Pflichtmitgliedschaft
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Eine Pflichtmitgliedschaft ist die gesetzliche Verpflichtung für eine (natürliche oder juristische) Person, Mitglied einer Organisation zu werden. Die Pflichtmitgliedschaft stellt einen Eingriff in die Vertragsfreiheit (im Fall der Closed Shop-Regelung der Koalitionsfreiheit) dar und ist daher nur in begründeten Fällen zulässig. In vielen Fällen wird die Pflichtmitgliedschaft (als Zwangsmitgliedschaft) von Teilen der Betroffenen abgelehnt.
Pflichtmitgliedschaften können auch vertraglich vereinbart werden. So bestehen bei Einkaufszentren oft Werbegemeinschaften, denen alle Geschäfte des Zentrums beitreten müssen[1].
In einigen Fällen besteht die Möglichkeit, sich von der Pflichtmitgliedschaft freistellen zu lassen. Dies gilt z.B. für die VG Wort oder die GEMA.
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[Bearbeiten] Begründung der Pflichtmitgliedschaften
Die Verpflichtung zur Mitgliedschaft ist ein staatliches Instrument, um den Bestand von Institutionen zu sichern, denen staatliche Aufgaben zugewiesen wurden.
Die Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften (z.B. IHK oder verfasster Studentschaft) ist ein Eingriff in das Grundrecht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz GG. Gerechtfertigt ist sie nur wenn der Verband legtitime öffentliche Aufgaben erfüllt und dies zur Erreichung erforderlich und angemessen ist[2].
Entsprechend dieser Beschränkung auf das Erforderliche, hat das einzelne Mitglied einen Anspruch darauf, dass sich die Organe im Rahmen des für ihren Auftrag Erforderlichen halten und sich nicht darüber hinaus betätigen. So haben z.B. die Studentenschaften kein allgemeinpolitisches Mandat, sondern sind in ihrer Arbeit auf die Wahrnehmung studentischer Interessen beschränkt.
[Bearbeiten] Beispiele für Pflichtmitgliedschaften
Pflichtmitgliedschaften existieren in Deutschland und Österreich unter anderem in folgenden Bereichen:
- berufsrechtliche Kontrolle
- Gewerbetreibende (Industrie- und Handelskammer), in Österreich Wirtschaftskammer
- Handwerksbetriebe sind gemäß § 90 Abs. 2 Handwerksordnung (HandwO) Mitglied der (Handwerkskammer)
- freie Berufe (Apothekerkammer, Architektenkammer, Ärztekammer, Notarkammer, Rechtsanwaltskammer, Steuerberaterkammer, Landwirtschaftskammer u.ä.)
- Arbeitnehmerkammern in Bremen und im Saarland
- Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft
- Versorgungskassen der Künstler, Ärzte, Apotheker, Anwälte usw.
- verfasste Studentenschaften (in Österreich: Hochschülerschaft)
- Ein Eigentümer von Feldern und Wäldern, die zusammen weniger als 75 ha ausmachen, ist kraft Gesetzes Mitglied einer Jagdgenossenschaft (§§ 7, 8, 9 BJagdG).
- Einlagensicherung
- Voraussetzung für das Betreiben des Bankgeschäftes ist die Pflichtmitgliedschaft der Bank in einer Einrichtung der Einlagensicherung
- Für Versicherungsunternehmen (Lebensversicherung, Krankenversicherung) ist gemäß § 124 VAG die Mitgliedschaft in einer Sicherungseinrichtung Pflicht
[Bearbeiten] Unzulässige Pflichtmitgliedschaften
Eine Verpflichtung der Arbeitnehmer eines Betriebes einer Gewerkschaft beizutreten (Closed Shop) ist nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit unzulässig [3].
Ebenfalls unzulässig ist nach Meinung des gleichen Gerichts, die in Frankreich bestehende Pflicht für Jäger, Jagdgenossenschaften beizutreten [4]. Dengegenüber sieht das Bundesverwaltungsgericht die Pflicht deutscher Jäger zur Mitgliedschaft in Jagdgenossenschaften als zulässig an [5].
[Bearbeiten] Kritik
Einige Pflichtmitglieder empfinden die Pflichtmitgliedschaft als ungerechtfertigte Zwangsmaßnahme, da sie der Ansicht sind, für die nicht unerheblichen Beiträge keinen direkten Nutzen daraus ziehen zu können.
In Österreich wurden daher 1995 Abstimmungen über die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft bei verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer usw.) durchgeführt. Dabei wurden die Pflichtmitgliedschaft von den jeweiligen Mitgliedern mit (teils überwältigender) Mehrheit bestätigt.
[Bearbeiten] Diskussion über die IHK-Pflichtmitgliedschaft
Eine heftige Diskussion wird über die IHK-Pflichtmitgliedschaft geführt. Eine Vielzahl von Organisationen und Initiativen engagieren sich gegen die Zwangsmitgliedschaft [6]. Ihre Argumente:
- Die hohen Mitgliedsbeiträge stehen im Missverhältnis zu den - nicht erbrachten - Leistungen der Kammer[7]
- Die Fiktion eines Gesamtinteresses der Wirtschaft ist eine leere Illusion [8]
- Nicht die Arbeit oder gar Existenzberechtigung der IHK stehe zur Disposition, sondern lediglich die Zwangsmitgliedschaft[9]
Die Kammern selbst argumentieren:
- Das Angebot an öffentlichen Gütern durch die IHKs kommt allen zugute
- Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft führt zu mehr Bürokratie
- Ehrenamtliches Engagement der Unternehmen senkt Kosten, auch für die Wirtschaft
- IHKs stärken den Standort und seine Unternehmen
- IHKs sind die Plattform für Kommunikation und gemeinschaftliches Handeln
- IHKs beraten jedes Jahr fast 350.000 Existenzgründer [10]
In seiner Entschließung vom 1. April 1998 hält der Deutsche Bundestag Kammern in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft für weiterhin erforderlich und sachgerecht.
Das Bundesverfassungsgericht hat seine Zustimmung zur Pflichtmitgliedschaft mit Urteil vom 7. Dezember 2001 erneut bekräftigt[11].
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ zu den Grenzen siehe auch:OLG Hamburg, Urteil vom 21. Januar 2004, Aktenzeichen 4 U 100/03
- ↑ BVerfGE 38, 281, 302
- ↑ Az.: 52562/99 und 52620/99 "Sorensen und Rasmussen gegen Dänemark"
- ↑ Urteil vom 29. April 1999, NJW 1999, 3695
- ↑ BVerwG, Urt. vom 14. April 2005 – 3 C 31.04, NVwZ 2005
- ↑ z.B. IHK Verweigerer
- ↑ Dr. Dirk Bisping, Vorstandsmitglied des Berufsverband der Selbstständigen in der Informatik (BVSI e.V.), zitiert nach "Die Welt" vom 28. Mai 2003 Online Version
- ↑ Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker Online Version
- ↑ FDP Bremen Online Version
- ↑ IHK Rhein-Neckar
- ↑ Beschluss vom 7. Dezember 2001 - Az. 1 BvR 1806/98 Online Version
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