Rosa von Praunheim
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Rosa von Praunheim (eigentlich Holger Bernhard Bruno Mischwitzki, * 25. November 1942 in Riga, Lettland) ist ein deutscher Filmregisseur und gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films. Er war vor allem mit seinem Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von 1970 Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland.
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[Bearbeiten] Leben und Werk
Von Praunheim wuchs als Holger Mitschwitzki in Ostberlin auf, 1953 flüchtete die Familie in den Westen, zunächst ins Rheinland und zog anschließend nach Frankfurt am Main. Das Humanistische Gymnasium in Frankfurt verließ von Praunheim mit der Mittleren Reife, um an der Werkkunstschule in Offenbach und später an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin (West) in der Abteilung Freie Malerei zu studieren, ohne aber einen Abschluss zu erlangen.
In den 1960er Jahren debütierte er mit Experimental- und Kurzfilmen, wie „Samuel Beckett“ (1969), mit denen er sich bald einen Namen machte. Im gleichen Jahr heiratete er die Schauspielerin Carla Aulaulu; 1971 ließ sich das Paar scheiden. Mitte der 1960er Jahre nahm er den Künstlernamen „Rosa von Praunheim“ an, der eine Reminiszenz an den Frankfurter Stadtteil Praunheim und den rosa Winkel darstellt, den schwule Gefangene in Konzentrationslagern tragen mussten.
Praunheims erster großer Spielfilm entstand 1970: „Die Bettwurst“ wurde zum Kultfilm, auf den 1973 eine Fortsetzung („Berliner Bettwurst“) folgte. Ebenfalls 1970 erregte von Praunheim Aufsehen mit seiner Dokumentation Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, die zur damaligen Zeit unter anderem zur Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen führte.
Großes Aufsehen erregte Rosa von Praunheim am 10. Dezember 1991 durch die von ihm in Deutschland losgetretene Outing-Debatte, als er unter anderem den Moderator Alfred Biolek, den Komiker Hape Kerkeling und fälschlicherweise den Schauspieler Götz George in der RTL plus-Sendung „Explosiv - Der heiße Stuhl“ öffentlich als schwul bezeichnete - eine Aktion, die er heute als „Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der AIDS-Krise“ bezeichnet.
1979 erhielt er den Bundesfilmpreis für „Tally Brown“, sein „Wunderbares Wrodow“ von 1999 erhielt den Robert Geisendörfer Medienpreis.
2003 erfuhr von Praunheim von seiner Ziehmutter, Gertrud Mischwitzki, dass er ein Adoptivkind ist; weitere Recherchen ergaben seinen wirklichen Geburtsnamen: Holger Radtke. Dies offenbarte von Praunheim im Juni 2006 in einem Interview mit dem Berliner Boulevardblatt „B.Z.“.
In 30 Jahren drehte von Praunheim über 50 Filme. Neben Homosexualität waren seine Themen „ältere, vitale Frauen“ (zum Beispiel Evelyn Künneke und Lotti Huber) und seit den späten 1980er-Jahren die AIDS-Prävention.
Rosa von Praunheim war bis 2006 Dozent für Filmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Er lebt in Berlin.
[Bearbeiten] Bücher
- Männer, Rauschgift und der Tod. 1967
- Oh Muvie. 1968, Fotoroman mit Elfie Mikesch
- Sex und Karriere. Rowohlt TB-V., 1978, ISBN 3-499-14214-7
- Armee der Liebenden oder Aufstand der Perversen. 1979, ISBN 3-881-67046-7
- Gibt es Sex nach dem Tode. Prometh Verlag, 1981, ISBN 3-922-00930-1
- Rote "Liebe" : ein Gespräch mit Helga Goetze.. Prometh Verl., 1982, ISBN 3-922-00947-6
- 50 Jahre pervers. Die sentimentalen Memoiren des Rosa von Praunheim.. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1993, ISBN 3-462-02476-0
- Folge dem Fieber und tanze: Briefwechsel mit Mario Wirz. Aufbau-Verlag, 1995
- Mein Armloch. Martin Schmitz Verlag, 2002, Gedichte
- Die Rache der alten dicken Tunte. 2006, Fotobuch
- Die Bettwurst und meine Tante Lucy. 2006, Fotobuch
[Bearbeiten] Filme (Auswahl)
- 1969, Schwestern der Revolution, (20 min.), mit Carla Aulaulu, Hannes Flutsch, Luzi Kryn, Alix Buchen, Werner Schroeter, Dietmar Kracht, Eva Suffa, Sven Busch, Steven Adamschweski, Thomas Vassilev, Michel Bolze
- 1970, Die Bettwurst, (81 min.), mit Luzi Kryn, Dietmar Kracht, Steven Adamschewski
- 1970, Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, (65 min.), mit Bernd Feuerhelm, Berryt Bohlen, Ernst Kuchling u.v.a.
- 1971 Homosexuelle in New York, (12 min.), Dokumentarfilm über die 2. Christopher-Street-Day-Demonstration von 1971
- 1973 Berliner Bettwurst, (90 min., gekürzte TV-Fassung 71 min.) mit Luzi Kryn, Dietmar Kracht u.v.a.
- 1973 Axel von Auersperg, (70 min.), mit Vincent Kluwe, Gundula von Woyna, Evelyn Künneke, Peggy von Schnottgenberg alias Frank Ripploh
- 1972-76 Armee der Liebenden oder Aufstand der Perversen, (107 min.), Dokumentarfilm über die Homosexuellenbewegung in den USA
- 1977 Tally Brown, New York (80min). Film über die New Yorker Underground-Sängerin Tally Brown (Bundesfilmpreis 1979)
- 1980 Rote Liebe, (80 min.), mit Sascha Hammer, Mark Eins, Helga Goetze, Olga Demetriesca, Rose Hammer, Bettina Sukroff, Barbara Gould, Tu Tu, Sarah Pfeiffer
- 1981 Unsere Leichen leben noch, (90 min.), mit Lotti Huber, Inka Köhler, Luzi Kryn, Maria Christina Leven, Madlen Lorei
- 1983 Stadt der verlorenen Seelen, (91 min.), mit Jayne County, Angie Stardust, Judith Flex, Gary Miller, Joaquin la Habana, Tara O'Hara, Tron von Holywood, Manfred Finger, Wolfgang Schumacher, Lorraine Muthke u.v.a.
- 1984 Horror vacui, (85 min.), mit Lotti Huber, Friedrich Steinhauer, Folkert Milster, Thomas Vogt, Ingrid van Bergen
- 1985 Ein Virus kennt keine Moral, (82 min.), mit Dieter Dicken, Maria Hasenäcker, Christian Kesten, Eva Kurz, Rosa von Praunheim, Regina Rudnick, Günther Thews,
- 1987 Anita - Tänze des Lasters, (90 min.), Film über die Tänzerin Anita Berber mit Lotti Huber, Ina Blum, Mikael Honesseau u.v.a. Rezension unter [1].
- 1989 Überleben in New York, (90 min.), Dokumentarfilm über das Leben dreier junger deutscher Frauen in New York
- 1991 Stolz und Schwul, (45 min.), über und mit Harry Toste („Straps-Harry“), Kurt von Ruffin und Andreas Meyer-Hanno
- 1992 Ich bin meine eigene Frau, (90 min.), über und mit Charlotte von Mahlsdorf
- 1995 Neurosia - 50 Jahre pervers, (90 min.) mit Désirée Nick, Eva Ebner, Volker Eschke, Ichgola Androgyn, Carsten Hädler, Rosa von Praunheim, Gertrud Mischwitzky, Tima die Göttliche u.v.a.
- 1997 Schwuler Mut - 100 Jahre Schwulenbewegung, mit Ovo Maltine, Friedel von Wangenheim, Carsten Heinze, Alfredo Holz, Chris Glagowski u. a.
- 1999 Der Einstein des Sex, (100 min.), Spielfilm über das Leben des Sexualforschers Magnus Hirschfeld, mit Kai Schuhmann, Friedel von Wangenheim, Ben Becker, Tima die Göttliche u.v.a.
- 1999 Can I Be Your Bratwurst, Please?, (29 min.), mit Jeff Stryker, Luzy Kryn, en:Vaginal Davis u.v.a.
- 1999 Wunderbares Wrodow, (79 min.), Dokumentation
- 2001 Tunten lügen nicht, (90 min.), Dokumentation über das Leben von vier Tunten in Berlin, mit Ovo Maltine, Tima die Göttliche u.a.
- 2002 Kühe vom Nebel geschwängert, (89 min.), mit dem Obdachlosentheater Ratten 07, Bewohner des Mecklenburgischen Dorfes Wrodow
- 2002 Pfui Rosa!, (70 min.), Selbstportrait
- 2006 Männer, Helden, schwule Nazis, (78 min.), Dokumentation
[Bearbeiten] Weblinks
- Internetauftritt von Rosa von Praunheim
- Klaus Kreimeier über v.Praunheims frühe Filme
- Rosa von Praunheim in der Internet Movie Database
- Literatur von und über Rosa von Praunheim im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Praunheim, Rosa von |
ALTERNATIVNAMEN | Mischwitzky, Holger (wirkl. Name); Radtke, Holger (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Filmregisseur; Mitbegründer der politischen Schwulenbewegung in Deutschland |
GEBURTSDATUM | 25. November 1942 |
GEBURTSORT | Riga, Lettland |