Privates Beteiligungskapital
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Privates Beteiligungskapital (englisch private equity) ist der allgemeine Begriff für das von privaten und institutionellen Anlegern beschaffte Beteiligungskapital an in der Regel nicht börslich (öffentlich) gehandelten Unternehmen. Neben der Einzahlung des Stamm- oder Grundkapitals durch die Firmengründer existieren vielfältige Finanzierungsformen und -gründe. Als Gegenstück zum Private Equity, bei dem eine Eigenkapital- oder eigenkapitalähnliche außerbörsliche Finanzierung verwendet wird, stehen die Fremdkapitalfinanzierung und die Beschaffung von Eigenkapital mittels Public Equity, das heißt börsengehandelte Aktien.
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[Bearbeiten] Formen von Private Equity und Gründe für den Einsatz
Privates Beteiligungskapital kann grob in die Bereiche Risikokapital (häufig auch Wagniskapital oder englisch Venture Capital), mezzanine Finanzierungen und Buy-out unterteilt werden.
[Bearbeiten] Venture Capital
In der Gründungsphase können die zur Finanzierung nötigen Mittel häufig nicht durch das private Vermögen der Gründer aufgebracht werden. Kreditinstitute vergeben an junge Unternehmen wegen fehlender Sicherheitenstellung in der Regel keine Darlehen. Sogenannte Business Angels (meist vermögende Privatpersonen) sind häufig in der Lage, neben dem benötigten Eigenkapital auch spezielles Branchen- oder Führungswissen sowie ihr Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Risikokapitalfirmen stellen eine Alternative dar, wenn es um größere Investitionen, insbesondere zur Forschung und Entwicklung, der kostenintensiven Markteinführung oder dem Aufbau von Produktionskapazitäten geht. Darüberhinaus bieten diverse Industrieunternehmen Venture-Capital-Finanzierungen (Corporate Venture Capital) an. Außerdem bieten Venture-Capital-Fonds dem Gründer den Vorteil, dass dieser mit Knowhow, Kontakten und Erfahrung aufwarten kann, woran häufig Gründerunternehmen scheitern.
Man kann nach dem Zeitpunkt der Investition im Lebenszyklus eines Unternehmens zwischen seed finance (englisch seed: Saat), early stage finance (englisch: early stage: Frühphase) und growth finance (englisch growth: Wachstum) unterscheiden.
[Bearbeiten] Seed Finance
In dieser frühen Phase werden die finanziellen Mittel in der Regel für Forschung und Entwicklung benötigt, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Marktreife zu führen. Diese Phase ist in der Regel durch ein sehr hohes Risiko gekennzeichnet, da kein fertiges Produkt vorliegt und der mögliche kommerzielle Erfolg in diesem Stadium nur sehr schwer schätzbar ist. Der Kapitalgeber wird dementsprechend eine, im Vergleich zu den späteren Phasen, höhere Beteiligungsquote beanspruchen, d.h. der Einkauf in das Unternehmen erfolgt zu einem niedrigen Preis bei hohem Risiko.
[Bearbeiten] Early Stage Finance
In dieser Phase des Unternehmens ist die Produktentwicklung weitgehend abgeschlossen und es wird Kapital für Tests (z.B. klinischen Studien in der Pharma- oder Biotechnologiebranche), Marketingaktivitäten sowie den Aufbau von Produktionskapazitäten benötigt, um die erfolgreiche Markteinführung zu gewährleisten. Das Risiko für den Kapitalgeber ist hier schon niedriger als beim seed finance, da die Funktionalität schon demonstrierbar ist. Der kommerzielle Erfolg ist jedoch auch in dieser Phase schwer schätzbar.
[Bearbeiten] Growth Finance
Das junge Unternehmen ist mit dem entwickelten Produkt marktreif und erzielt Umsätze aus dem Verkauf von Produkten. Der kommerzielle Erfolg ist sichtbar und es wird weiteres Kapital für den Ausbau der Produktions- und Vertriebskapazitäten benötigt. Das Risiko für den Kapitalgeber ist in dieser Phase weitaus geringer als bei den vorhergehenden Phasen, so dass er sich relativ teuer einkauft.
[Bearbeiten] Mezzanine-Kapital
Daneben existieren vielfältige mezzanine Finanzierungen (z. B. mittels Genussrechten und stillen Beteiligungen), die eine Sonderstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen.
[Bearbeiten] Buy-outs
Große Bekanntheit haben in den 1980er Jahren sowie in jüngerer Zeit die Finanzierung von Unternehmensübernahmen durch Leveraged Buy-outs (LBOs) und Management-Buy-outs (MBOs) erlangt. Hier werden etablierte Unternehmen oder Teile von ihnen durch Private-Equity-Unternehmen (LBO) oder das existierende Management (MBO) übernommen. Der Kauf wird in der Regel zu einem großen Teil durch Fremdkapital finanziert, das durch das Vermögen der übernommenen Gesellschaft besichert wird. Geschieht dies mit einer börsennotierten Firma, spricht man auch von going private. Begründet werden diese Transaktionen auf Käuferseite mit dem ineffizienten Einsatz des Kapitals, also einer relativ geringen Eigenkapitalrendite. Durch die Substitution von Eigenkapital mit Fremdkapital wird das Management der Gesellschaft unter Druck gesetzt, einen höheren Netto-Cash-Flow zu erwirtschaften, mit dem die gestiegenen Zins- und Tilgungslasten bedient werden können. Die Gründe für den Verkauf von Firmenanteilen im Zuge eines LBO oder MBO liegen a) in der Ausgliederung von Firmenteilen mit dem Ziel der Konzentration auf die Kernkompetenz (z. B. Abspaltung von Teilen der Siemens AG in die Wincor Nixdorf Holding AG und Verkauf an Kohlberg Kravis Roberts & Co.), b) in der Lösung von Nachfolgeregelungen bei mittelständischen Unternehmen oder c) in den erschwerten Bedingungen bei der Aufnahme von Fremdkapital (Stichwort Basel II). Daneben gibt es noch den Management-Buy-in, das heißt ein Unternehmen wird durch ein externes Management übernommen.
Das ideale Zielunternehmen (Target) einer Buy-out-Transaktion weist hohe, stabile Cash-Flows auf, hat einen etablierten Markennamen, hohe Markteintrittsbarrieren und benötigt wenig Kapital für Neuinvestitionen bzw. Forschung und Entwicklung.
Während im Mittelstand privates Beteiligungskapital zumeist für den langfristigen Vermögensaufbau verwendet wird, werden im Zuge von LBOs übernommene Unternehmen nach weitgehender Entschuldung häufig komplett oder in Teilen über einen Börsengang oder an ein anderes, häufig in der gleichen Branche tätiges, Unternehmen (trade sale) veräußert.
[Bearbeiten] Private-Equity-Gesellschaften
Die im Bereich privates Beteiligungskapital tätigen Firmen werden im englischen Sprachraum häufig unter dem Begriff Alternative Investments (alternative Investitionen) zusammengefasst (Alternative zu herkömmlichen Investitionen in öffentlich gehandelte Wertpapiere wie Aktien und Schuldverschreibungen). Hierunter fallen neben den Private-Equity-Gesellschaften auch die Hedge-Fonds.
Während Private-Equity-Firmen sich im angloamerikanischen Wirtschaftsraum bereits seit mehr als 20 Jahren betätigen, sind diese Finanzinvestoren in den letzten Jahren auch stark zunehmend in Europa tätig.[1]
Das in Deutschland investierte Private-Equity-Kapital betrug 2002 noch 6,9 Milliarden Euro. 2004 waren es bereits 22,5 Milliarden Euro. Der Anstieg ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der Verkauf von Beteiligungen an Unternehmen seit kurzem gesetzlich steuerfrei ist.
Der weltweite Anteil von Private-Equity-Gesellschaften an Unternehmenskäufen lag im Jahr 2000 noch bei 3 Prozent. 2004 war er auf 14 Prozent angewachsen und hatte ein Volumen von 294 Milliarden Dollar erreicht. Um Käufe von sehr großen Konzernen vornehmen zu können, bilden die Private Equity Gesellschaften zunehmend Bietergemeinschaften. Eine wichtige Rolle im Geschäft dieser Firmen spielen die Banken, da bei kreditfinanzierten Unternehmensübernahmen bis zu zwei Drittel des Kaufpreises mit Fremdkapital finanziert werden. Angesichts fehlender Alternativen im Bereich der hochrentablen Geldanlagen und der Möglichkeit, das Kreditrisiko durch die Weitergabe an andere Banken (die sogenannte Syndizierung) zu streuen, wird in Zukunft damit gerechnet, dass die Zahl der zu großem Anteil von Banken finanzierten Übernahmen durch Private-Equity-Konsortien noch steigen wird.
Beispiele für Private-Equity-Gesellschaften sind Advent, APAX Partners, Belfort Holding Group, BC Partners, Blackstone, Carlyle Group, CVC, Doughty Hanson & Co, Fortress Investment Group, Kingsbridge Capital (Hardt Group, at), Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR), Permira, Saban Capital Group sowie Investmentbanken wie Goldman Sachs. Auch Industrieunternehmen und Versicherungsgesellschaften werden zunehmend auf diesem Gebiet tätig wie etwa die Allianz Capital Partners (ACP), eine Tochter des Allianz-Konzerns. Da die vorgenannten Gesellschaften nur institutionellen Investoren oder sehr vermögenden Privatpersonen offenstehen, bildet sich seit einigen Jahren auch ein Fondsegment für Kleinanleger heraus. Die meisten dieser sogenannten Retailfonds investieren im Rahmen eines Dachfondskonzepts wieder in große Private Equity Fonds, was jedoch zu einer doppelten Kostenstruktur führt.
Es wird erwartet, dass die Bedeutung der Finanzierung durch privates Beteiligungskapital in Deutschland in den nächsten Jahren stark zunehmen wird, da - insbesondere im Hinblick auf Basel II - ein erschwerter Zugang zu Bankkrediten für kleine und mittlere Unternehmen zu befürchten ist (siehe Ausführungen des Sachverständigenrates). Insbesondere bei LBOs durch Private-Equity-Gesellschaften wird dies von der Bevölkerung jedoch auch sehr kritisch beobachtet.
[Bearbeiten] Kontroverse
Private-Equity-Gesellschaften wird oft vorgeworfen, als einzige Zielsetzung die Gewinnoptimierung zu haben. Moralische Beweggründe (wie z. B. die Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen) träten zugunsten der möglichst hohen Renditen in den Hintergrund. In dieser Kritik wird generell übersehen, dass jedes privatwirtschaftliche Unternehmen die Gewinnmaximierung zur Priorität hat, weil nur durch sie eine stabile Position am Markt dauerhaft gehalten werden kann.
In Deutschland ist Private Equity als Form der Fremdinvestition besonders im Frühjahr 2005 in den Fokus der öffentlichen Kritik geraten. Angestoßen wurde diese Diskussion durch Franz Müntefering in Form der Heuschreckendebatte.
Dieser Kritik wird entgegenhalten, dass sie sich in erster Linie nur gegen die radikalen Leveraged Buy-outs und die schwarzen Schafe der Branche wandte. Bei diesen ist teilweise die kurzfristige Gewinnmaximierung der Investments vordringliches Ziel. Oftmals sind Private-Equity-Gesellschaften aber die einzigen verfügbaren Kapitalgeber, insbesondere bei Venture Capital. Wirtschaftswissenschaftler sehen zudem bei vielen Leveraged Buy-outs den positiven Aspekt, dass ein Unternehmen in kurzer Zeit umgebaut und für den Wettbewerb fit gemacht werden kann, dies insbesondere dann, wenn das Unternehmen seinen Umbau aus eigener Kraft nicht über die Börse finanzieren kann und die Banken die dafür notwendigen Kredite verweigert haben. Einige Fachleute behaupten sogar, dass sich in der Vergangenheit in Deutschland gezeigt habe, dass Private-Equity-Gesellschaften nicht nur den Erfolg und den Wert ihrer Portfoliounternehmen steigern würden, sondern in der Regel auch langfristig gesehen Arbeitsplätze sichern würden.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Busack, Michael und Kaiser, Dieter G.: Handbuch Alternative Investments Band 1, Gabler, Wiesbaden 2006. ISBN: 3834901512
- Busack, Michael und Kaiser, Dieter G.: Handbuch Alternative Investments Band 2, Gabler, Wiesbaden 2006. ISBN: 3834902985
- Richard A. Brealey, Stewart C. Myers: Principles of Corporate Finance. McGraw-Hill, London 2003. ISBN 0-071-15145-1
- Silke Lüpken: Alternative Finanzierungsinstrumente für mittelständische Unternehmen. Vor dem Hintergrund von Basel II. Wolfdr.-Verl., Bremen 2003, 2004. ISBN 3-925-24508-1
- Stefan Jugel: Private Equity Investments. Praxis des Beteiligungsmanagements. Gabler, Wiesbaden 2003. ISBN 3-409-12296-6
- E. Philip Davis, Benn Steil: Institutional Investors. MIT Press, Cambridge 2001. ISBN 0262041928
- Daniel Schäfer: Die Wahrheit über die Heuschrecken. Wie Finanzinvestoren die Deutschland AG umbauen Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a. Main 2006. ISBN 3-89981-119-4
- Eckstaller, Claudia und Huber-Jahn, Ingrid: Private Equity und Venture Capital. Begriff-Grundlagen-Perspektiven. Verlag Wissenschaft & Praxis, Sternenfels 2006. ISBN 3-89673-283-8
[Bearbeiten] Artikel
- Private Equity in der Praxis am Beispiel Blackstone/Celanese. in: manager magazin. Hamburg 26. August 2005. ISSN 0047-5726
- Private Equity - Die Firmenjäger. in: Die Zeit. Hamburg 2005,20 (11. Mai). ISSN 0044-2070
- Jörn Sucher, Kai Lange: Private Equity. Das Who is Who der Firmenjäger. in: manager magazin. Hamburg 19. August 2004. ISSN 0047-5726
- Jörn Sucher, Kai Lange: Private Equity. Jagdrevier Deutschland. in: manager magazin. Hamburg 18. August 2004.
[Bearbeiten] Quelle
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Private Equity – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
[Bearbeiten] Allgemeine Informationen
- Sachverständigengutachten 2005/2006 Siebtes Kapitel: Kapitalmarkt und Finanzintermediäre: Unternehmensfinanzierung im Wandel (PDF)
- Studie: Private Equity in Europa: Buy-outs stützen Wachstum, Gründungsfinanzierung abgestürzt (PDF)
- Börsen-Zeitung – Claus Döring: „Wenn Private Equity sich selbst aushebelt“
[Bearbeiten] Verbände
- Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften Deutschland (führt u.a. eine Link- und Adressliste zu anderen nationalen Verbänden weltweit)
- Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation Österreich
- Swiss Private Equity & Corporate Finance Association Schweiz
- European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA) Europa (englisch)