Volksabstimmungen im Gefolge des Versailler Vertrags
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Der Vertrag von Versailles von 1919 sah vor, dass in mehreren Grenzgebieten des Deutschen Reiches Volksabstimmungen stattfinden sollten, durch die die Zugehörigkeit der Gebiete entweder zum Deutschen Reich oder zu dessen Nachbarstaaten (Dänemark, Polen, Frankreich, Belgien) festgelegt werden sollte. Geregelt wurde dies in den Artikeln 88, 94 und 104 des Versailler Vertrags. Im einzelnen ergaben sich daraufhin folgende Ergebnisse:
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[Bearbeiten] Schleswig
Abstimmungen in Schleswig:
- I. Zone (Nordschleswig), 10. Februar 1920, 25% für Deutsches Reich, damit fiel dieses Gebiet an Dänemark.
- II. Zone (Südschleswig), 14. März 1921, 81% für Deutsches Reich, damit bleib das Gebiet beim Deutschen Reich.
Die Grenze zwischen beiden Zonen bildet bis heute die deutsch-dänische Grenze. Die dänische Minderheit in Südschleswig besitzt bis heute den Status einer nationalen Minderheit mit entsprechenden Rechten und einer eigenen Partei, dem Südschleswigschen Wählerverband.
[Bearbeiten] Ostpreußen
- Gebiet Marienwerder, 11. Juli 1920, 92,8% für Deutsches Reich, damit blieb das Gebiet beim Deutschen Reich.
- Gebiet Süd-Ostpreußen (Masuren), 11. Juli 1920, 97,5% für Deutsches Reich, damit blieb das Gebiet beim Deutschen Reich.
[Bearbeiten] Oberschlesien
- 20. März 1921, 59,6% für Deutsches Reich bei einer Wahlbeteiligung von 98%. 597 Gemeinden votierten mehrheitlich für Polen, 664 für Deutschland.
Schon vor der Abstimmung hatte es heftige Kontroversen zwischen Deutschen und Polen gegeben, die sich jetzt zuspitzten. Der Versailler Vertrag sah bei einer knappen Mehrheit die Möglichkeit einer Aufteilung des Gebietes vor. Bei einer Aufteilung gemäß dem Abstimmungsergebniss wäre der größere, westliche Teil Oberschlesiens bei Deutschland verblieben, der Osten um Kattowitz (Katowice) mit seinen wertvollen Kohlegruben dagegen an Polen gefallen.
Deutsche Nationalisten bestanden darauf, das gesamte Gebiet für Deutschland zu erhalten; nationalistische Gruppen in Oberschlesien gingen daran, sich zu bewaffnen und Widerstand gegen eine mögliche Abtretung zu leisten. Die polnischen Aufständischen unter Wojciech Korfanty versuchten dagegen, eine Abtretung ganz Oberschlesiens an Polen zu erreichen. Am Annaberg lieferten sich polnische und deutsche Gruppen am 23. Mai 1921 heftige Gefechte („Dritter schlesischer Aufstand“).
Am 20. Oktober 1921 entschied eine Botschafterkonferenz in Paris, dass das Gebiet aufzuteilen sei, wobei das Deutsche Reich und Polen jeweils einen Anteil entsprechend dem Wahlergebnis erhalten sollte. Diese Entscheidung beruhigte die Situation zwar oberflächlich, innerhalb der deutschen Rechten hielten sich allerdings weiterhin Ressentiments und der Wunsch, die Entscheidung rückgängig zu machen. Es ist sicher kein Zufall, dass Adolf Hitler gerade in dieser sensiblen Region mit einem fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz (polnisch: Gliwice) den Vorwand schuf, um zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Polen einzufallen.
[Bearbeiten] Saargebiet
Im zunächst französisch besetzten, dann unter Völkerbundsverwaltung stehenden Saargebiet fand die Volksabstimmung erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten statt. Die Abstimmung am 13. Januar 1935 erbrachte eine Mehrheit von 90,8% für das Deutsche Reich, sodass das Saargebiet im Rahmen der nationalsozialistischen „Heim-ins-Reich“-Ideologie am 1. März desselben Jahres dem Deutschen Reich angegliedert wurde.
[Bearbeiten] Abtretungen ohne Abstimmung
Danzig wurde ohne Abstimmung zur Freien Stadt erklärt, der größte Teil Westpreußens (Im Rahmen der Volkszählung von 1910 gaben 65 % der Bewohner Westpreußens Deutsch, 28 % Polnisch und 7 % Kaschubisch als Muttersprache an. ), was später als Korridor bezeichnet wurde, wurde Polen ohne Abstimmung zugeschlagen.
Die Provinz Posen wurde ebenfalls ohne Abstimmung an Polen gegeben, obwohl auch hier eine große deutsche Minderheit lebte (bsp. bei der Volkszählung 1910 - Stadt Posen : 55% Polen/45% Deutsche, Bromberg: 84% Deutsche/16% Polen.)
Eupen und Malmedy fielen ohne Abstimmung an Belgien.
Auch in Elsass-Lothringen fand keine Abstimmung statt; das Gebiet, das seit dem Jahr 870 zum Ostfränkischen Reich (später Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) gehört hatte, dann durch den französischen König Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert erobert und 1871 von Deutschland annektiert worden war, fiel wiederum an Frankreich. Zwar verläuft hier die Sprachgrenze entlang der Vogesen, sodass das Elsass deutschsprachig ist, die Mehrheit der dortigen Bevölkerung hat allerdings in den Jahrhunderten der Zugehörigkeit zu Frankreich, insbesondere nach der Revolution von 1789, eine eher pro-französische Haltung eingenommen.
Die österreichische Nationalversammlung hatte unmittelbar nach Kriegsende "Deutsch-Österreich" zur Republik und zum "Bestandteil der Deutschen Republik" erklärt. Es fanden auch 1920 Volksabstimmungen in Tirol (98,8% für Deutsches Reich) und im Salzburger Land (99,3% für Deutsches Reich) statt; die Siegermächte unterbanden aber weitere Abstimmungen und bestanden auf der Einhaltung der Pariser Vorortverträge, wonach Österreich ein Anschluss an Deutschland untersagt war. Unter veränderten Rahmenbedingungen erfolgte dann 1938 dennoch der "Anschluss" Österreich an das nunmehr nationalsozialistische Deutschland.
[Bearbeiten] Weblinks
- von „Wahlen in der Weimarer Republik“: Zeittafeln 1918-1933