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Claude Simon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Claude Simon (* 10. Oktober 1913 in Tananarive, Madagaskar; † 6. Juli 2005 in Paris) war ein französischer Schriftsteller. Er erhielt 1985 den Nobelpreis für Literatur.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Simon wird auf Madagaskar, damals französische Kolonie, als Sohn eines dort stationierten Offiziers der Marineinfanterie geboren. 1914 kehrt die Familie nach Frankreich zurück, der Vater fällt zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Flandern. Claude Simon wächst bei Perpignan auf, der Heimat seiner Mutter.

Als 1924 auch die Mutter stirbt, wird einer ihrer Vettern, ein Kavallerieoffizier im Ruhestand, Vormund des Elfjährigen. Er kommt auf ein Internat in Paris. Nach Beendigung der Schule besucht Simon Kurse für Malerei. 1934/35 leistet er Militärdienst bei der Kavallerie. Nach seiner Entlassung vom Militär erhält er durch einen Freund einen Mitgliedsausweis der Kommunistischen Partei Frankreichs. Er reist damit nach Barcelona ins Hauptquartier der republikanischen Seite im Spanischen Bürgerkrieg (wird später Thema seines Romans Le Palace), kehrt aber nach zwei Wochen nach Frankreich zurück, weil er keine sinnvolle Aufgabe für sich sieht. In Frankreich gehört er zu einer Gruppe, die einen Waffentransport als Nachschub für die Republikaner organisiert. 1937 begibt er sich auf eine große Europareise (Berlin, Warschau, Sowjetunion, Istanbul, Griechenland, Norditalien). Er unternimmt erste, von ihm als unbedeutend eingestufte literarische Versuche.

Angesichts des heraufziehenden Zweiten Weltkriegs wird Simon Ende August 1939 wieder zur Armee in seine alte Kavallerieeinheit eingezogen. Im folgenden kommt es zum Einsatz: seine Schwadron wird in Belgien aufgerieben, er selbst gefangen genommen und in ein Kriegsgefangenenlager nach Mühlberg/Elbe deportiert. Diese extreme Erfahrung des Krieges wird er später in verschiedenen Romanen verarbeiten (La Route des Flandres, Les Géorgiques, L'Acacia). Im Oktober kann er bei einem Arbeitseinsatz aus der Kriegsgefangenschaft fliehen. Es gelingt ihm, nach Perpignan zu gelangen, das im von Deutschen unbesetzten Teil Frankreichs liegt. Als die Behörden der Vichy-Regierung auf ihn aufmerksam werden, begibt er sich 1944 nach Paris, um einer Verhaftung zu entgehen.

In dieser Zeit entsteht auch sein erster Roman Le Tricheur (Der Betrüger), der 1945 veröffentlicht wird und genauso unbeachtet bleibt wie drei folgenden, die bis Mitte der 1950er Jahre entstehen. 1956 lernt er Alain Robbe-Grillet kennen, der für den Verlag Editions de Minuit arbeitet und ihm vorschlägt, dort zu veröffentlichen. Der Verlag ist die Keimzelle einer literarischen Bewegung, die dann als Nouveau Roman bekannt wird. In der Folgezeit steigt seine Bekanntheit und sein künstlerische Anerkennung, seine Texte werden nun auch in andere Sprachen übersetzt. 1961 erhält er für La Route des Flandres den Preis der Zeitschrift L'Express, 1967 den Prix Médicis für Histoire. 1985 wird ihm zur Überraschung weiter Teile der Fachwelt und Öffentlichkeit der Nobelpreis verliehen. Claude Simon stirbt am 6. Juli 2005 in Paris.

[Bearbeiten] Simons Literatur

Simons literarisches Werk besteht hauptsächlich aus Romanen. Als Teil der literarischen Bewegung des Nouveau roman weichen seine Werke deutlich von den klassischen Beispielen dieser Gattung aus dem 19. Jahrhundert ab, typisch ist z. B. das Fehlen eines Allwissenden Erzählers, der den Leser durch eine spannende oder zumindest interessante Geschichte mit einer chronologischen, durchgehenden Handlung führt. Auch der Erzähler scheint keine tiefere Einsicht in das Geschehen zu besitzen, er beschränkt sich weitgehend auf äußerliche Beschreibung, ohne dass die Einzelheiten deutlich erkennbar in einen übergeordneten Handlungsstrang eingeordnet erscheinen. Eine psychologische Charakterisierung der Romanfiguren bzw. Erklärung ihrer Handlungen findet nicht statt, statt dessen erfährt man in umfangreichen Passagen aus Innerem Monolog und Erlebter Rede etwas über Gedanken und Motive einiger Protagonisten. Der Roman insgesamt ist aus einer Aneinanderreihung zahlreicher fragmentierter Handlungsstränge aufgebaut, die unvermittelt abbrechen (bisweilen mitten im Satz) und später im Text wieder aufgenommen werden können. Die Stränge sind inhaltlich durch ein dichtes Beziehungsgeflecht miteinander verbunden, ohne dass sich allerdings so etwas wie eine chronologische Handlung ergibt.

Wiederkehrende Themen in Simons Romanen sind Geschichte einschließlich der eigenen Familiengeschichte, Krieg und die darin gemachte Erfahrung von extremer Gewalt.

[Bearbeiten] Werke

  • La Corde Raide. Roman 1947 (deutsch Das Seil. 1964).
  • Le vent. Tentative de restitution d 'un rétable baroque. Roman 1957 (deutsch Der Wind. Versuch der Wiederherstellung eines barocken Altarbildes. 1959)
  • L'herbe. Roman 1958 (deutsch Das Gras. 1970)
  • La Route des Flandres. Roman 1959 (deutsch Die Straße in Flandern. 1960)
  • Le Palace. Roman 1962 (deutsch Der Palast. 1966)
  • Histoire. Roman 1967
  • La Bataille de Pharsale. Roman 1969 (deutsch Die Schlacht bei Pharsalos. 1972)
  • Les Corps conducteurs. Roman 1971 (deutsch Die Leitkörper. 1974)
  • Triptyque. Roman 1973 (deutsch Triptychon. 1986)
  • Leçon de choses. Roman 1974 (deutsch Anschauungsunterricht. 1986)
  • Les Géorgiques. Roman 1981 (deutsch Georgica. 1992)
  • L'invitation. ohne Gattungsbezeichnung 1987 (deutsch Die Einladung. 1988)
  • L'Acacia. Roman 1989 (deutsch Die Akazie. 1989)
  • Le Jardin des Plantes. Roman 1997 (deutsch Jardin des Plantes. 1998)
  • Le Tramway. Roman 2001 (deutsch Die Trambahn. 2002)

[Bearbeiten] Werkausgaben

  • Oeuvres (Auswahl aus dem Gesamtwerk). Hg. Alastair B. Duncan, Bibliothèque de la Pléiade vol.522, Paris 2006

[Bearbeiten] Literatur

  • Irene Albers: Photographische Momente bei Claude Simon. Königshausen u. Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2202-5 (= Epistemata; Reihe Literaturwissenschaft; 402)
  • Irene Albers und Wolfram Nitsch (Herausgeber): "Transports. Les métaphores de Claude Simon". Peter Lang, Frankfurt a.M. 2006,ISBN 3-631-54269-0
  • Elsbeth Bellina-Hennermann: Wandel und Kontinuität in Claude Simons Prosa am Beispiel der Romane Histoire, La bataille de Pharsale, Les corps conducteurs und Triptique. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1993, ISBN 3-631-46053-8 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 13; 183)
  • Claude Simon. Bilder des Erzählens. Heft Nr. 691 von: du. Die Zeitschrift für Kultur, Zürich Januar 1999, ISBN 3-908515-24-6
  • Beeke Dummer: Von der Narration zur Deskription. Generative Textkonstitution bei Jean Ricardou, Claude Simon und Philippe Sollers. Grüner, Amsterdam 1988 (= Bochumer Arbeiten zur Sprach- und Literaturwissenschaft)
  • Ilana Hammerman: Formen des Erzählens in der Prosa der Gegenwart. Am Beispiel von Philippe Sollers, Robert Pinget und Claude Simon. Klett-Cotta, Stuttgart 1979, ISBN 3-12-933210-3
  • Thomas Klinkert: Bewahren und Löschen. Zur Proust-Rezeption bei Samuel Beckett, Claude Simon und Thomas Bernhard. Narr, Tübingen 1996, ISBN 3-8233-4788-8 (= Romanica Monacensia; 48)
  • Till R. Kuhnle: Chronos und Thanatos. Zum Existentialismus des "nouveau romancier" Claude Simon. Niemeyer, Tübingen 1995, ISBN 3-484-55022-8 (= Mimesis; 22)
  • Wolfram Nitsch: Sprache und Gewalt bei Claude Simon. Interpretationen zu seinem Romanwerk der sechziger Jahre. Narr, Tübingen 1992, ISBN 3-8233-4306-8 (= Romanica Monacensia; 39)
  • Liisa Saariluoma: Der postindividualistische Roman. Königshausen u. Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-874-X
  • Dorothea Schmidt:Schreiben nach dem Krieg. Studien zur Poetik Claude Simons. Winter, Heidelberg 1997, ISBN 3-8253-0552-X (= Studia Romanica; 89)
  • Stefan Schreckenberg: Im Acker der Geschichten. Formen historischer Sinnstiftung in Claude Simons 'Les Géorgiques. Winter, Heidelberg 2003, ISBN 3-8253-1521-5 (= Neues Forum für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; 18)
  • Vera Szöllösi-Brenig: Die "Ermordung" des Existentialismus oder das letzte Engagement. Künstlerische Selbstfindung im Frühwerk von Claude Simon zwischen Sartre und Merleau-Ponty. Narr, Tübingen 1995, ISBN 3-8233-4786-1 (= Romanica Monacensia; 46)
  • Rolf Vollmann: Akazie und Orion. Streifzüge durch die Romanlandschaften Claude Simons. DuMont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7880-5
  • Barbara Vinken:„The Stained Paper: Claude Simon’s Leçon de choses“.- In: Yale French Studies, Sonderheft „The French Novel Today“ (1988), S. 35-45.
  • Barbara Vinken:„Makulatur oder Von der Schwierigkeit zu lesen: Claude Simon“.- In: Poetica 22 (1989), S. 403-428.


 

[Bearbeiten] Weblinks


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