Pfaffenspiegel
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„Der Pfaffenspiegel - Historische Denkmale des christlichen Fanatismus“ (1845) ist ein religionskritisches Buch des ostpreußischen Autors Otto v. Corvin.
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[Bearbeiten] Entstehung
Das Werk erschien erstmals 1845 bei der Gebauer’schen Buchhandlung zu Leipzig, und ist seit 1868 unter dem Namen „Pfaffenspiegel“ bekannt. Es versteht sich als Abrechnung mit dem Kirchenstaate bzw. der geistigen Obrigkeit, es stellt laut Autorenintention ein „kulturgeschichtliches Werk“, vielmehr einen Bericht über die Zustände und historische Entwicklung der „göttlichen Perversion“ dar.
- 1. Auflage 1845
- 2. Auflage 1868
- 3. Auflage 1869
- 4. Auflage 1870
[Bearbeiten] Wirkung
Die unverblümt dargestellte Kritik stieß neben heftiger Anfeindung aus Kirchenkreisen auf bedeutendes Interesse. So konnte bereits 1860 eine Gesamtauflage von 1,6 Millionen Exemplaren verzeichnet werden. Einige Textstellen mussten gemäß eines Urteils vom 28. März 1927 aufgrund eines Verstoßes gegen §166 StGB - "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen" gestrichen werden. Trotz dieser Zensur war Corvins Werk nur schwer angreifbar, da er sich auf belegbare Fakten und Daten, größtenteils aus kircheneigenen Quellen stützte. Das Thema Inquisition wird allerdings im Pfaffenspiegel komplett ausgeblendet.
Otto von Corvin wurde 1848 für sein Buch und seine offene Sympathie für die Paulskirchenversammlung in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
Andererseits kann das Werk aufgrund seines gehässigen Grundtenors den Anspruch eines historiographischen Werks nicht in Anspruch nehmen. Das von Clemens August von Galen stammende Werk "Der zerbrochene Pfaffenspiegel" (1937) ist in erster Linie eine Reaktion auf die Verbreitung des "Pfaffenspiegels" durch die Nationalsozialisten, denen der Pfaffenspiegel aufgrund seines antikatholischen Affekts gut ins Konzept passte.
[Bearbeiten] Gliederung & Inhalt
[Bearbeiten] Wie die Pfaffen entstanden sind
Historischer Abriss der Entwicklung des Christentums und deren religiöser Führer von den Zeiten der Verfolgung im Römischen Reich bis in die Hochzeit der christlichen Macht, wobei der Kontext auf den zunehmendem Werteverfall und einer "kuriosen" Logik der kirchlichen Vertreter in Bezug auf die Legitimation ihrer Machtverhältnisse gelegt wird. Laut Corvin dekliniere sich die Würde der Oberen im gleichen Verhältnis wie die Zeit der Machtausübung. Als äußerst provokant und unpassend wurde vom Kirchenapparat Corvins Polemik verurteilt, Jesus wäre „Revolutionär, der auch in unserer Zeit, wenn nicht gekreuzigt, doch standrechtlich erschossen oder ins Zuchthaus gesperrt werden würde“.
[Bearbeiten] Die lieben guten Heiligen
Das Thema des vorigen Kapitels wird hier wieder aufgegriffen, der Blickpunkt liegt aber mehr auf dem christlichen Fanatismus, der von Selbstkasteiung bis hin zu ethnischer Verfolgung und Folter reichte. Oftmals (und nicht ohne Ironie erwähnt) wurden die schlimmsten Barbaren von den Gläubigen als „Heilige“ verehrt. Getragen wird dieses Kapitel durch die Beschreibung von christlichen Fanatismus im vorderasiatischen Raum, der größtenteils gegen den eigenen Körper gerichtet ist, und bis hin zur völligen Zersetzung getrieben wird. Die Ausführungen dieser Schizophrenie ziehen sich durch mehrere Jahrhunderte, und finden Ausübung in allen sozialen Ständen
[Bearbeiten] Die heilige Trödelbude
ist eine kritische Betrachtung der kirchlichen Vertreter und deren Methoden. Die Sentenz dieses Kapitels zeigt, dass vor allem die Leichtgläubigkeit der Kirchgänger ausgenutzt wurde, „denn es ist keiner arm genug, um nicht der Kirche auch noch seine Tränen zu spenden“. Corvin stellt die immer straffere Organisation der Kontrollmechanismen und Intrigen-Apparate, welche bei genauerer Analyse eher finanziellen Zwecken, denn humanitären und religiösen dienten. Im Brennpunkt der Erläuterung steht vor allem der Ablasshandel, durch welchen sich Gläubige durch Geldzahlungen von jeglichen Sünden, auch von noch zu begehenden, befreien konnten.
[Bearbeiten] Die Statthalterei Gottes zu Rom
Die hier aufgeführten Entgleisungen der Kirchenoberhäupter reichen von Zuhälterei, Pädophilie bis hin zu Sodomie. Corvin stellt ausführlich dar, wie das Papsttum historisch gewachsen einen höheren Stand als die weltlichen Herrscher erreichte, so dass z. B. „Heinrich der IV. im Schlosshof von Canossa in Eiseskälte vor seinen Papst zu Kreuze kriechen musste“.
[Bearbeiten] Soddom und Gomorrha
Anhand der eigens propagandierten und durchgeführten Ächtung sämtlicher Perversionen seitens der christlichen Kirche klärt der Autor über die eigentlichen moralischen Zustände und Begebenheiten innerhalb der Diözesen auf, und verweist mehrfach auf die kapitalistische Kreativität der Gottesdiener (siehe Zölibat, Ablass).
Aus hoelzernen Kirchengefaessen wurden goldene, aus goldenen Bischoefen wurden hoelzerne. Otto v. Corvin
Auch vom Kirchendiener bis zum Papst ist Mensch zu sein: "Ohne goettliche Verblendung auch immer Mensch zu bleiben". Bruno Mayer 06
[Bearbeiten] Die Möncherei
Dieser Teil befasst sich eingehend mit den Zuständen in Klöstern und Abteien. Zwischenmenschliche Beziehungen und Lehrmethoden gegenüber Schutzbefohlenen Kindern, welche die Klöster als Bildungsanstalt besuchten, werden ebenso beleuchtet, wie die eigentliche Einhaltung der angewiesenen Ordnung.
[Bearbeiten] Der Beichtstuhl
(fehlt z.B. in Stephenson-Ausgabe v. 1979)
Als Abschluss wählte Corvin eine Erläuterung der Ohrenbeichte und deren interpretatorischen Spielraum sowie Ausführungen über Selbstgeißelung als Bestrafung.