No-Go-Area
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Der Begriff No-Go-Area (deutsch etwa: Nicht zu betretende Zone) bezeichnet Örtlichkeiten, meist Stadtviertel, in denen die öffentliche Ordnung durch den Staat nicht mehr garantiert werden kann. Gewalttätige Auseinandersetzungen sind hier an der Tagesordnung, die Polizei steht den Randalierern und Verbrechern nicht selten weitgehend ratlos gegenüber oder wagt sich nicht ohne entsprechende Bewaffnung in die entsprechenden Bezirke, wodurch weitere Eskalation entstehen kann.
Ursprünglich war der Begriff militärischer Herkunft und wurde in den 70er Jahren im Kontext des Buschkriegs in Südrhodesien benutzt.
Häufig befinden sich derartige Bezirke in Vororten großer Städte und Ballungszentren, vor allem in Megastädten der Entwicklungsländer. In den USA sind diese Bezirke in fast allen großen Städten vorhanden, zu den bekanntesten gehören sicherlich die südliche Bronx und das östliche Brooklyn in New York City. Vereinzelt ist in den USA zu beobachten, dass sich No-Go-Areas auf weite Teile des Stadtgebiets ausdehnen und sich die sicheren Bezirke nur noch auf wenige Straßen erstrecken, etwa in Detroit. Aber auch Vororte (banlieue) von Paris oder anderen französischen Großstädten scheinen sich teilweise zu No-Go-Areas zu entwickeln, wie die Unruhen im Herbst 2005 zeigen.
Eine andere Form von No-Go-Areas bezieht sich nicht auf die Polizei, die sich nicht in diese Gebiete wagt, sondern auf sogenannte national befreite Zonen, in denen das Straßenbild so sehr von Rechtsradikalen geprägt wird, dass sich etwa Ausländer und Angehörige linker Gruppen nicht öffentlich zeigen können, ohne gewalttätige Übergriffe zu riskieren.
In Deutschland gibt es vor allem in ostdeutschen ländlichen Gebieten oder Kleinstädten bzw einigen Stadtteilen solche auch als Angsträume bezeichneten No-Go-Areas, in denen ausländische Besucher, aber auch deutsche Bürger stark gefährdet sein sollen. Es sind eine Reihe von Todesfällen und zahlreiche lebensgefährliche Verletzte zu verzeichnen. Die afrikanische Gemeinde in Berlin wollte ausländische Besucher wie Asiaten, Afrikaner, Amerikaner, Südeuropäer und Israelis in Deutschland besser vor rassistischen Übergriffen schützen und hat zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 eine Karte mit den No-Go-Areas in Deutschland vorgelegt. Bekannt ist, dass es vergleichbare Karten bei den Wirtschaftsverbänden in den USA und in Japan bereits seit vielen Jahren gibt und eine Grundlage für Standortentscheidungen ausländischer Investoren bilden.
Debatte im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006
Im Mai 2006 sorgte der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye für teilweise heftige Kritik, vor allem von ostdeutschen Politikern, als er unter anderem vor Brandenburg als potenzielle Gefahrenzone für dunkelhäutige Menschen warnte. Wörtlich sagte er „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen“. Später zog er seine Aussage mit der Entschuldigung zurück, dass er kein Bundesland stigmatisieren wollte. Gleichzeitig warnte er jedoch vor Kleinreden und Bagatellisieren von rassistischen Übergriffen in Deutschland. Der Brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm nannte Heyes Äußerungen eine „unglaubliche Entgleisung“. Nach anfänglicher Kritik bestätigte auch Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck, dass Heye mit seiner Feststellung Recht habe, dass es in Deutschland und besonders im Osten ein Problem mit Rechtsextremismus, rechtsradikaler Gewalt und Rassismus gebe. Ebenso kritisierte der Zentralrat der Juden in Deutschland, dass führende Politiker rechtsextreme Gewalt aufgrund der bevorstehenden Fußball-WM verharmlosen. Die Kriminalstatistik weist für Brandenburg vier rechtsextreme Gewaltdelikte auf 100.000 Einwohner auf, In Rheinland-Pfalz seien es dagegen nur 0,5. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht Brandenburgs werden über ein Dutzend Orte benannt, die unter der Kontrolle von Rechtsextremen stehen.
Kritiker, wie der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch dagegen argumentierten, sogenannte «No-Go-Areas» für Ausländer würden Neonazis in die Hände spielen, da sie eben dieses Ziel verfolgen. Nachdem von manchen Politikern diesbezüglich Kritik an der Polizei geübt wurde, erwiderte er „Wenn Politikern nach fremdenfeindlichen Übergriffen nichts Besseres einfällt als ungerechtfertigte Pauschalkritik an der Polizei, dann ist das ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Jeder weiß, dass Rechtsextremismus und Gewalt nicht einfach Sicherheitsprobleme sind, die von der Polizei gelöst werden können“. Bundesinnenminister Schäuble sagte „No-Go-Areas darf es nicht geben, es gibt keine Zonen in der Bundesrepublik Deutschland in denen das Gewaltmonopol des Staates nicht gilt.“
Einige Beobachter und Kommentatoren sprechen von einer „peinlichen Diskussion“ eines längst seit Jahren bekannten Problems, welche weniger mit sich häufenden gewalttätigen Übergriffen sondern vielmehr mit der bevorstehenden Weltmeisterschaft und dem drohenden Imageverlust zu tun habe.
Zu Beginn der Weltmeisterschaft veröffentlichten der Afrika-Rat und die Internationale Liga für Menschenrechte anstatt einer Karte mit sogenannten No-Go-Areas "Ratschläge zum Verhalten bei rassistischen Übergriffen" in fünf Sprachen.
Weblinks
- Zu Gast bei Feinden – Die Warnung vor ostdeutschem Rassismus ist nicht neu, die Angriffe auf die Kritiker ebenfalls nicht Telepolis
- Gewalt auf der Straße Telepolis
- Straßenfeste statt Aufmärsche – No-Go-Areas entstehen schleichend und mit Billigung der Bevölkerung Telepolis
- Gefährliche Stadtviertel – Über die subjektive Wahrnehmung von Sicherheit Telepolis
- Besondere Vorsicht im Osten – Der Afrika-Rat und die Internationale Liga für Menschenrechte haben zur Fußball-WM die angekündigten „Ratschläge zum Verhalten bei rassistischen Übergriffen“ veröffentlicht Telepolis
- Zu Gast bei Freunden? Süddeutsche Zeitung
- Warnung vor „No-Go-Areas“ Die Welt
- Verfassungsschutzbericht heizt Debatte um „No-Go-Areas“ an DW
- Afrika-Rat benennt „No-Go-Areas“ nach Gewalt in Potsdam
- Ratschläge zum Verhalten bei rassistischen Übergriffen (fünfsprachig) herausgegeben vom Afrika-Rat und der Internationalen Liga für Menschenrechte