Banu Nadir
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Die Banū Naḍīr Banu n-nadir / بنو النضير / banū ʾn-naḍīr waren einer der drei jüdischen Stämme in Yathrib, also dem vorislamischen Medina.
Die zwei anderen Stämme in dieser Stadt hießen Banu Quraiza und Banu Qainuqa. Die Banu Nadir und die Banu Quraiza nannten sich kāhinan (siehe Kohen), was auf ihre priesterliche Abkunft hindeutet. Ihre Herkunft ist nicht eindeutig gesichert. Eine Mehrzahl von Gelehrten ist der Meinung, sie seien nach der jüdischen Rebellion gegen Rom im Jahre 70 nach Yathrib gezogen; andere vertreten die Ansicht, sie seien ein arabischer Stamm von Proselyten gewesen.
Die Banū Naḍīr trugen arabische Namen, sprachen ihren eigenen arabischen Dialekt und waren im Handel und der Dattelaufzucht beschäftigt. Ihr Bündnisvertrag mit dem arabischen Stamm der Banu Aus von Medina reichte in die vorislamische Zeit zurück und wurde durch Mohammed in der sogenannten Verfassung von Medina bestätigt.
Allerdings kam Mohammed später zu der Überzeugung, dass die Banū n-Nadir ihm feindlich gesonnen seien und ihn ermorden wollten. Mohammed wollte, dass sich die Nadir am Begleichen einer Blutschuld beteiligten (sein Gefährte Umayya brachte zwei schlafende Amir um, die ein Schutzversprechen von Mohammed hatten), obwohl die Nadir Bundesgenossen der Amir waren. Mohammed berichtete, er habe eine Botschaft „vom Himmel“ bekommen, dass die Nadir ihn während der Verhandlungen um die Blutschuld umbringen wollten. Daraufhin zogen die Muslime gegen die Nadir in den Krieg. 625, nach dem Kampf von Uhud und 3 Jahre vor dem Massaker an den Quraiza, befahl er ihnen durch Mohammed bin Maslama, innerhalb von zehn Tagen die Stadt zu verlassen, wobei er ihnen gestattete, bewegliche Güter mitzunehmen und einmal im Jahr zurückzukehren, um ihre Palmhaine abzuernten.
Die Banū n-Nadir willigten zunächst ein, beschlossen sodann aber unter ihrem Stammesoberhaupt Huyayy ibn Akhtab in ihren Festungen bei Medina doch Widerstand zu leisten. Nach etwa zweiwöchiger Belagerung, als die Anhänger Mohammeds begannen, die Palmenhaine zu zerstören - ein in der späteren islamischen Jurisprudenz (Fiqh) kontrovers diskutierter Präzedenzfall - ergaben sich die Banū n-Nadir. Daraufhin befahl ihnen Mohammed die Stadt zu verlassen und nur mitzunehmen, was sie auf 600 Kamelen transportieren konnten. Einige Familien zogen nach Syrien, andere ließen sich bei ihren Glaubensbrüdern in Chaibar nieder. Das Exil der Banū n-Nadir wurde in der arabischen Poesie behandelt und ist auch das Thema der 59. Sure.
Während der sechstägigen Belagerung offenbarte Mohammed das Weinverbot im Islam. Nur zwei Männer der Nadir wurden Muslime.
628 wurden die Banu n-Nadir bei Chaibar (siehe: Zug nach Chaibar) endgültig besiegt und ihre Besitztümer unter den Muslimen aufgeteilt. Mohammed nahm Safiyya, die Tochter des Huyayy ibn Akhtab, als Beute, ließ ihren Mann töten und heiratete sie, nachdem er sie als Sklavin angeblich freiließ.
[Bearbeiten] Literatur
- Encyclopaedia Judaica, Artikel "Naḍīr". Band 12, S. 754-755.
- Michael Lecker: Muhammad at Medina: a geographical approach. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 6 (1985), 29-62
- Marco Schöller: In welchem Jahr wurden die Banū L-Nadīr aus Medina vertrieben? Eine Untersuchung zur 'kanonischen' Sîra-Chronologie. In: Der Islam 73 (1996), 1-39
- Marco Schöller: Die Palmen (līna) der Banū n-Nadīr und die Interpretation von Koran 59:5. Eine Untersuchung zur Bedeutung des koranischen Wortlauts in den ersten Jahrhunderten islamischer Gelehrsamkeit. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) 146 (1996), 317-380
- Arent Jan Wensinck: Muhammad and the Jews of Medina. (Übersetzung von W. Behn), Freiburg im Breisgau 1975 ISBN 3-9800467-4-5
[Bearbeiten] Islamische Quellen
- Ibn Ishaq, Gernot Rotter (Übersetzer): Das Leben des Propheten. As-Sira An-Nabawiya. Spohr, Kandern im Schwarzwald 1999, ISBN 3-927606-22-7