Vampirroman
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Der Vampirroman ist ein literarisches Werk in Romanform, das Vampire zum Thema hat. Dabei handelt es sich in der Regel um Vampire im mythischen Sinne (also untote, blutsaugende Wesen), aber es gibt auch Romane über "psychologische Vampire", also Menschen, die glauben, Vampir zu sein, und sich wie solche benehmen. Vampirromane werden traditionell oft der Horrorliteratur zugerechnet, müssen aber nicht zwangsweise diesem Genre angehören.
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[Bearbeiten] Geschichte
Schauermärchen über Wesen, die Menschen oder Tieren das Blut aussagen, gab es zu allen Zeiten in allen Kulturkreisen, aber erst im 19. Jahrhundert, als Phantastik generell an Bedeutung gewann, wurde die große Literatur auf sie aufmerksam. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: So legte Johann Wolfgang von Goethe bereits 1797 mit dem Gedicht "Die Braut von Korinth" eine Bearbeitung des Stoffes vor, die sich jedoch im Gegensatz zu den Werken des 19. und 20 Jahrhunderts nicht an den slawischen Volksglauben anlehnte, sondern mehr an die antiken Sagenwelt. Auch Heinrich Heine, E. T. A. Hoffmann und andere Dichter der Romantik namen sich des Themas an. Dazu trug das damalige Interesse an übernatürlichen Themen und dem Tod, auch die wachsende Angst, lebendig begraben zu werden, bei. Besonders den Vertretern der so genannten Schwarzen Romantik ließ die in weiten Kreisen kultivierte Todessehnsucht den Vampir als Projektionsfläche interessant erscheinen - etwa in den Hymnen an die Nacht von Novalis oder in Fleurs de mal von Charles Baudelaire.
John Polidori, ein Gefährte Mary Shelleys, schrieb 1819 mit "Der Vampyr" die erste Erzählung, in der ein Vampir die Hauptrolle spielt. 1872 wurde "Carmilla" von Joseph Sheridan Le Fanu veröffentlicht, der erste Roman mit einem weiblichen Vampir. Richtig ins Rollen gebracht wurde der "Vampir-Hype" aber erst mit Bram Stokers Roman "Dracula" (Erscheinungsjahr: 1897). Seitdem war der letzte bedeutende Vampirroman "Interview mit einem Vampir" von Anne Rice. In den 1990ern ist, durch die Kinoerfolge der Filmadaptionen der beiden letzten Klassiker, eine Art neuer Vampir-Hype ausgebrochen: Vampire gibt es nun in Rollenspielen, Comics und Filmen, und im Zuge dieser Entwicklung treten sie auch in der phantastischen Literatur insgesamt stärker in den Vordergrund.
Teilweise rechnete man den Vampirroman dem "Schund" zu, sicher nicht ohne Grund, denn der Vampir wird oft mit Sexualität und Erotik in Verbindung gebracht. Dem, der heute"Dracula" liest, mag das übertrieben vorkommen, doch im 19. Jahrhundert waren einige Passagen durchaus anstößig und eindeutig Hinweise auf tabuisierte Sexualpraktiken. Darüber hinaus findet das Vampirmotiv auch im Heftroman Verwendung und ist fester Bestandteil der Trivialliteratur. Das mag der Grund sein, warum fast 100 Jahre lang keine wirklich wichtigen Werke über dieses Thema veröffentlicht wurden und es so verschrieen ist: Der Vampir überlebte im Wesentlichen durch den Film, nicht die Literatur: es gibt nicht weniger als 200 Verfilmungen des Romans "Dracula" oder Filme, in denen ein gleichnamiger Vampir eine Rolle spielt. Im Vergleich dazu sieht es in der Literatur dürftig aus.
Der Vampirroman wird von angloamerikanischen Autoren dominiert, hat aber Anhänger auf der ganzen Welt. Von allen deutschen Vampirromanen dürften wohl die Geschichten des "kleinen Vampirs", einer Kinderbuchreihe von Angela Sommer-Bodenburg, am bekanntesten sein; sie wurden in 30 Sprachen übersetzt.
[Bearbeiten] Der Vampir im Roman
Die ersten Vampirromane stellten den Vampir als blutrünstiges Monster dar: Ein böser Vampir (oder eine ganze Sippe) trieb ihr Unwesen, und es galt sie zu bekämpfen. Moderne Romane beleuchten den Vampir auch von anderen Seiten: In "Interview mit einem Vampir" von Anne Rice erzählt ein Vampir seine Lebensgeschichte und in "Anno Dracula" von Kim Newman gehören Vampire im viktorianischen London sogar zum Alltagsbild, sie sind fester Bestandteil der Gesellschaft, Protagonisten und gleichzeitig Gegenspieler.
Ursprünglich war der Vampir eine Einzelerscheinung. Er trat nur alleine oder in kleinen Gruppen auf. Im modernen Vampirroman kann es vorkommen, dass ganze Vampirclans mit mehreren hundert Mitgliedern auftreten, die oft auf eine lange Geschichte zurückblicken.
Dracula, Protagonist aus Bram Stokers gleichnamigem Roman, ist das Vorbild der meisten Vampire. Er taucht in zahlreichen Vampirromanen wieder auf. Dabei haben sich im Wesentlichen drei Typen herauskristallisiert: 1. die Karikatur eines armen, alten Dracula, der verwaist in einer verfallenen Gruft lebt; 2. der übermächtige Dracula, der einen mächtigen Vampirclan begründet hat; 3. der reiche Dracula, der einem Adelshause entstammt und ein/e Villa/Schloss hat.
Der Vampir in der modernen Literatur ist vielgestalt. Einige Bücher betonen das "klassische Monster", in anderen Büchern wurde er stark verharmlost. Willis Hall beispielsweise schrieb eine Kinderbuchreihe über "Graf Alucard", der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, und ständig in Angst vor bevorurteilenden Mitmenschen sein muss. Auch die typischen Klischees (Vampire haben keinen Schatten, kein Spiegelbild, verabscheuen Kreuze, Sonnenlicht, Knoblauch etc...) werden von Autoren beliebig ausgelegt, ausgebaut oder über den Haufen geworfen.
Ein häufig vorzufindendes Merkmal vieler Vampirromane ist es, dass sie in der Vergangenheit spielen; bevorzugt im Mittelalter oder im Viktorianischen Zeitalter). Jedoch sollte man sich dabei vergegenwärtigen, dass zwar zum Beispiel Stokers Dracula im viktorianischen London spielt, dieses aber auch die Zeit war, in der Stoker lebte. Vampire in der Gegenwart unterscheiden sich oft in vielen Punkten von ihren Vorfahren und haben gelernt, sich moderne Technik zu Nutze zu machen (z.B. saugen sie nicht mehr Menschen das Blut aus, sondern konsumieren es aus Blutspende-Beuteln oder Getränkedosen).
In der Zukunftsliteratur gibt es so gut wie keine Vampirromane, aber auch im Science Fiction-Genre werden sie hin und wieder erwähnt und als Nebenpersonen verwendet, z.B. im Cyberpunk-Rollenspiel Shadowrun oder als Clan in Parallelwelten des Steampunk.
[Bearbeiten] Gegenwart und Zukunft
Reine Vampirromane sind auch heute noch eine Randerscheinung. Das mag daran liegen, dass sie immer noch einen gewissen Beigeschmack von "Schund" haben. Eine der Ursachen hierfür ist die Assoziationen mit Sexualität.Die "hohe Literatur" erachtet Vampire vielfach als als würdig genug, sie als Thema zu behandeln. Nach "Dracula" gab es lange Zeit keine Vampirromane mehr, die ihre Entwicklung wesentlich vorangetrieben hätten, und so gelangte der Vampir vorrangig durch zahllose Filmadaptionen und Comics zu seiner hohen Popularität. Darüber hinaus war der Vampir schon immer häufiger in Kurzgeschichten und Erzählungen anzutreffen als in Romanen von epischer Breite.
Eine Ausnahme bildet die Necroscope-Reihe von dem britischen Autor Brian Lumley, die erstmals 1986 erschien und in den USA 14 Bände umfasst. Sie schildert die Abenteuer um den Totenhorcher Harry Keogh und ist eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt.
Seit "Harry Potter" und den Kinoerfolgen der "Herr der Ringe"-Trilogie, nicht zuletzt durch den Boom der Gothic-Subkultur gibt es einen neuen "Hype", und die Nachfrage nach Fantasy und Horror stieg enorm. Dadurch gewann auch das Thema Vampir neue Fans, und namhafte Autoren wie etwa Wolfgang Hohlbein schrieben neue Vampirromane. Kurzfristig kann man also damit rechnen, dass es mehr Vampirromane geben wird als bisher, aber es wird schwierig sein, ihn so populär zu machen wie z.B. Geschichten um Magier oder andere, typische Fantasyhelden. Ein Grund ist, dass sich der Vampir - als Wesen, das sich durch Mord und Gewaltanwendung am Leben hält und somit "böse" ist - nicht sehr gut als glaubwürdiger Protagonist eines Romanes eignet, ohne ihn seines Wesens zu berauben.
Es gibt aber schon heute viele vorrangig phantastische Romane, in denen Vampire als Nebenpersonen auftreten, im Fantasy- und Horrorgenre sind sie oft anzutreffen.
[Bearbeiten] Literatur
- Dieter Sturm, Klaus Völker (Hrsg.): Von denen Vampiren. Dichtungen und Dokumente. Lizenznachdruck der Ausgabe München: Hanser 1968. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994 (Phantastische Bibliothek Bd. 306). ISBN 3-518-38781-2.
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Barber, Paul. Vampires, Burial, and Death. Folklore and Reality. New Heaven: Yale University, 1988.
- Claes, Oliver. Fremde. Vampire. Sexualität, Tod und Kunst bei Elfriede Jelinek und Adolf Muschg. Bielefeld: Aisthesis, 1994.
- Freund, Winfried. "Der entzauberte Vampir - Zur parodistischen Rezeption des Grafen Dracula bei Hans Carl Artmann und Herbert Rosendorfer". In: Köpf, Gerhard. Rezeptionspragmatik. München: Fink, 1981. S. 131-148. (UTB 1026).
- Hamberger, Klaus. Mortuus non mordet. Dokumente zum Vampirismus 1689-1791. Wien: Turia & Kant, 1992.
- Hock, Stefan. Die Vampyrsagen und ihre Verwertung in der deutschen Literatur. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1900. Hildesheim: Gerstenberg, 1977. (Forschung zur neueren Literaturgeschichte, Bd. XVII).
- Leatherdale, Clive. Dracula. The Novel & the Legend. A Study of Bram Stoker's Gothic Masterpiece. Wellingborough: Aquarian, 1985.
- Märtin, Ralf-Peter. Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad Tepes. Berlin: Wagenbach, 1996.
- Meurer, Hans. Der dunkle Mythos. Blut, Sex und Tod: Die Faszination des Volksglaubens an Vampyre. Schliengen: Ulrich Schmidt, 1996. (Edition Argus).
- Pütz, Susanne. Vampir und ihre Opfer. Der Blutsauger als literarische Figur. Bielefeld: Aisthesis, 1992.
- Ruthner, Clemens. Unheimliche Wiederkehr. Interpretationen zu den gespenstischen Romanfiguren bei Ewers, Meyrink, Soyka, Spunda und Strobl. Meitingen: Corian, 1993. (Studien zur phantastischen Literatur 10).
- Britta Radkowsky: Moderne Vampire UBooks-Verlag 2005 ISBN 3866080069
- Michael Ranft, Nicolaus Equiamicus : Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern 1734, deutsche Übersetzung aus dem Lateinischen 2006 im UBooks-Verlag ISBN 3866080158
- Silberschmidt, A.: Von den blutsaugenden Toten. Oder philosophische Schriften der Aufklärung zum Vampirismus. (Hexenmond-Verlag, 2006) ISBN 978-3980964555
- Basil Copper: Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit. (Festa Verlag, 2007) ISBN 978-3-86552-071-5.