Tschagataische Sprache
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die tschagataische Sprache oder kurz Tschagataisch (Tschagataisch: جغتای Jaghatāy; in der Nachfolgesprache Usbekisch: Chig'atoy; in der Nachfolgesprache Uigurisch: حاغاتاي Chaghatay) ist eine ausgestorbene Turksprache, die vorwiegend in Zentralasien verbreitet war und im Reich der Timuriden ihre Blüte erlebte.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Sprachbezeichnungen
Tschagataisch heißt auf Uigurisch: حاغاتاي; in heutiger türkischer Orthographie: Çağatayca und auf Tatarisch ebenfalls Çağatayca.
Die älteste Bezeichnung der Sprache lautete einfach Turki (in heutiger usbekischer Orthographie Turkiy), das auch die gemeinsame Bezeichnung aller Turksprachen war.
Die Sprachbezeichnung Tschagataisch geht auf den Namen des zweiten Sohn Dschingis Khans, Tschagatai, zurück. Dieser wurde nach der Eroberung Mittelasiens (1219-21) durch die Mongolen Herrscher über das mongolische Teilreich zwischen Altai und Aralsee, eben jenen Raum, in dem sich in der Folgezeit die tschagataische Schriftsprache entwickelte.
Anfang des 20. Jahrhunderts konkurrierten im inzwischen russisch kolonisierten West-Turkestan die Bezeichnungen Tschagataisch, Turki und Usbekisch für die regionale Form der Schriftsprache, ohne dass damit notwendigerweise unterschiedliche Sprachformen gemeint gewesen wären.
In der türkischen Turkologie wird als Alternativbezeichnung auch Tschagatai-Türkisch (Çağatay Türkçesi) verwendet.
Seitdem in der Sowjetunion nach der Gründung der Usbekischen SSR im Jahre 1924 die Bezeichnung Usbekisch zum einzigen offiziell anerkannten Namen für die neustandardisierte Nachfolgesprache des Tschagataischen wurde, wurden die älteren Sprachformen in der Sowjetzeit meist als Alt-Usbekisch bezeichnet. Die Bezeichnungen Tschagataisch und Turki wurden aus dem Sprachgebrauch verbannt, was auch dadurch bedingt war, dass die Russen in Tschagatai eine Reminiszenz an das "Tatarenjoch" sahen, während die Bezeichnung Turki aus sowjetischer Sicht Ausdruck des "Panturkismus" war.
Seitdem sich Anfang der 1930er Jahre in Ost-Turkestan in Anknüpfung an das mittelalterliche Altuigurisch die Sprachbezeichnung Uigurisch für die dortige moderne Sprache durchgesetzt hat, wird dort auch das chronologisch zwischen Alt- und Neuuigurisch einzuordnende Tschagataische zum "Altuigurischen" gezählt.
[Bearbeiten] Geschichte
Das Tschagataische entstand im 15. Jahrhundert und löste die alten Sprachen Karkukisch, Choresm-Türkisch und das (iranische) Choresmisch als Verkehrs- und Verwaltungssprachen ab.
Zur Zeit Timur Lenks wurde es "Staatssprache" seines neuen Mongolenreiches. Der bekannteste Dichter des Tschagataischen war Mir Ali Sher Nava'i (1441-1501), Dichter am Hofe der Timuriden in Herat, der sowohl in Tschagataisch als auch in Persisch schrieb. Timurs Nachkomme Babur schrieb seine Biografie, Baburname, in dieser Sprache.
Die tschagataische Schriftsprache galt damals nicht nur im gesamten turksprachigen Raum Zentralasiens, sondern verbreitete sich darüber hinaus auch bei den muslimischen Turkvölkern im Wolga-Ural-Raum, die heute als Tataren und Baschkiren bekannt sind. Es war neben dem Osmanischen die zweite überregional als Schriftsprache verwendete Turksprache des islamischen Kulturraumes
In Laufe der folgenden Jahrhunderte entwickelten sich unter dem Einfluss der lokalen Varietäten der Turksprachen auch lokale Spielarten der tschagataischen Schriftsprache. Während sich bei den Tataren und später auch bei den Kasachen schließlich seit dem 19. Jahrhundert selbständige Schriftsprachen auf lokaler Grundlage herausbildeten, blieb das Tschagataisch Anfang der 1920er Jahre die gemeinsame Schriftsprache der Turkvölker Zentralasiens.
In den 1920er Jahren wurden in der jungen Sowjetunion getrennte schriftsprachliche Normen für die turksprachlichen Varietäten Zentralasiens eingeführt und zugleich die lateinische Schrift anstelle der arabischen, Ende der 1930er Jahre dann im Zuge des verstärkten Russisch-Unterrichtes die kyrillische Schrift anstelle der lateinischen eingeführt. Damit endete die Geschichte der tschagataischen Schriftsprache in ihrer traditionellen Form.
Die osttürkischen Varietäten des sowjetischen Zentralasien wurden im Zuge der Neustandardisierung zur Grundlage der usbekischen Standardsprache, der Amtssprache der 1924 gegründeten Usbekischen SSR, während die osttürkischen Varietäten Ost-Turkestans zur Grundlage der neuuigurischen Standardsprache wurden. Damit wurden die heutige usbekische Sprache sowie die uigurische Sprache zu den direkten Nachfolgesprachen des Tschagataischen.
(Ein kleiner Teil der Turkmenen bezeichnet noch heute seine Sprache als "Tschagatai".)
[Bearbeiten] Alphabete
Die tschagataische Sprache wurde zwischen dem 15. Jahrhundert und 1922 mit dem arabischen Alphabet und 1922/23 mit dem lateinisch-basierten einheitlichen Alphabet geschrieben.
Der Language Code der Tschagataischen Sprache ist CGT.
[Bearbeiten] Literatur
- János Eckmann: Chagatay manual. - Richmond : Curzon Press, 1966 (Indiana University Uralic and Altaic series ; 60). - Reprint Richmond : Curzon Press, 1997.
- (Hrsg:)Hans Glück: Metzler Lexikon Sprache, Stuttgart 2005. ISBN 3-476-02056-8