Politische Parteien in den Niederlanden
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die niederländische Verfassung beinhaltet seit ihrer Reform von 1917 ein allgemeines und gleiches Wahlrecht. Das Wahlsystem ist eine reine Verhältniswahl, es gibt keine Direktkandidaten und keine Sperrklausel (zum Beispiel eine 5-Prozent-Hürde); daher genügen bei den gegenwärtig 150 Sitzen des niederländischen Parlamentes bereits 0,67 Prozent der Stimmen, um einen Sitz zu bekommen. Dementsprechend ist in der Tweede Kamer eine verhältnismäßig große Zahl von Parteien vertreten, wodurch sich die Bildung von Regierungskoalitionen mitunter schwierig gestaltet.
Die Wahlberechtigten (aktives und passives Wahlalter ab 18 Jahren) entscheiden in der Regel alle vier Jahre über die Zusammensetzung des Parlamentes. Das Verfahren ist eine Listenwahl mit Elementen der Persönlichkeitswahl. Die Parteien stellen im Vorfeld der Wahl Kandidatenlisten auf. Die Wähler geben ihre Stimme einem Kandidaten oder einer Kandidatin und stimmen damit für die jeweilige Partei bzw. Liste. Im Standardfall vereint der Spitzenkandidat die meisten Stimmen, die für seine Partei abgegeben werden, auf sich und die weiteren Mandate werden in der Reihenfolge der Listenplätze vergeben. Es besteht jedoch die Möglichkeit, auch von einem unteren Listenplatz ins Parlament zu kommen, sofern man genügend persönliche Vorzugsstimmen erhält. Das Quorum für die sog. Voorkeurstem ist jedoch relativ hoch, so dass bisher nur wenige Bewerber/innen auf diese Weise zu einem Sitz gekommen sind. Die Parteien setzen auf die aussichtslosen hinteren Plätze aber auch gern bekannte Persönlichkeiten, die zwar kein politisches Amt anstreben, aber durch ihre Popularität die Gruppe als sog. Lijstduwer unterstützen wollen.
Die Organisation der niederländischen Parteien mit Gliederungen und Gremien entspricht weitgehend den deutschen Gegebenheiten; eine geringe Differenz gibt es jedoch beim Begriff des Parteiführers (Politiek leider). Die Verantwortlichkeit für die inhaltliche Ausrichtung einer Partei liegt in den Niederlanden faktisch nie beim Parteivorsitzenden, der eher administrative Funktionen hat, sondern wird in der Regel vom Fraktionsvorsitzenden im Parlament ausgeübt, eventuell aber auch von einem Regierungsmitglied, das der Partei angehört. In Zeiten des Wahlkampfes obliegt diese Aufgabe dagegen dem Lijsttrekker (Spitzenkandidat/in).
Die Struktur der niederländischen Parteienlandschaft bildete lange Zeit die drei wesentlichen Segmente der Gesellschaft des Landes ab: die sozialdemokratisch bzw. sozialistisch orientierten Arbeitnehmer, das freisinnig-liberale Bürgertum und schichtenübergreifend die vorwiegend christlich-religiös geprägte Bevölkerungsgruppe. Diesen drei so genannten Säulen entsprechen auch heute noch die drei größten niederländischen Parteien PvdA, VVD und CDA. Im Zuge der Erosion der früher fest gefügten sozialen und weltanschaulichen Milieus kam es während der letzten Jahrzehnte jedoch zur Gründung zahlreicher neuer Parteien, darunter auch "Single-issue-Parteien", Regionalparteien und populistische Bewegungen. Die bisher erfolgreichsten neuen Gruppierungen waren die linksliberalen D66, die rechtspopulistische LPF und in jüngster Zeit die sozialistische SP. Da gesellschaftliche Traditionen und Bindungen weiterhin an Kraft verlieren, kommt es zu einer signifikant steigenden Zahl von Wechselwählern, die kaum verlässliche Aussagen über den Ausgang anstehender Wahlen und das weitere Schicksal von Parteien in den Niederlanden ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis[Verbergen] |
[Bearbeiten] Im niederländischen Parlament vertretene Parteien
- Christen Democratisch Appèl (CDA)
Christlich Demokratischer Appell, christdemokratisch
- Partij van de Arbeid (PvdA)
Partei der Arbeit, sozialdemokratisch
- Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD)
Volkspartei für Freiheit und Demokratie, liberal
- Socialistische Partij (SP)
Sozialistische Partei, sozialistisch
- Partij voor de Vrijheid (PVV)
Partei für die Freiheit, rechtspopulistisch bzw. nationalliberal
- GroenLinks (GL)
GrünLinks, grün
- ChristenUnie (CU)
Christen Union, evangelisch-fundamentalistisch
- Democraten 66 (D66)
Demokraten 66, linksliberal
- Partij voor de Dieren
Partei für die Tiere, vergleichbar mit der Tierschutzpartei
- Staatkundig Gereformeerde Partij (SGP)
Politische Reformierte Partei, evangelisch-fundamentalistisch
[Bearbeiten] Nicht im niederländischen Parlament vertretene Parteien
- Lijst Pim Fortuyn (LPF)
Liste Pim Fortuyn, nationalistisch (vgl. dazu Pim Fortuyn) - De Groenen
Die Grünen, grün - Europa Transparant (im Europaparlament vertreten)
- Leefbaar Nederland (LN)
Lebenswerte Niederlande, nationalistisch - Partij van de Toekomst
Partei der Zukunft, - Duurzam Nederland
Nachhaltige Niederlande, gemäßigte Umweltpartei, 2002 von LN abgespalten - Fryske Nasjonale Partij (FNP)
Friesische Nationale Partei, Partei der friesischen Minderheit, nur im Provinzialparlament und in Gemeinderäten vertreten - Partij voor het Noorden (PvhN)
Partei für den Norden, Regionalpartei für Friesland, Groningen und Drenthe
[Bearbeiten] Historische Parteien
- Anti-Revolutionaire Partij (ARP)
- Democratisch Socialisten '70 (DS 70)
- Evangelische Volkspartij (EVP)
- Katholieke Volkspartij (KVP)
- Politieke Partij Radicalen (PPR)
- Pacifistisch Socialistische Partij (PSP)
- Vrijzinnig Democratische Bond (VDB)
[Bearbeiten] Literatur
- Paul Lucardie: Das Parteiensystem der Niederlande. In: Oskar Niedermayer u.a. (Hrsg.): Die Parteiensysteme Westeuropas. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, S. 331 - 350. ISBN 3-531-14111-2
[Bearbeiten] Weblinks
- Documentatiecentrum Nederlandse Politieke Partijen bei der Universität Groningen (niederländisch und englisch)
- Kiesraad - Niederländische Wahlkommission (niederländisch und englisch)
- Parlement & politiek (niederländisch)