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Blackbox (Online-Community)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Blackbox ist eine 1992 als Wiener Mailbox für Politik und Jugendkultur gegründete Online-Community, die sich während der ersten zwei Jahre ihres Bestehens als größte und medienpräsenteste virtuelle Gemeinschaft Österreichs etablierte und diese Stellung etwa drei Jahre lang halten konnte. Am Höhepunkt ihres Erfolgs gegen Ende 1997 hatte die Blackbox um die viertausend aktive User und galt als wesentlicher Baustein der österreichischen Zivilgesellschaft; anders als die meisten damaligen Mailboxen und das damalige Internet wurde sie nicht von stereotypischen Technikspezialisten dominiert, sondern wies einen hohen Anteil an Schülern, Studenten sozialwissenschaftlicher und anderer nichttechnischer Fächer, Kulturschaffenden, Publizisten und Politaktivisten auf.

Die Blackbox verlor ihre Bedeutung im Lauf der folgenden beiden Jahre wieder und wurde in ihrer ursprünglichen Form Ende 1999 stillgelegt; ihr 1998 eingerichtetes Webmail- und Webforen-Angebot existiert trotz geringer gewordenem Bekanntheitsgrad bis heute.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Gründung als Mailbox

Die Blackbox entstand in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1992 als Mailbox für Politik und Jugendkultur im Nahbereich der Sozialistischen Jugend, einer Vorfeldorganisation der in Wien regierenden Sozialdemokratische Partei Österreichs. Die je nach Quelle drei oder vier unmittelbaren Gründer der Blackbox hatten sich jeder bereits mehrere Jahre lang in der Sozialistischen Jugend engagiert. Der Mitinitiator und spätere Abgeordnete zum Nationalrat Kai Jan Krainer zum Beispiel war Wiener Landessekretär der Organisation, der Hauptinitiator Michael Eisenriegler ein ehemaliger Pressesprecher. Eisenriegler war als Student der Publizistik an der Universität Wien darüber hinaus auch im Verband Sozialistischer StudentInnen aktiv. Den Betreibern gelang es, ihre entsprechenden Beziehungen in Subventionen, öffentliche Aufträge und vor allem kostenlose Promotion durch die Stadt und das Unterrichtsministerium umsetzen. Unter anderem war die Blackbox mehrere Jahre lang das offizielle virtuelle Forum aller öffentlichen Schulen der Stadt; am 6. Dezember 1995 wurde sie im Rahmen einer Gala im Wiener Messepalast unter der Bezeichnung "Digitale Stadt Wien" sogar zum offiziellen virtuellen Forum der Stadt als solcher erklärt.

Die Blackbox wurde aufgrund derartiger Förderung rasch weit über den Kreis klassischen Mailboxpublikums hinaus bekannt. Sie verfügte außerdem über die Mittel, die so entstehende Nachfrage auch zu bedienen und ihre Expansionsschritte relativ langfristig planen zu können.

[Bearbeiten] Erfolgsjahre

Obwohl die Mailboxszene aufgrund der charakteristischen Inselhaftigkeit ihrer einzelnen Knoten und der unzureichenden Erweiterbarkeit ihrer monolithischen Softwareplattformen 1992 eigentlich bereits im Begriff war, vom kulturell wie technologisch offeneren Internet verdrängt zu werden, erzielte die Blackbox fast fünf Jahre lang kontinuierliches Wachstum. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg leistete das für die Blackbox eingesetzte Mailboxsystem "FirstClass", das nicht nur ausgereifte und effiziente Approximationen von E-Mail, Usenet und IRC vereinigte, sondern gleichzeitig auch wesentlich einfacher zu installieren und zu bedienen war als damals verbreitete Software zur Kommunikation über die entsprechenden Originalprotokolle.

Ein weiterer Faktor war, dass die Blackbox ab 1994 Gateways zu verschiedenen anderen österreichischen Mailboxen, zu Mailboxen in Berlin, Brüssel und Budapest sowie zu Teilen des Usenet finanzieren konnte; sie schuf damit eine Art regionales Parallelinternet, durch das sich die technologieinheränte Isolation ihrer Community relativ lange kaschieren ließ. Ein nicht zu vernachlässigender dritter Faktor für den Erfolg der Blackbox war eine nur für Erwachsene zugängliche Forengruppe namens "Intimzone", die unter anderem eine durch die Betreiber sanktionierte und mitverwaltete Pornosammlung von in der Geschichte der Jugendmailboxen vermutlich einzigartigem Umfang enthielt.

Gegen Ende 1997 verzeichnete die Blackbox etwa viertausend mehr oder weniger regelmäßige Besucher bei insgesamt über siebentausend Besuchern pro Quartal. Die Blackbox war damit ausgerechnet in dem halben Jahrzehnt, in dem Mailboxen weitgehend zum Anachronismus wurden, zu einem der größten und medienpräsentesten derartigen Systeme der Technikgeschichte gewachsen. Die Blackbox diente nicht nur als digitale Heimat verschiedener Kulturinitiativen und anderer NGOs, sondern auch als Plattform für die ersten Online-Präsenzen des Standard, verschiedener Studentenfraktionen und vierer der fünf damaligen österreichischen Parlamentsparteien. Vor allem die Junge Volkspartei, die Wiener Grünen und der unter Grünen und linken Sozialdemokraten populäre Bundesminister Caspar Einem nutzen die Blackbox intensiv als Diskussionsforum, die Grünen auch zur Kommunikation untereinander.

Namhafte Politiker und Medienpersönlichkeiten ließen sich im Rahmen sogenannter „Promichats“ von der Community interviewen, neben EU-Kommissar Franz Fischler unter anderem Bundeskanzler Viktor Klima, der Generalindendant des ORF Gerhard Zeiler, der Wirtschaftskapitän Hansjörg Tengg, die Künstler Alfred Dorfer und Hermes Phettberg, der Präsident des Wiener Jugendgerichtshofes Udo Jesionek und Geistliche wie etwa der der kontroversielle Bischof Kurt Krenn, außerdem verschiedene Bundesminister, Bundesgeschäftsführer und Spitzenkandidaten politischer Parteien, Stadträte, leitende Beamte, Herausgeber, Chefredakteure und Kolumnisten. Eine Mitarbeiterin einer inzwischen eingestellten Lifestyle-Zeitschrift stellte sich einige Zeit lang sogar als blackboxeigene Kummerkastentante für Beziehungsangelegenheiten zur Verfügung.

[Bearbeiten] Kultur

Zur Zeit der Gründung der Blackbox verfügten in Österreich praktisch nur Universitätsangehörige über Zugang zu Usenet oder Internet; die Mailboxszene beschränkte sich auf noch weniger Menschen. Selbst Anfang 1997 waren erst weniger als fünf Prozent der Österreicher online. Die Blackbox konnte sich als Teil einer kulturellen Avantgarde fühlen und entwickelte ein entsprechendes Zusammengehörigkeitsgefühl auch über politische und persönliche Differenzen hinweg. Das Gemeinschaftsleben war ausgesprochen intensiv. Zu den wöchentlich stattfindenden offiziellen Usertreffen ebenso wie zu spontanen privaten Zusammenkünften etwa konnten Mitte der Neunziger ohne weiteres mehrere Dutzend Besucher erscheinen; an der vom öffentlich-rechtlichen Jugendsender FM4 beworbenen Feier anlässlich des fünften Geburtstags der Blackbox am 20. November 1997 nahmen mehrere hundert Gratulanten teil.

Während Usenet und Internet in den frühen und mittleren Neunzigern von angehenden oder praktizierenden Technikern und Naturwissenschaftern dominiert wurden und Mailboxen überhaupt fast nur Computerinteressierte anzogen, wies die Blackbox einen von Anfang an sehr hohen Anteil eher technikferner Benutzer auf. Einerseits gewann sie, wie von ihren Gründern geplant, Schüler und Studenten sozialwissenschaftlicher und anderer nichttechnischer Studienrichtungen für sich, andererseits wurde sie auch von älteren Menschen verschiedenster Professionen frequentiert, darunter Künstler, Kulturschaffende, Publizisten und Politiker; auch einige neophile Pensionisten konnte die Blackbox für sich interessieren. Ihr Frauenanteil war für damalige Verhältnisse bemerkenswert hoch. Die ungewöhnliche Zusammensetzung der Community und ihre Disjunktivität zum Rest des damals gerne so genannten Cyberspace führten gemeinsam mit technischen Spezifika der Plattform zur Entwicklung einer eigenen Netzkultur, deren Jargon und Umgangsformen sich von der anderer Mailboxen oder des Usenets deutlich unterschied.

Zwei der Besonderheiten der Blackbox waren ihr hoher Anteil an Sockenpuppen, im Blackbox-Jargon als "Fakes" bezeichnet, und die diesen gegenüber geübte freundliche Toleranz. Die formal als Verein organisierte Blackbox machte uneingeschränkten Zugang von einem Beitritt als außerordentliches Mitglied und der Bezahlung eines damit Beitrags von etwa 800 Schilling pro Jahr abhängig; Accounts von Nichtmitgliedern unterlagen neben anderen Einschränkungen einer Begrenzung ihrer Onlinezeit auf 45 Minuten pro Tag. Intensivnutzer umgingen diese Begrenzung durch das Anlegen von Zusatzaccounts.

Es war allgemein bekannt, dass einkommensschwache junge Enthusiasten sich zum Unterhalten von fünf oder mehr Fakes und zum dementsprechenden Posten unter fünf oder mehr Namen gezwungen sehen konnten; die damit einhergehende relative Toleranz gegenüber Fakes ließ mit der Zeit Fakerei auch aus anderen Gründen um sich greifen. Schließlich diskutierten selbst Administratoren unter alternativen Identitäten.

Aus dem Wunsch nach mehr Vereinsbeitritten heraus und weil die Blackbox theoretisch von jedem User verlangte, unter seinem Realnamen aufzutreten, sahen sich die Administratoren zum Löschen zumindest der offensichtlichen Fakes gezwungen; die User registrierten daher entweder Freunde und Familienmitglieder oder auch einfach beliebige Namen aus dem Telefonbuch. Die nicht weniger als zehn aktiven Fakes des populären Blackboxers Huda M. oder die Auftritte der gleichermaßen nymphomanen wie leider sehr elusiven Schülerin „Tamara Hoffmann“ zählen für viele Veteranen zu den liebstgewonnen Anekdoten.

[Bearbeiten] Kontroversen

[Bearbeiten] Außenwirkung

Das Elitebewusstsein der Blackbox sorgte für teilweise spannungsbehaftete Aussenbeziehungen. Der Philosoph und politische Theoretiker Oliver Marchart etwa störte sich an der von ihm gefühlten Dissonanz zwischen der Selbstdarstellung der Blackbox als nichtkommerzielles Idealistenprojekt und dem Auftreten ihrer Betreiber als wohlhabende Erfolgsunternehmer. Er bezeichnete die Betreiber als „SJ-uppies“ und „Datenschnösel“ und warf ihnen vor, „großkotzige Operettenfeiern mit Sekt, Kaviarbrötchen, Paella-Buffet und was weiß ich“ zu veranstalten und sich als Teil der Wiener „Schickeria“ zu gerieren, während Initiatoren vergleichbarer Projekte damit zufrieden seien, ehrenamtlich und „auf reiner Freak-Basis“ zu arbeiten. Die Blackbox wurde wiederholt Ziel derartiger Kritik, wenn auch meist weniger polemisch formulierter.

Besonders gespannt war das Verhältnis der Blackbox zur österreichischen Usenet-Gemeinde. Die Blackbox betrachtete sich selbst als älteste Online-Community Österreichs oder überhaupt Europas, beanspruchte neben der historischen auch kulturelle Präzedenz und sah das österreichische Usenet insgesamt als eine Art Fortsatz ihrer selbst; sie ging dabei so weit, zufällige und nichts von der Existenz der Blackbox ahnende Usenet-Teilnehmer als Blackbox-User zu bezeichnen. Das Usenet bestand darauf, sich als dezentral und die Blackbox als einen Zugangsanbieter unter vielen zu sehen.

In einer Abstimmung 1999 sprach sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, die bis dahin tolerierten blackboxgewidmeten Newsgroups abzuschaffen und die nicht zum Führen der regulären Gruppen bereite Blackbox damit im Wesentlichen abzuschneiden.

[Bearbeiten] Prozess

Anfang 1997 musste die Blackbox sich als Beklagte vor Gericht verantworten. Der für seine scharf formulierte Kritik liberaler und konservativer Weltanschauung bekannte Blackboxer Tom Kalkus hatte Mitarbeiter der Jungen Volkspartei in deren Diskussionsforum mit Wendungen wie „austrofaschistische Rotzlöffel“ und „reaktionäre Brut“ bedacht. Die Adressaten fühlten sich dadurch rechtswidrig in ihrer Ehre verletzt und strengten ein Verfahren sowohl gegen Kalkus selbst als auch gegen die Blackbox an; der Rechtsauffassung der Jungen Volkspartei nach war die Blackbox ein Medium im Sinne des Mediengesetzes, ihre Eigentümer daher für die von die von ihr transportierten Inhalte mitverantwortlich und den einschlägigen Bestimmungen zufolge haftbar zu machen. Das damals geltende Mediengesetz stammte im Wesentlichen aus dem Jahr 1981 und war auf digitale Diskussionsforen nicht vorbereitet. Auch einschlägige Judikatur existierte noch nicht; der Prozess gegen die Blackbox war in Österreich der buchstäblich erste seiner Art. Die Klage stieß auf breite öffentliche Ablehnung; neben mehreren bekannten Exponenten der Netzkultur stellte sich vor allem der Grüne Abgeordnete zum Wiener Landtag Peter Pilz auf die Seite der Beklagten.

Ein erster Verhandlungstermin am 25. Februar 1997 ergab, dass das Wiener Landesgericht für Strafsachen der Ansicht war, es würde sein Urteil auf Analogiebildung stützen müssen. Das Gericht deutete weiter an, dass es die Blackbox wahrscheinlich als Medium einschätzen werde, eine Verurteilung ihrer Betreiber allerdings trotzdem nicht als Selbstverständlichkeit sah. Der Prozess wurde vertagt und endete schließlich durch Vergleich. Die Grundsatzfrage wurde bis zur Novellierung des Mediengesetzes im Jahre 2005, die sie schließlich gegenstandslos machte, nicht ausjudiziert.

[Bearbeiten] Übersiedlung ins Internet

Zwischen 1994 und 1998 wurde die Blackbox von DatenWerk Kommunikationsges.m.b.H. im Auftrag des Vereins betrieben. In den Jahren 1998 bis 2001 übernahm die Firma MediaClan den Betrieb des Systems. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Internet bzw. das Web schon große Verbreitung gefunden, was zu mehr Konkurrenz und damit zu einem Rückgang der Aktivitäten in der Community führte.

Parallel entwickelte MediaClan ab 1998 eine, auf offenen Standards basierende, Browser-basierende Plattform für die Blackbox, die den Namen blackbox.net erhielt. Die neue Plattform ging im Herbst 1998 online, beide Systeme wurden gleichzeitig weiter betrieben.

Zum Jahreswechsel 1999/2000 wurde die FirstClass-basierte Version der Community abgeschaltet, fortan exisitierte die Blackbox nur noch in der Webversion.

2001 entschloss sich die Firma MediaClan, die von ihr programmierte Software als Open Source Software freizugeben und die Online Community an ihre User zu übergeben.

Am 1. Juli 2001 übernahmen einige engagierte UserInnen in Form des wiedergegründeten Vereins Black Box Systems den Betrieb bzw. die Weiterentwicklung des Systems. Seither finanziert sich der Betrieb ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen.

[Bearbeiten] Verein und Vorstand

Black*Box*Systems, der Verein zur Förderung computergestützter Telekommunikationssysteme ist ein gemeinnütziger Verein, der sich dem Betrieb, der Betreuung und der Weiterentwicklung der Blackbox und ihrer Community widmet. Dies ist sowohl im technischen als auch organisatorischen Sinne zu verstehen. Sämtliche Proponenten arbeiten ehrenamtlich und unentgeltlich.

Die Mitglieder des Vereins, die einen jährlichen Betrag für Ihre Mitgliedschaft leisten und dafür gegenüber herkömmlichen Usern bestimmte Vorteile genießen (es gibt einige Zusatzfeatures), haben das Recht auf Mitbestimmung über die Zukunft des Vereines.

Der Vorstand besteht - Stand November 2006 - aus folgenden ProponentInnen:

  • Präsident: Franz-Peter Leitgeb
  • 1. Vizepräsidentin u. Stv. d. Kassiers: Brigitte Grohmann
  • 2. Vizepräsident u. Stv. d. Schriftführers: Stefan Mackovik
  • 3. Vizepräsident u. Kassier: Harald S. Frassine
  • 4. Vizepräsident u. Schriftführer: Harald Havas

[Bearbeiten] Status & Zukunft

Bis zum Jahr 2003/2004 konnte im wesentlichen nur eine Aufrechterhaltung des Status Quo, also des ungestörten Betriebes erreicht werden, eine Weiterentwicklung scheiterte bis dahin an mangelnden personellen Ressourcen.

Im Jahr 2005 fanden substantielle Weiterentwicklungen im Backendbereich statt. Ende 2005 wurde das "Projekt cubic" zur Neuentwicklung der Blackbox gestartet, da eine Weiterentwicklung auf Basis der alten Technologien nicht mehr zielführend und zu aufwändig schien.

[Bearbeiten] Technik

Die heute existente Blackbox-Software genannt Netbox läuft auf einer Standard-Linux-Installation und basiert im Wesentlichen auf einem Apache-Webserver, einer MySQL-Datenbank und zahlreichen CGI-Scripten, hauptsächlich in C und Perl verfasst. Das System bietet neben dem Zugang via Webbrowser POP3, SMTP, NNTP und IRC. Zukünftig ist der Einsatz von PHP geplant.

[Bearbeiten] Weblinks

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