkunst, Telepolis
- Tilman Baumgärtel Experimentelle Software II, Telepolis
- Natalie Bookchin Zu Netart und Hacktivismus
- Thomas Dreher IASLonline Lektionen in NetArt
- Monika Fleischmann + Ulrike Reinhard Hg. Digitale Transformationen. Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Heidelberg, 2004
- Klaus Möller Kunst im Internet - Netzkunst, Untersuchungen zur Ästhetischen Bildung (Bielefeld 1999)
- Guido Hirschsteiner Netzkunst als Avantgarde
- Hans Dieter Huber Strukturanalyse von http://www.jodi.org (Pop-Up Fenster im Browser nicht sperren!)
- Samuel Herzog Netzkunst - eine Annäherung
- Culture Jamming Interviews mit Netzaktivisten
- Matthias Weiß Texte zu Netzkunst-Positionen (z. B. 0100101110101101.ORG)
[Bearbeiten] Literatur
- Baumgärtel, Tilman: net.art Materialien zur Netzkunst. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 1999
- Baumgärtel, Tilman: net.art 2.0. Neue Materialien zur Netzkunst. New Materials on art on the internet (bilingual: english/german). Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 1999
- Castells, Manuel: Das Informationszeitalter. Leverkusen 2001
- Gohlke, Gerrit, Media Arts Lab des Künstlerhauses Bethanien (Hg.): esc. Berlin 2002
- Monika Fleischmann und Ulrike Reinhard (Hg.)": Digitale Transformationen. Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Herausgegeben vom whois verlag, Heidelberg nach einer Idee von Ulrike Reinhard. Gemeinschaftsproduktion des Fraunhofer Institut für Medienkommunikation, MARS-Exploratory Media Lab mit dem whois verlag Heidelberg, Dez. 2004. http://netzspannung.org/media-art/publications/digital-transformations/
- Greene, Rachel: Internet Art. Thames & Hudson, London 2004
- Kahnwald, Nina Netzkunst als Medienkritik. Neue Strategien der Inszenierung von Informationsstrukturen. München 2006
- Kuni, Verena (Hg.), Institut für Moderne Kunst Nürnberg (Hg.): netz.kunst. Jahrbuch des Instituts für moderne Kunst '98/'99. Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 1999. Mit Beiträgen u. a. von: Valentina Djordjevic, Rachel Baker, Jens Geelhaar, Julia Scher, Cornelia Sollfrank, Holger Friese, Blank & Jeron, Heiko Idensen, Hans Dieter Huber, Dellbrügge & de Moll, Tilman Baumgärtel, Christoph Blase, Geert Lovink, Mario Hergueta, Marina Grzinic, Manu Luksch & Armin Medosch, Kathy Rae Huffmann, Francesca da Rimini, Christian Jankowski, Eva Grubinger und Verena Kuni
- Grau, Oliver (2003). Virtual Art: From Illusion to Immersion (Leonardo Book Series). Cambridge, Massachusetts: The MIT Press. ISBN 0-262-07241-6.
- Paul, Christiane: Digital Art. Thames & Hudson, London 2003
- Sollfrank, Cornelia (Hg.), Institut für Moderne Kunst Nürnberg (Hg.): net.art generator. Nürnberg 2004
- Tribe, Mark; Jana, Reena: New Media Art. Köln 2006
- Türstig, Hans-Georg: Netzkunst als Kunstnetz. Kooperationen der Kreativität im Internet. In: Netzwerker-Perspektiven, Hrsg. Michael Schetsche, Kai Lehmann, Regensburg, S. Roderer, 2003, S. 183-190.
- Weiß, Matthias: Das Gütersloher Netzkunstbuch. Schöppingen 2004