Obere Pfarre (Bamberg)
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Die Kirche Unsere Liebe Frau oder Obere Pfarre ist eine gotische katholische Pfarrkirche in Bamberg.
Die inoffizielle, aber gebräuchlichere Bezeichnung „Obere Pfarre“ bekam die Kirche auf Grund ihrer Lage auf dem Kaulberg als Gegenstück zur „Unteren Pfarre“, der ehemaligen Pfarrkirche St. Martin auf der Inselstadt.
Eine Besonderheit ist ein Gemälde der Himmelfahrt Mariens von Jacopo Tintoretto.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Pfarrei könnte auf die Eigenkirche der Grafen von Babenberg (906 erloschen) zurückzuführen sein. Eine erste urkundliche Erwähnung erfolgt erst um 1140 in einer Urkunde Bischof Egilberts. 1304 gehörte die Obere Pfarre dem Domkapitel, dem sie 1401 nach Streitigkeiten nochmals zugesprochen wurde.
Mit dem Bau der dreischiffigen Kirche wurde im Jahr 1338 begonnen. Jedoch begannen die Planungen hierzu offenbar bereits Ende des 13. Jahrhunderts, wie zwei Ablässe zugunsten der Kirche von 1295 und 1300 nahelegen. Eine Bauinschrift am Nordschiff überliefert das Datum der Fundamentierung als den 16. Juni. Das Langhaus konnte erst 1387 geweiht werden.
Der steil aufragende Chor wurde im Jahr 1392 in Angriff genommen. Die einzige Quelle hierzu ist die Inschrift am Sakramentshaus, die sich eigentlich nur auf den Chor beziehen kann. Auch zum weiteren Bauverlauf fehlen jegliche Überlieferungen. Die Balken des Dachstuhls wurden um die Jahreswende 1419/20 gefällt. Spätenstens um 1450 muss der Neubau vollendet gewesen sein. Möglicherweise verzögerte sich der Bauabschluss durch die Einfälle der Hussiten und den anschließenden Immunitätenstreit (1431-37).
Der unvollendete Turm wurde 1481 mit Schindeln eingedeckt, ein Türmer wird erstmals 1478 erwähnt. 1537/38 erstzte man die alte Türmerstube durch den bis heute erhaltenen zweigeschossigen Aufbau. Auf einem Gemälde in der St. Sebaldus-Kirche zu Nürnberg ist der alte Zustand überliefert (Kreuztragung des Hans VI. Tucher, 1485).
Um 1606/07 kam es zu einer umfassenden Instandsetzung der Kirche. 1608 stürzte ein Gerüst ein, erschlug einen Handwerker und verletzte drei weitere schwer.
Die Barockisierung wurde durch das Testament des Domkustos Johann Philipp von Franckenstein ermöglicht. Der Gönner starb am 25.Februar 1711. Bereits am 20 Juni erhielten die Maurermeister Christoph Krumb und Franz Eple den Auftrag der Umbauten. Die Stuckarbeiten übertrug man Johann Jakob Vogel, die Gewölbe wurden von Wolf Gruber und Michael Schorer eingezogen. Die Arbeiten waren 1721 noch nicht vollendet.
1768 machten Bauschäden die Erniedrigung des Chordaches nötig (Jakob Michael Küchel).
Nach der Säkularisation des Hochstiftes erhielt das Gotteshaus 1811 einen weißen Anstrich. 1838 erzwangen Bauschäden den Abbruch der an den Chor angebauten Sakristei, die anschließend im Süden neu errichtet wurde. 1846/47 brach man an dieser Stelle zwei neue Fenster in das Mauerwerk, die sich dem Altbestand gut angleichen.
1864 erfolgte eine durchgreifende Innenrenovierung. Ernste Gefahr drohte der mittelalterlichen Gestalt der Kirche im Jahr 1880, als Nikolaus Eichhorn zum Stadtpfarrer berufen wurde. Der eifrige Verfechter doktrinärer Neugotik nahm Kontakt zum Wiener Baumeister Friedrich von Schmidt auf, der Pläne für einen neugotischen Turmhelm entwarf. Es gab sogar Planungen zur Errichtung eines zweiten Turmes. Beide Türme sollten durchbrochene Helme erhalten, das überlieferte Stadtbild wäre empfindlich beeinträchtigt worden. Als Eichhorn am 02. Dezember 1907 starb, gab man diese Ausbauprojekte jedoch rasch wieder auf.
Erneute Bauschäden bedingten 1928 erneute Sanierungsmaßnahmen. Ab 1937/38 musste man nochmals umfangreiche Sicherungsarbeiten durchführen.
Der Zweite Weltkrieg brachte einen Bombentreffer am Turm, die Schäden wurden bis 1953 beseitigt. Ab 1954 wurde der Chor statisch gesichert, die Arbeiten zogen sich aus Geldmangel bis 1960 hin. Die letzte - durch umfangreiche Steinschäden bedingte - groß angelegte Sanierung der Pfarrkirche begann 1971. 1973 bis 1979 konnte auch das Innere restauriert werden.
[Bearbeiten] Beschreibung
Die Obere Pfarre ist eine dreischiffige, hochgotische Pfeilerbasilika mit einem später angefügten Umgangschor. Der schlanke Südwestturm ergänzte ehemals als Stadtturm die städtischen Befestigungsanlagen.
Außenbau
Das basikale Langhaus mit seinem niedrigen Obergaden lässt Beziehungen zur oberrheinischen Bettelordensarchitektur erkennen. Die Barockisierung des Innenraumes spiegelt sich nur in der rundbogigen Veränderung der Fenster wieder. Der hohe Westturm ist von einem filigranen Maßwerkschleier überzogen, dessen Einzelformen manchmal etwas spröde wirken. Seit 1537/38 wird der fünfgeschossige Turm von einer verputzten Türmerstube mit Aufsatz und der niedrigen Schieferhaube abgeschlossen. Der spätgotische Ölberg vor dem Nordschiff entstand 1502, wurde aber 1871/72 durchgreifend restauriert. Das ehemalige Hauptportal war das erhaltene „Brautportal“ auf der Nordseite mit seiner offenen Vorhalle und dem reichen Skulpurenschmuck der „Klugen und der Törichten Jungfrauen“.
Der Chor
Der prächtige Ostchor steht in deutlichem Kontrast zur Schlichtheit des Langhauses. Wohl als Konkurrenz zum etwas älteren Hallenchor der Nürnberger Hauptkirche St. Sebald entstand hier eines der Hauptwerke der fränkischen Gotik. Der Rückgriff auf die ältere „französisch-kathedrale“ Grundform ist ein typischer Ausdruck der um 1400 festzustellenden „Regotisierungstendenzen“ in der mitteleuropäischen Architektur. Die Architektur dieses einzigen fränkischen Kathedralchores wird oft mit der deutsch-böhmischen Baumeisterdynastie der Parler in Verbindung gebracht. Tatsächlich finden sich am Turm einige entsprechende Maßwerke, das Maßwerk der Chorfenster erscheint jedoch eher konventionell, ja gar altmodisch. Auch einige etwas derbe Details der Bauplastik lassen eine Beteiligung der Dombauhütten von Regensburg oder Wien denkbar werden. Das für die „Parlergotik“ typische „konvergieren“ der Strebebögen am Obergaden (zwei Bogen haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt) ist hier schon aus konstruktiven Gründen notwendig. Möglicherweise wurde der Chor wie sein Nürnberger Vorbild als Halle geplant und der Plan dann geändert.
Die Strebepfeiler sind nach Innen gezogen, wo sie flache Kapellenräume ausbilden. Der Obergaden wird durch flache Strebebögen gestützt, die auf das Vorbild der Lorenzkirche zu Nürnberg verweisen. Die Ostseite ist als eigentliche Schauseite gestaltet. Reiche Zierformen überziehen den unverputzten Sandstein. Die Lage am Kaulberg machte mächtige Substruktionen notwendig, wie sie in Deutschland nur noch vom Unterbau des Erfurter Domes übertroffen werden. Die Kirche ragt wie ein Schiff vor dem Betrachter auf. Besonders die Ansicht vom „Pfahlplätzchen“ ist berühmt. Auch von der „Oberen Brücke“ am Rathaus gesehen ragt die Kirche in städtebaulich hervorragender Position über das Häusermeer und bildet neben dem Dom (mit dem sie gelegentlich verwechselt wird) einen wesentlichen Teil der Stadtkrone des Weltkulturerbes „Altstadt Bamberg“.
Innenraum
Das Langhaus und der Hochchor wurden am Anfang des 18. Jahrhunderts barock überformt. Der Stukkator Johann Jakob Vogel führte hier ab 1711 das Bandelwerk in Franken ein, wofür ihm sicherlich Paul Deckers Stichfolge „Zweytes Werklein von Groteschgen“ (1710) als Anregung diente. Die Dekoration beschränkt sich im Wesentlichen auf die Mittelschiffe von Langhaus und Chor. Neben dem Bandelwerk verwendete der Meister auch Akanthusranken , Blüten, Engelsfiguren, Muschelwerk und anderes. In den Seitenschiffen finden sich nur schlichte Rahmenstuckdecken.
Die Gewölbefelder zeigen durchgehend Gemälde des 19. Jahrhunderts (1886/87, Adolf Riedhammer) . Man erkennt etwa die Verkündigung, die Heimsuchung Marias, die Anbetung der Hirten oder den zwölfjährigen Jesus im Tempel. 1934/35 wurden einige Bilder entfernt und teilweise von Hans Bayerlein neu gemalt.
Der gotische Chorumgang blieb von den Umgestaltungen nahezu völlig unberührt. Auch die Rippengewölbe des Hochchores liegen frei zwischen den Stukkaturen, wurden also nicht ausgeschlagen. Die figürlichen Schlusssteine sind ebenfalls erhalten. Hier zeigt sich eine, in der Barockzeit häufiger zu beobachtende bemerkenswerte Rücksichtnahme auf die mittelalterliche Substanz, deren Qualität und künstlerischen Wert man offensichtlich erkannte. Sogar das Fenstermaßwerk konnte in das Dekorationskonzept einbezogen werden.
Die Kreuzgewölbe des Chorumganges gehen ohne Kapitelle in die Dienste über. Das mittelalterliche Bild wird nur durch die barocken Altäre in den Kapellen beeinträchtigt. Die Schlusssteine zeigen Wappen, etwa das des Fürstbischofs Friedrich III. von Aufseß oder die Schilde von Domherren aus dem Adel der Umgebung (Fuchs von Rügheim, Lichtenstein, Müntzer von Babenberg, Loffelholz u.a). Im sechsten südlichen Umgangsjoch kniet ein Stifter vor den hll. Heinrich und Kunigunde. Die Kapellen werden gleichfalls von Kreuzgewölben mit Schlusssteinen überspannt (Christushaupt, Madonna, Antoniterwappen, u.a.)
An drei Wandpfeilern sind figürliche Konsolen ausgearbeitet. Am sechsten südlichen Pfeiler trägt ein Steinmetz die Konsole. Möglicherweise handeldt es sich hier um das Portrait des Werkmeisters des Bauabschnittes.
Ausstattung
Der mächtige Hochaltar im Chorhaupt wurde 1714 geweiht. Sechs Säulen aus marmoriertem Holz tragen den Aufbau dieser „stummen Predigt der Barockzeit“ (B. Pfändtner). Im Auszug (Oberteil) thront Gottvater, darüber erkennt man die Taube des Heiligen Geistes. Das Gnadenbild im Zentrum ist eine Kölner Arbeit vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Die Madonna war das Ziel einer bedeutenden Wallfahrt, die Kirche auch Marienwallfahrtskirche.
Der Altar ist eine Stiftung des damaligen Fürstbischofes Lothar Franz von Schönborn, die Ausführung übernahm der damalige Hofschreiner Andreas Bauer. An der künstlerischen Ausgestaltung beteiligte sich u.a. Sebastian Degler.
Die Seitenaltäre an den Chorbogenpfeilern schuf Johann Jakob Bader von 1711 bis 1713. Im Norden steht der Apostelaltar, im Süden der Mariae-Himmelfahrts-Altar. Jeweils zwei Säulenpaare flankieren die gemalten Altarblätter.
Die Altäre in den Chorkapellen entstanden in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Die Nebenaltäre im Langhaus stammen aus dem späten 17. und 18. Jahrhundert.
Die erste nördliche Chorkapelle wird vom wandfüllenden Aufbau des Sakramentshauses beherrscht. Die auf „1392“ datierte Bauinschrift über der Sakramentsnische dürfte sich auf die Grundsteinlegung des Chores beziehen. In der Sockelzone ist die Grablegung Christi vollplastisch ausgearbeitet. Links und rechts flankieren drei Geschosse mit je drei Figurennischen den Mittelteil, den Abschluss bildet die vielfigurige Szenerie des „Jüngsten Gerichtes“ mit dem thronenden Christus in der Mitte. Die Aufstellung der Figuren der Apostel und Propheten in den Nischen wurde mehrmals verändert, die Bildwerke zeigen noch umfangreiche Reste der einstigen Fassung (Bemalung).
Der Orgelprospekt auf der Westempore stammt aus dem Rokoko (Johann Michael Schott), die Kanzel wohl aus dem frühen 17. Jahrhundert. Auf dem Schalldeckel steht die Muttergottes im Strahlenkranz.
Das Taufbecken mit den Reliefs der Taufe Christi und der sieben Sakramente entstand um 1520.
Das südliche Seitenschiff birgt zwei bemerkenswerte Darstellungen der „Himmelfahrt Maria“. Beide Werke liegen zeitlich nur etwa 50 Jahre auseinander. Während der (Hans Nußbaum zugeschriebene) Rest eines Altares (um 1505) noch ganz in spätgotischer Tradition steht, verweist Jacobo Tintorettos Version bereits weit in die Neuzeit. Das große ehemalige Altarblatt ist erstmals 1638 im Dom nachgewiesen. 1937 kam es auf dem Tauschweg in die Obere Pfarre, der dafür abgegebene Altar von Veit Stoß steht heute im südlichen Querschiff der Bischofskirche.
[Bearbeiten] Würdigung
In seinem Reiseführer über Bamberg und Umgebung aus dem frühen 20. Jahrhundert schreibt der Verfasser Dietrich Amende:
- “Das schönste Werk des alten Bamberger Bürgertums ist die Obere Pfarre zu Unserer Lieben Frau. Schlicht und ernst erhebt sie sich in den edlen Formen der Hochgotik. Die strenge und doch schwungvolle Gliederung des Chores, der markige Aufbau des Turmes drücken den monumentalen Sinn der Alten, die zierliche Brauttür mit den klugen und törichten Jungfrauen ihr inniges Empfinden, der trauliche Treppenaufstieg auf der Südseite des Chores mit dem „Trinkermännchens“ ihren sonnigen Humor aus..“
zitiert aus Dr. Dietrich Amende: Bamberg und das Frankenland. Bamberg, o. J. (um 1912)
[Bearbeiten] Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Bayern I: Franken. München, Berlin, 2. Aufl. 1999. ISBN 3-422-03051-4
- Heinrich Mayer: Die obere Pfarrkirche zu Bamberg (Bamberger Hefte für Kunst und Geschichte, 10/11). Bamberg, 1929
- Michael Petzet, Tilman Breuer (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler von Oberfranken, 6. Stadt Bamberg, 4. Bürgerliche Bergstadt, Halbband 1. (Die Kunstdenkmäler von Bayern). Bamberg, 1997. ISBN 3-87052-562-2
- Anna E Stein: Die Obere Pfarre zu Bamberg. 1995. ISBN 387052281X
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Obere Pfarre – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Koordinaten: 49° 53' 22" N 10° 53' 04" O