Béla Guttmann
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Béla Guttmann (* 27. Januar 1899 in Budapest; † 28. August 1981 in Wien) war ein erfolgreicher jüdisch-ungarischer Fußballspieler und Trainer. Sein größter Erfolg waren die zwei Triumphe im Europapokal der Landesmeister mit Benfica Lissabon 1961 und 1962. Er gilt als Entdecker des portugiesischen Fußballstars Eusébio.
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[Bearbeiten] Spielerkarriere
Seine Spielerkarriere begann Guttmann 17jährig in der ersten ungarischen Liga bei Törekvés, bevor er 1919 zum MTK Budapest wechselte, mit dem er 1920 und 1921 die ungarische Meisterschaft gewann. Bereits bevor in Ungarn 1925 offiziell der Profifußball eingeführt wurde, kassierten viele Spieler verdeckt hohe Gagen. Béla Guttmann wechselte Anfang 1922 zu Hakoah Wien. Der Autor Ludwig Tegelbeckers wies nach, dass der Wechsel Guttmanns nach Österreich vor dem Hintergrund eines Schwarzgeld-Skandals in Ungarn stattfand, in dessen Verlauf die illegale Bezahlung etlicher Spieler aufflog und bestraft wurde.
Mit der rein jüdischen Leistungsmannschaft von Hakoah Wien holte Guttmann in der Saison 1924/25 die österreichische Meisterschaft, es war die erste Profisaison im österreichischen Fußball. Guttmann stand auch in der Hakoah-Elf, die am 3. September 1923 den englischen Cup-Finalisten West Ham United auf eigenem Platz mit 5-0 bezwang und damit als erste kontinentale Mannschaft überhaupt ein Spiel in England gewinnen konnte.
Mit der Wiener Hakoah, die - im Dienste des Zionismus - in den 1920er Jahren Propaganda-Tourneen buchstäblich in alle Welt unternahm, bereiste Guttmann 1926 die USA und ging nach Abschluss der Reise in der nordamerikanischen Soccer-League bei den New York Giants unter Vertrag. In seinen sechs New Yorker Jahren spielte Guttmann an fünf Stationen für insgesamt vier Teams (New York Giants, New York Hakoah FC, Hakoah All Stars Brooklyn, New York Soccer Club). Gleichzeitig avancierte er zum Geschäftsmann: Er organisierte Varieté-Auftritte europäischer Fußballspieler (an denen er auch persönlich mitwirkte) und war - bis zum Börsencrash 1929 - Teilhaber einer der größten New Yorker Bars.
Im Herbst 1932 verließ Béla Guttmann die USA und kehrte nach Österreich zurück. Für Hakoah Wien lief er bis zum Ende der Saison 1932/33 noch einmal als Spieler auf, bevor - bei eben diesem Club - im Juli 1933 die vier Jahrzehnte lange Trainerkarriere Guttmanns begann.
[Bearbeiten] Trainerkarriere
Als Trainer arbeitete Béla Guttmann an 24 Stationen für 18 Vereins- und drei Nationalmannschaften (Ungarn, Portugal, Österreich) in 13 Ländern Europas, Nord- und Südamerikas.
Der erste große Erfolg in der Trainerlaufbahn des Ungarn war der Gewinn des Mitropacups, dem historischen Vorläufer der heutigen Champions-League, mit Újpest Budapest im Spätsommer 1939, unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Wo und auf welche Weise Guttmann den Krieg und den Holocaust überlebte, ist bislang unerforscht. Zeitgenossen Guttmanns berichteten, dass der Trainer, als er 1945 in Budapest wieder auf der Bildfläche erschien, Portugiesisch sprach (das er vor dem Krieg noch nicht beherrschte). Der Autor Detlev Claussen verneint dies in seinem 2006 erschienenen Guttmann-Buch und hält den Verbleib Guttmanns in Budapest für wahrscheinlich, allerdings ohne jeden Beleg.
Nach dem Krieg trainierte Guttmann zunächst Vasas Budapest (1945), Ciocanul Bukarest (1946), erneut Újpest (1946/47) und dann Kispest Budapest (1947/48). Danach verließ Guttmann Ungarn erneut. 1949 ging er nach Italien und trainierte in der Serie A Padova Calcio (1949/50) und dann US Triestina (1950/51). 1952 war Guttmann lt. inoffiziellen Quellen im Trainerstab der ungarischen Nationalmannschaft tätig, die bei den Olympischen Spielen in Helsinki Gold gewann. Ab Januar 1953 war Guttmann Trainer des argentinischen Zweitligateams Quilmes, bevor er im gleichen Jahr für einige Monate die Elf von Apoel Nikosia coachte.
Ab November 1953 war Béla Guttmann Trainer des AC Milan. Im Frühjahr 1955 fiel er - mit dem Team an der Spitze der Serie A stehend - einer vereinsinternen Intrige zum Opfer. Guttmann wurde entlassen, Milan gewann die Meisterschaft ohne den Ungarn. Als nächste - und letzte - Station in der Serie A folgte 1955/56 noch ein Engagement für Lanerossi Vicenza. Guttmann verließ Italien im Zorn, und mit vielen zwar negativen, aber letztlich lehrreichen Profifußball-Erfahrungen im Gepäck. Was folgte, waren die erfolgreichsten Jahre seiner Karriere.
Im Spätherbst 1956 schloss sich Guttmann der Exil-Mannschaft von Honvéd Budapest an. Das Team um Ferenc Puskás, das bis dahin den Kern der legendären "goldenen" ungarischen Fußball-Nationalmannschaft gebildet hatte, war nach dem Ungarn-Aufstand im Oktober 1956 nicht mehr von einer Auslandsreise zurückgekehrt. Es ging auf eine Südamerikatournee, die Guttmann als Trainer betreute. Puskas und Guttmann waren alte Bekannte aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Kispest (nicht lange nach Guttmanns Weggang von Kispest 1948 wurde das Team zur Mannschaft der ungarischen Armee und deshalb in "Honvéd" umbenannt). Die Tournee führte Honvéd und Guttmann nach Brasilien. Während aber das Team im Februar 1957 nach Europa zurückreiste und sich dort auflöste, blieb Guttmann in Brasilien und wurde Coach des FC São Paulo.
Die Bedeutung des Guttmann-Engagements in Brasilien wurde lange Zeit unterschätzt. Erst der englische Autor Rogan Taylor brachte Ende der 90er Jahre in die Erinnerung der internationalen Fußball-Öffentlichkeit zurück, dass es Guttmann war, der das angriffsbetonte und kreative 4-2-4 nach Brasilien brachte - jenes Spielsystem also, mit dem die brasilianische Nationalelf 1958 nach Schweden reiste und dort zum ersten Mal Fußball-Weltmeister wurde.
Im Sommer 1959 kehrte Guttmann nach Europa zurück und ging beim FC Porto unter Vertrag. Er holte mit dem Team nach einem "Herzschlagfinale" auf Anhieb den portugiesischen Titel, um direkt im Anschluss zum - diesmal - unterlegenen Konkurrenten zu wechseln: zu Benfica Lissabon. Über die folgenden, wohl glücklichsten Jahre in der Trainerkarriere Guttmanns schrieb der Autor Detlev Claussen:
"In Lissabon, wo mit Béla Guttmann der rechte Mann zur rechten Zeit am rechten Ort stand, berührten sich Brasilien und Europa buchstäblich. Guttmann konnte die brasilianischen Stilelemente, die er in Sao Paulo selbst mit entwickelt hatte, in den europäischen Fußball integrieren. Und er konnte mit seinen jungen Spielern, die sich an brasilianischen Idealen orientierten, eine ganz neue Mannschaft kreieren".
Mit Benfica holte Guttmann zweimal (1960 und 1961) den portugiesischen Titel und einmal den Pokal (1962). Vor allem aber trumpfte er mit seinem Team im Europapokal der Landesmeister auf, der Königsklasse des europäischen Vereinfußballs, die seit ihrer Einführung im Jahr 1955 von Real Madrid dominiert worden war. Erst Benfica mit Béla Guttmann als Trainer durchbrach die Dominanz der Spanier. 1961 bezwang die Elf den FC Barcelona in Bern mit 3-2. Im Jahr darauf kam es zum direkten Showdown mit Real Madrid in Amsterdam. Das Finale von 1962 gilt bis heute als eines der besten in der Geschichte des europäischen Fußballs. Real Madrid wurde von Guttmanns Benfica förmlich überrollt, nach anfänglicher Führung der Madrilenen (2-0 bzw. 3-2) drehte die furios spielende Benfica in der zweiten Hälfte das Spiel und gewann 5-3. Matchwinner war der erst 20jährige Eusebio, der mit seinen Treffern zum 4-3 und 5-3 innerhalb von drei Minuten das Spiel entschied.
Guttmann verließ Benfica Lissabon 1962 auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Was nach 1962 folgte, war im Grunde nur noch sein schrittweiser Abstieg. Denn nie wieder, an keiner der noch folgenden Stationen, konnte der Trainer nur annähernd noch einmal an das vorher Erreichte anknüpfen.
1962 und 1963 (mit zwischenzeitlicher "Auszeit" in Europa) unternahm Guttmann in Uruguay mit Peñarol Montevideo zwei - letztlich erfolglose - Anläufe, die Copa Libertadores zu gewinnen - insgeheim hatte er dabei wohl auch den Weltpokal und den damit verbundenen Vergleich mit den Spitzenmannschaften des europäischen Fußballs im Sinn. Von März bis Oktober 1964 heuerte Guttmann als Teamkapitän der österreichischen Nationalmannschaft an, und dies sogar mit einer - im Rahmen des Möglichen - sehr guten Bilanz (3/2/1). Nach dem österreichischen Autor Michael John führten letztlich öffentlich geäußerte antisemitische Ressentiments dazu, dass Guttmann sein Amt enttäuscht wieder aufgab.
Ab 1965 sank der Stern des Trainers Béla Guttmann dann endgültig. Sein zweites Engagement bei Benfica Lissabon in der Saison 1965/66 endete im Frühjahr 1966 mit dem demütigenden Rauswurf Guttmanns an der Stätte seiner größten Triumphe. Die anschließende Trainerstation in der Schweiz bei Servette Genf (1966/67) nahm denselben Verlauf: Entlassung wegen Misserfolgs im Frühjahr 1967. Sein folgendes Engagement in Griechenland bei Panathinaikos Athen beendete Guttmann 1967 nach wenigen Spielen selbst.
1973 erschien Béla Guttmann ein letztes Mal auf der Fußballbühne: Als technischer Direktor bei Austria Wien sowie danach nochmals als Trainer des FC Porto, wo er als Tabellenvierter der portugiesischen Liga im Sommer 1974 75jährig endgültig seine Karriere beendete.
Am 28. August 1981 starb Béla Guttmann in Wien.
[Bearbeiten] Größte Erfolge
Als Spieler (1916-33):
- Ungarischer Nationalspieler (3/1), Olympiateilnehmer 1924
- Ungarischer Landesmeister 1920, 1921
- Österreichischer Landesmeister 1925
- Sieger des United States Open Cup 1929
Als Trainer (1933-74):
- Europapokalsieger der Landesmeister 1961, 1962 mit Benfica Lissabon
- Mitropacupsieger 1939 mit Újpest Budapest
- Ungarischer Landesmeister 1939, 1947 mit Újpest
- Ungarischer Pokalsieger 1947 mit Újpest
- Sieger der "Paulista" 1957 mit dem FC São Paulo
- Portugiesischer Meister 1959 mit dem FC Porto; 1960, 1961 mit Benfica Lissabon
- Portugiesischer Pokalsieger 1962 mit Benfica
- Ostholländischer Meister 1936 mit dem SC Enschede
[Bearbeiten] Quellen
- Detlev Claussen, Béla Guttmann. Weltgeschichte des Fußballs in einer Person, Berenberg Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-937834-11-7
- Ludwig Tegelbeckers, Béla Guttmann. Weltenwanderer ohne Kompromiss. In: Dietrich Schulze-Marmeling, Davidstern und Lederball, S. 347-368, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2003, ISBN 3-89533-407-3
- Rogan Taylor & Klara Jamrich, Puskas on Puskas. The Life and the Times of a Footballing Legend, Robson Books, London 1997, ISBN 1-86105-083-6
- Michael John & Dietrich Schulze-Marmeling, "Hauts die Juden". Antisemitismus im europäischen Fußball. In: Dietmar Beiersdorfer e.a., Fußball und Rassismus, S. 133-160, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1993, ISBN 3-923478-73-9
- Jenö Csaknady, Die Béla Guttmann Story. Hinter den Kulissen des Weltfußballs, Bintz-Dohany, Offenbach/M. 1964, ohne ISBN
[Bearbeiten] Weblinks
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Personendaten | |
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NAME | Guttmann, Béla |
KURZBESCHREIBUNG | ungarischer Fussballtrainer |
GEBURTSDATUM | 27. Januar 1899 |
GEBURTSORT | Budapest |
STERBEDATUM | 28. August 1981 |
STERBEORT | Wien |