Vertrag von Ripen
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Der Vertrag von Ripen (auch als Handfeste oder Übereinkunft, früher fälschlich und emotionalisierend als Privileg bezeichnet) von 1460 regelte u.a. die Herrschaft über das Herzogtum Schleswig und die Grafschaft Holstein.
Nachdem Adolf VIII., als Graf von Holstein und Herzog von Schleswig, am 4. Dezember 1459 kinderlos verstarb, war die Nachfolge nicht geregelt. Die in beiden Landen ansässige und eng miteinander verbundene Ritterschaft übernahm nun die Initiative. Sie war an einer dauerhaften Regelung interessiert und wollte neue Konflikte vermeiden. Die letzte schauenburgische Linie Holstein-Pinneberg war von der Erbfolge in Schleswig ausgeschlossen und kam daher aus Sicht der Ritterschaft nicht in Frage. König Christian I. von Dänemark als Oldenburger und Neffe des Verstorbenen schien für die Ritterschaft und Prälaten der richtige Kandidat zu sein. Längst hatte sich der Adel beider Lande vereinigt und war auch in Dänemark gut vertreten. Die Verbindung Schleswigs, Holsteins und Dänemarks unter einem Herrscher war zudem gut geeignet, um ein Wiederaufflammen des Konflikts verschiedener Mächte zwischen Ost- und Nordsee zu verhindern. Christian berief 1460 eine Versammlung in Ripen ein, auf der er am 2. März zum Herrscher über die beiden Gebiete gewählt wurde. Am 5. März wurde daraufhin der Vertrag von Ripen aufgesetzt, in dem etliche Gesetze und Verordnungen festgeschrieben wurden. In der wohl bekanntesten Passage heißt es über Schleswig und Holstein: "dat se bliven ewich tosamende ungedelt" (dass sie ewig ungeteilt zusammenbleiben).
Den Ständen ging es um stabile Verhältnisse. Der Vertrag von Ripen setzte nicht nur einen dauerhaften Schlusspunkt unter die Konflikte zwischen dänischem Königshaus und holsteinischer Grafschaft. Vor allem ging es ihnen darum, Erbteilungen der Landesherrschaft zu verhindern, wie sie in Deutschland üblich war und zur Entstehung zahlloser kleiner Fürstentümer geführt hatte. Dieser Wunsch erfüllte sich hingegen nur teilweise, denn die Ständemacht unterlag schon bald der aufstrebenden Fürstenmacht. Bereits 1490 kam es zur ersten Aufteilung Schleswigs und des 1474 ebenfalls zum Herzogtum erhobenen Holstein. Diese Teilung zwischen Christians Söhnen König Hans und Herzog Friedrich wurde mit der Thronbesteigung des letzteren zwar wieder hinfällig, und auch die Teilung zwischen diesem und dessen Sohn Christian 1523 hatte nur bis zum nächsten Thronwechsel Bestand. Hingegen hatte die Landesteilung zwischen Christian und seinen Brüdern Hans und Adolf 1544 langfristige Konsequenzen, ebenso die Teilungen von 1564 und 1581. Die Besitzungen des Adels und der Geistlichkeit blieben immerhin von den Teilungen ausgenommen und wurden von den Landesherren formell gemeinsam regiert.
Erst im 19. Jahrhundert erhielt der Ripener Vertrag neue Bedeutung, als der Historiker und Sekretär der schleswig-holsteinischen Ritterschaft Friedrich Christoph Dahlmann ihn zu einer Art Grundgesetz nicht nur für die Stände, sondern für die Herzogtümer als Ganzes erklärte. Angesichts des aufkeimenden nationalen Gegensatzes zwischen Deutsch und Dänisch entfaltete der bis dahin fast vergessene Vertrag ungeahnte Sprengkraft, da die Ritterschaft und bald auch weite Teile der ursprünglich liberalen schleswig-holsteinischen Bewegung ihn als "historisch verbrieftes Recht" ansahen. Die Erbansprüche des Herzogs Christian August von Augustenburg verstärkten dies zusätzlich. Das politische Schlagwort "op ewig ungedeelt" (auf ewig ungeteilt) wurde 1841 in einem Gedicht des schleswig-holsteinisch gesinntenApenrader Arztes August Wilhelm Neuber zurück und instrumentalisierte den Ripener Vertrag somit zusätzlich im Sinne der Loslösung Schleswigs und Holsteins von Dänemark.
Doch auch auf dänischer Seite entwickelte sich eine Bewegung, bei der die Forderungen nach politischer Liberalisierung bald vor der nationalen Thematik in den Hintergrund gerieten. Die Eiderdänen beriefen sich auf die ursprüngliche Zugehörigkeit Schleswigs zu Dänemark und forderten das gesamte Herzogtum Schleswig als Teil eines künftigen dänischen Nationalstaats. Beide Seiten ignorierten damit die Realitäten in dem sprachlich und kulturell gemischten Land. 1848 führten die Spannungen schließlich zum Bürgerkrieg, 1864 zum Ende des Gesamtstaats unter der dänischen Krone.
Obwohl der Vertrag von Ripen schon wenige Jahrzehnte nach seiner Abfassung immer mehr ausgehöhlt und durch neue Ordnungen ersetzt wurde, konnte er im 19. Jahrhundert zu einem Mythos werden. Dieser Mythos vom Ripener Vertrag als einem "schleswig-holsteinischen Grundgesetz" hielt sich in Schleswig-Holstein noch bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus. Erst seit relativ kurzer Zeit wird der Vertrag wieder nüchterner als eine wichtige historische Übereinkunft. Nicht die Unteilbarkeit Schleswigs und Holsteins wird als wichtigster Aspekt angesehen, sondern die Schaffung einer gemeinsamen Landesherrschaft.
[Bearbeiten] Literatur
Carsten Jahnke: "dat se bliven ewich tosamende ungedelt". Neue Überlegungen zu einem alten Schlagwort. Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 128, 2003, S. 45-59
Ulrich Lange (Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 2. Aufl. 2003
Thomas Riis: Up ewig ungedeelt. Ein Schlagwort und sein Hintergrund. in: Thomas Stamm-Kuhlmann (Hrsg.): Geschichtsbilder. Festschrift für Michael Salewski. Stuttgart 2003, S. 158-167
Henning von Rumohr (Hrsg.): Dat se bliven tosamende ewich ungedelt. Festschrift der schleswig-holsteinischen Ritterschaft zur 500. Wiederkehr des Tages von Ripen am 5. März 1960. Neumünster 1960