Banu Quraiza
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Die Banū Quraiẓa (arabisch: بنو قريظة auch Banu Qurayza, Banu Quraziyah, Banu Kuraiza, Banu Koraisa, Banu Quraytha, Banu Koreiza, Banu Quraiza), waren zur Zeit Mohammeds, zusammen mit den Banū Qainuqāʿ und den Banū ʾl-Naḍīr, einer der drei einflussreichsten jüdischen Stämme von Yathrib (heute Medina). Wie die Banū ʾl-Naḍīr besaßen die Banū Quraiẓa die landwirtschaftlich ergiebigsten Teile der Oase (vor allem Dattelpalmen) und hatten damit, aber auch durch Geldverleih, ihr Einkommen gesichert. Alle Männer der Banū Quraiẓa wurden 627 von Muslimen unter dem Oberbefehl Mohammeds ausgerottet. Frauen und Kinder wurden versklavt. Überliefert wurden diese Ereignisse in der Prophetenbiographie des Ibn Ishaq und in Hadithen und sind somit nur aus rein islamischer Sicht vorhanden und vermutlich ideologisch gefärbt. Im Koran behandelt die Sure 22 Vers 22 bis 27 die Banū Quraiẓa.
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[Bearbeiten] Herkunft der Banū Quraiẓa
Die Banū Quraiẓa und die Banū ʾl-Naḍīr nannten sich kāhinan (siehe Kohen), was auf ihre priesterliche Abkunft hindeutet. Ihre Herkunft ist nicht eindeutig gesichert. Eine Mehrzahl von Gelehrten ist der Meinung, sie seien nach der jüdischen Rebellion gegen Rom im Jahre 70 nach Yathrib gezogen; andere vertreten die Ansicht, sie seien ein arabischer Stamm von Proselyten gewesen. Vermutlich wanderten dann im fünften Jahrhundert die arabischen Stämme Banu Khazradj und Banu Aus nach Yathrib ein, wo sie zunächst den dort schon lebenden Juden unterworfen waren. Die Araber konnten jedoch die alteingesessene jüdische Bevölkerung in Abhängigkeit bringen und wurden Herren der Stadt.
[Bearbeiten] Situation vor und in der ersten Zeit nach der Ankunft Mohammeds
Unmittelbar vor der Hidschra gab es in der Umgebung Yathribs eine generationenlange Fehde mit jüdischen und arabischen Stammesgruppen auf beiden Seiten, die zu einer allgemeinen Erschöpfung führte. Die Banū Quraiẓa waren dabei, wie der ihnen freundschaftlich verbundene jüdische Stamm der Banū ʾl-Naḍīr, mit dem Stamm der Aus (und deren Unterstämmen), einem der beiden mächtigsten Stämme Yathribs verbündet, während der dritte jüdische Stamm, die Banū Qainuqāʿ, mit dem mächtigsten Stamm, den Khazradj (und deren Unterstämmen) verbündet war. Zur Zeit der Hidschra war nach längeren Kämpfen zwar eine gewisse Ruhe eingekehrt, die jedoch nur auf die gegenseitige Erschöpfung und nicht auf einen Friedensschluss gegründet war. Eine friedliche Lösung erhofften sich die Khazradj von der Vermittlung Mohammeds, welchen sie während der Wallfahrt bei Aqaba trafen. Ein Jahr später, während der ersten Huldigung von Aqaba, nahmen einige Khazradj den Islam an, während der zweiten Huldigung kamen noch viele Aus dazu und Mohammed wurde zusammen mit den in Mekka verfolgten frühen Muslimen nach Yathrib eingeladen. Er selbst musste aus Mekka fliehen, da er sich, weil er die Götter der Mekkaner verunglimpfte, mit dem Großteil der Bevölkerung dort zerstritten hat und seine Beschützer, Chadidscha und Abu Talib ibn Abdalmuttalib, kurz zuvor (619) starben. Das Ergebnis war tatsächlich ein Friedensschluss und ein Vertrag, der den Stadtstaat „Madinatun-Nabi“ als Föderation autonomer Stämme mit einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik begründete. Die arabischen Stämme nahmen dabei, so die islamischen Quellen, mehr oder weniger aufrichtig den Islam an, und die jüdischen Stämme behielten ihre gesellschaftliche und religiöse Identität und ihre interne Rechtsautonomie.
Mohammed und seine Muhâjirûn (mekkanische „Auswanderer“) beraubten sich, durch ihre Emigration aus Mekka, jeglicher Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes und waren deshalb auf die Hilfe der Ansâr (medinensische Anhänger, „Helfer“/„Unterstützer“) angewiesen. Da dies kein Dauerzustand sein konnte, organisierte der Prophet Kriegszüge, um die Karawanen, die mit Mekka Handel trieben, abzufangen (siehe Schlacht von Badr). Dieses verschlimmerte natürlich das Verhältnis mit den Quraisch und den anderen mekkanischen Stämmen
In diesem Gemisch von Muhâjirûn und Ansâr, Khazradj und Aus, Muslimen, Polytheisten und Juden, gab es nicht nur Gewinner des Friedensschlusses innerhalb Medinas (außerhalb herrschte Krieg). Muslimische Quellen berichten von den vielen Fehden im Madinatun-Nabi. Die Unzufriedenen (z.B. die Wa'il) paktierten bisweilen auch mit den äußeren Feinden.
[Bearbeiten] Die Grabenschlacht
Laut dem muslimischen Prophetenbiographen Ibn Ishaq zogen im Jahr 627 die Quraisch, einige arabische Stämme und einige Juden gegen die Muslime, die zuvor die Banū ʾl-Naḍīr vertrieben hatten und mehrere Feldzüge gegen die Quraisch führten. Als Mohammed von ihrer Absicht erfuhr, ließ er um Medina einen Graben anlegen. Während dieser Schlacht kam, wie Ishaq berichtet, „Der Gottesfeind“ Huyayy ibn Akhtab vom jüdischen Stamme Banū ʾl-Naḍīr zu Ka’b ibn Asad von den Banū Quraiẓa, der für seinen Stamm die Verträge schloss und mit dem Propheten ein Abkommen vereinbart hatte und überzeugte diesen, ihn, falls die Quraisch und ihre Verbündeten gegen Mohammed verlieren, in seine Burg aufzunehmen und mit ihm zusammen sein Schicksal zu erwarten. Laut Ishaq wurde somit die Abmachung mit dem Propheten gebrochen und das Versprechen, das sie verband, gelöst. Zudem sollen die Banū Quraiẓa auch gesagt haben, sie hätten keine Abmachung mit Mohammed. Ishaq berichtet weiter, dass Mohammed, nachdem viele Tage vergangen waren, Nu'aim ibn Masud vom Stamme der Ghatafan zu den Banū Quraiẓa, Quraisch und Ghatafan geschickt hat, um Zwietracht zu säen. Den Banū Quraiẓa erzählte er, sie sollen auf Geiseln der Quraisch und Ghatafan bestehen, welche um Unterschlupf bei ihnen bitten würden, da eiskalte Winde die Mekkaner heimsuchen und ihr Vieh verendet. Geiseln deshalb, weil die Banū Quraiẓa damit sicher sein könnten, dass der Krieg bis zum Ende geführt wird und die Quraisch und Ghatafan nicht vorzeitig abziehen und die Banū Quraiẓa mit Mohammed alleine lassen. Den Quraisch und Ghatafan berichtete Masud, dass die Banū Quraiẓa nur Geiseln wollten, um sie an Mohammed, mit dem sie sich nun verbündet hätten, auszuliefern, welcher ihnen dann die Köpfe abschlagen ließe. Über diesen Streit zogen sich die Quraisch und die Ghatafan zurück und die Grabenschlacht war beendet. Im Grabenkrieg starben 6 Muslime und 3 Angreifer.
[Bearbeiten] Der Angriff auf die Banū Quraiẓa
Ibn Ishaq berichtet hierzu, dass der Erzengel Gabriel Mohammed dazu aufforderte, die Banū Quraiẓa anzugreifen. Nach 25 Tagen Belagerung war die Lage für die Juden hoffnungslos und sie verlangten mit Abu Lubaba, einem Mitglied vom Stamme der Amr Ibn Auf, zu verhandeln. Sie fragten ihn, ob sie sich Mohammeds Urteil unterwerfen sollten und er antwortete mit „Ja“ und deutete dabei auf seine Kehle, womit er sagen wollte, dass sie niedergemetzelt würden. Abu Lubaba bereute später, dass er diesen Plan verraten hatte und ihm wurde verziehen. Die Banū Quraiẓa unterwarfen sich am nächsten Tag trotzdem dem Urteil Mohammeds. Die Aus wandten sich an Mohammed mit der Bitte, dass sie über das Schicksal ihrer ehemaligen Verbündeten bestimmen dürfen. Mohammed entsprach dieser und bestimmte Sa'd ibn Mu'adh, der im Grabenkrieg von einem Pfeil getroffen wurde, zum alleinigen Richter. Seine Stammesgenossen baten ihn, Milde walten zu lassen, „denn eben deswegen hat dich der Prophet mit dieser Entscheidung beauftragt“. Sa'd ibn Mu'adh entschied, dass „die Männer (jedes Kind mit Schamhaaren zählte als Mann) der Banū Quraiẓa getötet und die Kinder und Frauen gefangen genommen und ihr Besitz aufgeteilt wird“, und berief sich dabei darauf, im Sinne Allahs gehandelt zu haben (Mu'adh stirbt kurz darauf an seiner Wunde aus der Grabenschlacht). Mohammed, der den Oberbefehl innehatte, ließ beim Markt von Medina Gräben ausheben und die Männer der Banū Quraiẓa in diesen Gruppe um Gruppe enthaupten. Laut Ibn Ishaq fanden bei diesem Massaker um sechs- bis siebenhundert, vielleicht sogar acht- bis neunhundert Männer den Tod.
Mit der Vernichtung der Banū Quraiẓa sind auch die Angehörigen der arabischstämmigen Banu Kilab ibn 'Amir, die Verbündeten der Banū Quraiẓa, hingerichtet worden. Eine ihrer Frauen, al-Naschat (Variante: al-Schat) bint Rifa'a, hat Mohammed geheiratet, aber nach kurzer Zeit verstoßen. Während die Frauen und Kinder der Banū Quraiẓa versklavt werden durften, liegen keine Berichte darüber vor, dass al-Naschat bint Rifa'a ebenfalls Sklavin war. Man vermutet deshalb, dass Arabischstämmige zur Zeit des Propheten im allgemeinen nicht versklavt wurden.
In der zeitgenössischen Islamforschung wird indes der Versuch unternommen, dieses dunkle Kapitel in der medinensischen Zeit der Prophetie zu relativieren und die Glaubwürdigkeit der Informationen der muslimischen Historiographie anzuzweifeln[1]
[Bearbeiten] Verteilung der Beute
Mohammed verteilte laut Ibn Ishaq („Das Leben des Propheten“ S. 181) die Beute (Frauen und Kinder) folgendermaßen: Jeder Reiter erhielt drei Teile und jeder Unberittene einen Teil. Mohammed selbst bekam ein Fünftel der Beute zugewiesen. Die gefangenen Frauen und Kinder aus seinem Fünftel tauschte er gegen Waffen und Pferde ein. Eine der gefangenen Frauen, Raiyḥāna bint Amr, behielt Mohammed für sich.
[Bearbeiten] Sir William Muir über das Massaker
Sir William Muir beschreibt in „The Life of Mohammed“ die Szenerie folgendermaßen: „In der Nacht wurden quer über den Marktplatz der Stadt Gräben ausgehoben, groß genug, um die Leichen der Männer [des Stammes der Banū Quraiẓa] aufzunehmen. Am Morgen befahl Mohammed, der selber zu den Zuschauern der Tragödie gehörte, dass die männlichen Gefangenen in Gruppen von jeweils fünf oder sechs herbeigeführt werden sollten. Jede Gruppe hieß man dann in einer Reihe am Rande des Grabens niedersitzen, der bestimmt war, ihr Grab zu werden; dort wurden sie enthauptet und die Leichen hinabgestossen. Die Schlächterei, die am Morgen begonnen hatte, dauerte den ganzen Tag und wurde bei Fackelschein bis in den Abend hin fortgesetzt. Nachdem er so den Marktplatz mit dem Blut von sieben- oder achthundert Opfern getränkt und den Befehl erteilt hatte, die Erde über den Leichen zu glätten, ließ Mohammed das furchtbare Schauspiel hinter sich, um bei den Reizen Rihanas Trost zu finden, deren Ehemann und männliche Verwandte alle gerade in dem Massaker umgekommen waren.“
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ W.N. Arafat: New Light on the Story of Banū Quraiẓa and the Jews of Medina. In: Journal of the Royal Asiatic Society (1976). Arafats Ausführungen sind dann von Meir J. Kister (1986 - s. Literatur) widerlegt worden.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Islamische Quellen
- Ibn Ishaq, Gernot Rotter (Übersetzer): Das Leben des Propheten. As-Sira An-Nabawiya. Spohr, Kandern im Schwarzwald 1999, ISBN 3-927606-22-7
[Bearbeiten] Deutsch
- Lothar Rathmann: Geschichte der Araber - von den Anfängen bis zur Gegenwart. Band 1 - Voraussetzung, Blüte und Verfall des arabisch-islamischen Feudalreiches. Berlin 1975
[Bearbeiten] Englisch
- Muir, William. The Life of Mahomet and History of Islam. London, 1856-61. Online-Version (englisch)
- Guillaume, Alfred, trans. The Life of Muhammad: A translation of Ibn Ishaq's Sirat Rasul Allah. Oxford: Oxford UP, 1955 (Reprint 2004). ISBN 0196360331
[Bearbeiten] Fallstudien
- Kister, Meir J. Society and Religion from Djahiliyya to Islam. Aldershot: Variorum, 1990. ISBN 0860782778
- Kister, Meir J. The Massacre of the Banū Quraiẓa: A re-examination of a tradition. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 8 (1986): 61-96.
[Bearbeiten] Links
- Hadith aus Sahih Al-Buchari zur Vernichtung der Banū Quraiẓa(englisch)
- Hadith aus Sunan Abu Da'ud zur Vernichtung der Banū Quraiẓa(englisch)
- Hadith aus Muslim (englisch)
- Hadith aus Al-Buchari (englisch)
- Hadith aus Muslim (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Buchari (englisch)
- Hadith aus Muslim (englisch)
- Hadith aus Muslim (englisch)
- Hadith aus Muslim (englisch)
- Hadith aus Sunan Abu Da'ud (englisch)