Eisvogel
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Alcedo atthis | ||||||||||||
(Linneaus, 1758) |
Der Eisvogel (Alcedo atthis) ist die einzige in Mitteleuropa vorkommende Art aus der Vogelfamilie der Eisvögel (Alcedinidae). Er besiedelt weite Teile Europas, Asiens und das westliche Nordafrika und lebt an mäßig schnell fließenden oder stehenden, klaren Gewässern mit Kleinfischbestand und Sitzwarten. Seine Nahrung setzt sich aus Fischen, Wasserinsekten und deren Larven, Kleinkrebsen und Kaulquappen zusammen. Der Bestand hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen; die Art ist zur Zeit wenig bedroht.
Inhaltsverzeichnis |
Beschreibung
Der Eisvögel hat wie alle Vertreter der Gattung einen kurzen und gedrungenen Körper mit kurzen Beinen, kurze Schwanzfedern und breite Flügel. Der große Kopf mit einen etwa 4 cm langen, spitzen Schnabel sitzt an einem kurzen Hals. Eisvögel haben ein Körperlänge von etwa 16 bis 18 cm und wiegen 35 g bis 40 g. Die Flügelspannweite beträgt etwa 25 cm.
Oberkopf, Flügeldecken, Schultern und Schwanzfedern sind dunkel blaugrün bis grünblau gefärbt, wobei sich an den Kopffedern azurblaue Querbänder und an den Flügeldecken azurblaue Spitzen befinden. Der Rückenstreifen ist leuchtend türkisblau. Bis auf die weiße Kehle ist die Unterseite beim Altvogel rostrot bis kastanienbraun gefärbt. Die Kopfzeichnung ist durch rotbraune Ohrdecken, scharf abgesetzte weiße Halsseitenflecken und einen blaugrünen oder blauen Bartstreif charakterisiert. Auf der Stirn befindet sich vor jedem Auge ein kastanienbrauner Fleck, der von vorn gesehen weiß erscheint. Zur Brutzeit sind die Füße orangerot.
Das Männchen hat einen schwarzen Schnabel, der an der Unterseite leicht aufgehellt sein kann. Das Weibchen zeigt einen orangefarbenen Unterschnabel, dessen Färbung sich mindestens von der Basis bis zum vorderen Drittel erstreckt. Bei Männchen hat das Gefieder der Oberseite meist einen blauen Grundton mit großen und zahlreichen azurblauen Flecken auf dem Oberkopf, das Weibchen ist oberseits eher blaugrün gefärbt.
Die Jungvögel haben oberseits dunkelbraun gefärbte Füße. Das Gefieder ist matter und die Oberseite grünlicher als bei Altvögeln. Die Brustfedern haben fast immer grünliche oder graue Spitzen. Der Schnabel ist ziemlich kurz und schwarz und zeigt einen hellen Fleck an der Spitze.
Von Ende August bis Mitte November werden in der Mauser die Schwungfedern abschnittsweise in einer fest gelegten Reihenfolge gewechselt. In Mitteleuropa werden in dieser Zeit meist nur drei Viertel aller Federn erneuert, so dass die Mauser im darauf folgenden Sommer fortgesetzt wird. Bei diesjährigen Jungvögeln werden in der Jugendmauser das Kleingefieder und manchmal auch die Schwanzfedern gewechselt.
Stimme
Der kurze, scharfe Ruf des Eisvogels klingt wie „tiht“ oder „ti-it“, das bei Erregung zu „tih-tih“ oder „tit-tit-tit“ abgewandelt wird.
Bei Erregung klingen die Rufe fast stimmlos „krrikrrtkrrt“. Zur Balz sind Eisvögel besonders ruffreudig und wandeln ihre Rufe geringfügig ab. Das klingt wie „tiet-tiet“, „tit-tieh“, „tjii-tit-tit“ oder ähnlich. Entgegen falschen Beschreibungen tragen Eisvögel keinen Gesang mit verschiedenen Rufen, Pfiffen und Rollern vor.
Die Bettelrufe der Jungen bestehen aus einem durchdringenden, lang andauernden „rrüerrüerrüe“. Ein Altvogel mit Futter meldet sich am Höhleneingang manchmal mit einem rauen „kreh“. Zur Verständigung mit den flüggen Jungen verwenden Eisvögel Frage-Antwort-Rufe. Altvögel kündigen sich mit einem kurzen „tieht“ an und Jungvögel antworten mit „tschik“.
Verbreitung und Lebensraum
Der Eisvogel besiedelt weite Teile Europas, Asiens und das westliche Nordafrika. Nicht besiedelt sind Island, Nordschottland, Nordskandinavien und Sibirien sowie die Hochgebirge und die Wüsten, da er auch im Winter offenes Süßwasser braucht. Isolierte Populationen finden sich im östlichen Indonesien und in Melanesien. Während der Eisvogel in West- und Mitteleuropa mit wenigen Ausnahmen Standvogel ist, lebt er in Osteuropa und Zentralasien von West nach Ost zunehmend als Zugvogel. Die Überwinterung ist jedoch noch nicht hinreichend erforscht.
Der Eisvogel lebt an mäßig schnell fließenden oder stehenden, klaren Gewässern mit Kleinfischbestand und Sitzwarten. Diese sollten möglichst von Gehölzen gesäumt sein. Es werden Flüsse, Bäche, Seen und auch vom Menschen geschaffene Gewässer wie Altwässer, Tümpel, Gräben, Kanäle, Teichanlagen, Talsperren und Abgrabungen genutzt. Als Brutplätze dienen Steilufer oder große Wurzelteller umgestürzter Bäume mit dicker Erdschicht. Auch vom Menschen geschaffene Hohlwege und Gruben werden genutzt. Außerhalb der Brutzeit kann er sich sogar am Meer aufhalten.
Systematik
Externe Systematik
Die Phylogenie der Familie der Eisvögel (Alcedinidae) wurde durch den Vergleich mitochrialer und nuklearer DNAsequenzen von 38 repräsentativen Arten rekonstruiert. Die geläufigen Begrenzungen zwischen Ceyx und Alcedo scheinen demnach keine natürlichen Gruppen darzustellen, wobei die Beziehungen innerhalb der Alcedinidae noch nicht vollständig aufgeklärt sind. [1]
Interne Systematik
Nach ITIS [2] gibt es sieben Unterarten:
- Alcedo a. atthis ist die Nominatform. Sie besiedelt den Mittelmeerraum, Syrien und Arabien.
- Alcedo a. bengalensis lebt in Nord-Indien, auf den Philippinen und den Großen Sunda-Inseln.
- Alcedo a. floresiana besiedelt Bali.
- Alcedo a. hispidoides lebt auf Sulawesi und dem Bismarckarchipel.
- Alcedo a. ispida besiedelt Kontinentaleuropa.
- Alcedo a. salomonensis lebt auf den Salomonen.
- Alcedo a. taprobana besiedelt Süd-Indien und Sri Lanka.
Andere Quellen [3] erkennen noch zwei weitere an:
- Alcedo a. japonica lebt auf Japan, Taiwan und Sachalin.
- Alcedo a. pallasii besiedelt Zentralasien.
Nahrung und Nahrungserwerb
Der Eisvogel ernährt sich von Fischen, Wasserinsekten und deren Larven, Kleinkrebsen und Kaulquappen. Er kann Fische bis neun Zentimeter Länge mit einer maximalen Rückenhöhe von zwei Zentimetern verschlingen. Bei langgestreckten, dünnen Arten verschiebt sich die Höchstgrenze auf zwölf Zentimeter Körperlänge. Kleinere Beutetiere als ein bis zwei Zentimeter sind ebenso ungeeignet.
Die Jagdmethode des Eisvogels ist das Stoßtauchen. Dazu sitzt er ruhig lauernd auf einem über dem Wasser hängenden Ast. Wenn er eine mögliche Beute entdeckt, stürzt er sich schräg nach unten kopfüber ins Wasser und beschleunigt dabei meist mit kurzen Flügelschlägen. Beim Eintauchen werden die geöffneten Augen durch das Vorziehen der Nickhaut geschützt. Am gestreckten Körper werden die Flügel eng angelegt oder nach oben ausgestreckt. Kurz vor dem Ergreifen der Beute wird mit ausgebreiteten Flügeln und Beinen gebremst. Zur Wasseroberfläche steigt er zuerst mit dem Nacken, wobei er den Kopf an die Brust gepresst hält. Schließlich wird der Schnabel mit einem Ruck aus dem Wasser gerissen und von der Wasseroberfläche nach oben geflogen. Im Allgemeinen dauert ein Versuch nicht mehr als zwei bis drei Sekunden. Der Eisvogel kann aber auch aus dem Rüttelflug tauchen, wenn ein geeigneter Ansitz fehlt. Nicht jeder Tauchgang ist erfolgreich, er stößt oft daneben.
Der Eisvogel benötigt zur Bearbeitung der Beute in der Regel einen dicken Ast oder eine andere, möglichst wenig schwingende Unterlage. Kleinere Beute wird mit kräftigem Schnabeldrücken oft sofort verschluckt. Größere Fische werden auf den Ast zurück gebracht, dort tot geschüttelt oder auf den Ast geschlagen, im Schnabel „gewendet“ und mit dem Kopf voran verschluckt; anderenfalls könnten sich im Schlund die Schuppen des Fisches sträuben. Der Eisvogel schluckt seine Beute in einem Stück. Unverdauliches wie Fischknochen oder Insektenreste werden etwa ein bis zwei Stunden nach der Mahlzeit als Gewölle herausgewürgt.
Fortpflanzung
Die meisten Eisvögel leben in einer monogamen Brutehe. Vor allem in Jahren mit hoher Dichte leben einige Männchen in Bigamie mit zwei Weibchen, die gleichzeitig bis zu mehrere Kilometer entfernt voneinander brüten. Nach dem Schlüpfen der Jungen füttert das Männchen die parallel verlaufenden Bruten im Wechsel. Dabei sind auch Schachtelbruten möglich.
Zwischen Februar und März streifen Eisvögel laut rufend die Gewässer entlang. Wenn sie einen möglichen Partner gefunden haben, finden ausgedehnte Verfolgungsflüge flach über dem Wasser statt, auch mitten durch den Wald bis über die Bäume. Sehr selten sind mehrere Vögel beteiligt. Danach werden meistens mögliche Brutplätze durch Männchen besetzt.
Balz und Paarung
Zur Balz trägt das Männchen kleine Fische herbei, um sie in einer Verbeugung dem Weibchen zu überreichen, das sie rufend und mit zitternden Flügeln entgegennimmt. Die Balzfütterung stärkt die Paarbindung und dient auch der Beurteilung des Partners. Manchmal sitzen die Vögel nun auf einem Ast an einem möglichen Brutplatz und rufen abwechselnd.
Während der Bauzeit der Höhle finden zahlreiche Balzfütterungen und gegen Ende auch Kopulationen statt. Zur Paarung nimmt das Männchen nach einer Beuteübergabe eine Imponierstellung ein, bei der es mit angelegtem Gefieder aufgerichtet sitzt und die Flügel nach vorn sinken lässt. Dann fliegt das Männchen hinter dem Weibchen, das seine Bereitschaft oft durch Rufe anzeigt und sich fast waagrecht auf den Ast legt, und landet auf dem Rücken der Partnerin. Nun greift das Männchen mit dem Schnabel in die Kopffedern des Weibchens und hält während der einige Sekunden dauernden Begattung mit den Flügeln das Gleichgewicht. Danach wird meist gebadet. Begattungen können mit oder ohne vorangehende Balzfütterungen mehrmals am Tag stattfinden.
Bruthöhle
An einer lotrechten oder leicht nach vorn geneigten Steilwand aus Lehm oder festem Sand, die unbewachsen, trocken und frei von zu vielen Wurzeln ist, wird möglichst im oberen Abschnitt eine Höhle gegraben. Die leicht ansteigende Nisthöhle mit einem Kessel am Ende ist 40 bis 80 Zentimeter lang, im Querschnitt hochoval und etwa acht Zentimeter hoch. Der Kessel hat einen Durchmesser von 17 Zentimetern und ist ungefähr zwölf Zentimeter hoch. Im weichen Sand sind im Gegensatz zu hartem Lehm Höhlenlängen von bis zu 100 Zentimeter möglich.
Zu Beginn des Höhlenbaus sitzt das Brutpaar vor einer Steilwand, bis plötzlich das Männchen losfliegt und kurz im Rüttelflug vor einer geeigneten Stelle verharrt, um mit dem Schnabel in die Erde zu hacken. Danach kehrt es auf den Ast zurück, um die Erde vom Schnabel zu reiben, und arbeitet weiter. Bald beteiligt sich auch das Weibchen und nach einiger Zeit haben sich beide auf eine Stelle für die Anlage der Höhle geeinigt, so dass sie nun abwechselnd das Loch vergrößern. Nachdem ein Halt für die Krallen entstanden ist, kann mehrmals zugehackt werden. Meist hält einer von beiden Vögeln Wache. Ist der Tunnel weiter in die Wand getrieben, wird die freigegrabene Erde mit den Füßen nach hinten gescharrt und rückwärts aus der Röhre geschoben. Erst wenn der Kesselbau begonnen hat, kann der Eisvogel mit dem Kopf zuerst aus der Höhle kommen. Stellt ein Stein oder eine Wurzel ein Hindernis dar, wird das Problem entweder mit der Krümmung der Röhre umgangen oder an anderer Stelle neu begonnen. Der Bau einer Bruthöhle kann zwei bis drei Wochen dauern. Zur Markierung werden fertig gestellte Höhlen mit weißen Kotspritzern versehen.
Manchmal werden von einem Brutpaar mehrere Röhrenansätze oder fertige Höhlen gebaut. Oft werden auch alte, noch intakte Bruthöhlen nach einer Säuberung wieder bezogen. Dabei ist es unwichtig, ob das Brutpaar oder ein anderes die Höhle angelegt hat. Häufig werden auch unvollendete Höhlen aus vergangenen Jahren fertig gestellt. Ende März oder Anfang April haben die meisten Brutpaare eine geeignete Höhle gefunden.
Eiablage und Brutpflege
Die Eiablage findet vormittags statt. Jeden Tag wird ein Ei gelegt. Die Eier sind weiß, glatt und fast rund und zeigen in den ersten Tagen einen zartes Rosa. Danach färbt sich die Oberfläche porzellanweiß. Das Gewicht eines Eies liegt bei 4,4 g. Hin und wieder sitzt ein Altvogel neben dem unvollständigen Gelege.
Das Weibchen legt in Mitteleuropa sechs bis acht Eier, selten mehr, und bebrütet diese im Wechsel mit dem Männchen erst, wenn das Gelege vollständig ist. Der brütende Vogel, nachts meist das Weibchen, sitzt mit dem Kopf zum Ausgang. Zur Brutablösung ruft der ankommende Partner vor der Steilwand kurz, worauf der brütende Vogel die Höhle verlässt. Die Brutzeit dauert 19 bis 21 Tage. Nachdem alle Jungen vorwiegend am selben Tag geschlüpft sind, bleiben die Eierschalen meist am Eingang des Brutkessels oder in der Höhle liegen. Manchmal werden sie auch aus der Höhle entfernt und vor der Steilwand oder über Wasser fallen gelassen.
Von allen begonnenen Bruten gehen 30 bis 40 Prozent zugrunde. Ein Großteil der Verluste entsteht durch Hochwasser. Dabei werden manche Bruthöhlen durch starke Regenfälle überflutet oder zum Einsturz gebracht. Zudem ist das Gewässer durch mitgeführte Boden- und Lehmteilchen stark getrübt und vom Regen aufgewühlt, so dass der Fischfang beträchtlich erschwert wird und durch Nahrungsmangel die Brut verhungert. Ältere Jungvögel können allerdings kurze Mangelperioden überstehen.
Eine ungeschickt angelegte Nisthöhle kann von Füchsen, Wieseln, Waschbären, Ratten, Mäusen, und Maulwürfen von oben oder von vorn ausraubt werden. Dabei werden Eier und jüngere Jungvögel sowie meist auch der hudernde oder brütende Altvogel gefressen. Auch durch zwei- bis dreistündige Störungen von Menschen kann eine Brut verloren gehen, da es die Altvögel dann nicht wagen in die Röhre zu schlüpfen. Nach einem Brutverlust werden wenige Tage später sechs bis sieben Eier gelegt.
Entwicklung der Jungen
Nach dem Schlüpfen sind die Jungen nackt und blind. Während ein Altvogel hudert, fängt der andere für die Fütterung zunächst Insekten und später vier bis fünf Zentimeter lange Fische. Nach acht Tagen zeigen sich an Brust, Rücken und Flügeln die ersten bläulichen Federkiele. Etwa am zehnten Tag öffnen sich die Augen. Nun wird lediglich nachts gehudert. Vierzehn Tage nach dem Schlüpfen sind die Jungen befiedert, wobei die Federn noch von einer durchscheinenden Hülle umgeben sind. Das Gewicht liegt bei 55 bis 60 g. Nach drei Wochen ist das Gefieder bis auf kleinere Bereiche am Kopf weitgehend von den Hüllen befreit.
Ende Mai bis Mitte Juni fliegen die Jungen mit einem Gewicht von etwa 42 Gramm 23 bis 28 Tage nach dem Schlüpfen aus. Dabei verlassen sie die Bruthöhle oft aus eigenen Antrieb am frühen Morgen oder am Vormittag, meistens am selben Tag in einem Zeitraum von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden. Manchmal erfolgt der Ausflug aber auch in Schüben an zwei aufeinander folgenden Tagen. Die Jungvögel halten sich danach in der Umgebung reglos auf Sitzplätzen auf, die oft im dichten, schattigen Geäst liegen. Die Eltern, vor allem das Männchen, versorgen sie mit Fischen, führen sie dabei aber stückweise von der Bruthöhle weg. Anfangs bekommen sie die Nahrung gereicht, später fliegen sie den Altvögeln entgegen. Zudem beginnen sie bald, das Fischen zu lernen. Nach ein bis zwei Tagen werden sie energisch und laut rufend von den Altvögeln aus dem Revier vertrieben. Gefahr droht ihnen von Sperber und Habicht, eventuell auch vom Waldkauz.
Im Juni bis Juli folgt nach einer verkürzten Balz eine zweite Brut, dessen Ablauf sich nicht wesentlich vom ersten unterscheidet. Je nach Brutbeginn fliegen die Jungvögel in der Zeit von Mitte Juli bis Anfang August aus. Auch Schachtelbruten mit Überschneidungen von fünf bis zehn Tagen sind möglich. Einige Brutpaare beginnen meist verschachtelt noch eine dritte Brut, so dass deren Junge Ende August bis Ende September flügge werden. Sehr selten kommen Viertbruten vor, bei denen die Jungvögel im Oktober ausfliegen.
Ringfundanalysen und Populationsstudien ergaben, dass der Eisvogel eine hohe Sterblichkeitsrate aufweist. So sterben ungefähr 80 Prozent der Jungvögel zwischen dem Verlassen der Bruthöhle und der folgenden Brutsaison. Zudem sterben etwa 70 Prozent der Altvögel im Verlauf eines Jahres. Wenige Exemplare werden drei Jahre alt. Ausnahmen mit einem Alter von fünf Jahren sind sehr selten. Der hohen Sterblichkeit steht jedoch jährlich eine hohe Reproduktionsrate gegenüber.
Wanderungen
Während die Altvögel meistens auch außerhalb der Brutsaison in ihren Revieren bleiben, streifen die selbstständigen Jungvögel auf der Suche nach einem geeigneten Gebiet ungefähr von Juli bis Mitte Oktober umher. Die Wanderungen können wenige bis 1000 Kilometer umfassen. Dabei legen Weibchen meist größere Entfernungen zurück als Männchen. Die Jungen aus Zweit- und Drittbruten legen häufig längere Wanderungen zurück. Haben sie ein Revier gefunden, wird es erkundet und in Hinblick auf die nächste Brutsaison unter anderem durch Besuche beurteilt. An November stellen sie größere Ortsbewegungen ein und nehmen in Erwartung des kommenden Winters von knapp 40 Gramm im Spätsommer auf 44 bis 46 Gramm zu.
Verhalten
Der Eisvogel ist ein territorialer Einzelgänger. Er ist standorttreu und tagaktiv. Oft sitzt er lange Zeit still auf einem niedrig über dem Wasser hängenden Ast.
Bei der Begegnung zweier Individuen wird zunächst gedroht. Dabei sitzt der Eisvogel hoch aufgerichtet, gestreckt, mit angelegtem Kleingefieder und nach vorn sackenden Flügeln. Oft wird auch der Schnabel geöffnet. Die Kehlfedern sind eng angelegt. Zur Verstärkung der Drohung verbeugt sich der Eisvogel ganz langsam vor dem Gegner, wobei der Kopf einen vertikalen Kreisbogen beschreibt oder langsam von einer Seite zur anderen gedreht wird. Die stärkste Drohung besteht darin, dass der Vogel die Flügel ausbreitet und sich in voller Größe zeigt. Bei Drohduellen sitzen sich die Rivalen steif und dünn im Profil gegenüber, wobei manchmal kurze, von erregten Rufen begleitete Verfolgungsflüge stattfinden. Die Dauer kann mehrere Stunden betragen, in denen offensichtliche Gefahren kaum bemerkt werden. Vermutlich testen sie sich dabei in Bezug auf Ausdauer, Kraft und Belastbarkeit. Mit der Aufgabe des schwächeren Vogels endet das Duell.
In Ausnahmefällen reicht das Drohen nicht aus und es kommt zum Kampf. Dabei versucht ein Eisvogel den anderen vom Ansitz zu stoßen oder in den Nacken zu beißen. Wenn dies nicht gelingt, fassen sich die Rivalen gegenseitig am Schnabel und zerren sich hin und her, flattern zu Boden oder fallen ins Wasser. Meist enden die Kämpfe ohne ernsthafte Verletzungen. Zum Schluss flieht der Unterlegene. Der Sieger bleibt zurück oder verfolgt den Gegner noch ein kurzes Stück.
Selbstständige Jungvögel aus früheren Bruten desselben Jahres besuchen oft (etwa ab Juni) die Brutsteilwand. Manchmal werden diese aus fremden Bruten stammenden Besucher von den Altvögeln energisch verjagt, bei anderen Gelegenheiten aber ignoriert oder geduldet. Sie zeigen ein starkes Interesse an Bruthöhlen, insbesondere solchen mit Nestlingen, und beteiligen sich nachweislich zumindest teilweise intensiv an der Fütterung.
Außerhalb der Brutsaison können sich an einem bestimmten Gewässerabschnitt mit ausreichenden Nahrungsangebot mehrere Eisvögel ohne gegenseitiges Drohen aufhalten.
Greifvögeln entkommt der Eisvogel oft, indem er zunächst laut rufend flach über dem Wasser fliegt und plötzlich aus vollem Flug einen Tauchstoß ausführt, so dass der Jäger über ihn hinwegfliegt und damit seine Beute verloren hat.
Bestand und Gefährdung
Bestandsentwicklung
Die Populationen des Eisvogels in Europa machen weniger als die Hälfte des weltweiten Bestandes aus. Nach Angaben der IUCN ist diese mit weniger als 160.000 Paaren relativ klein und nahm zwischen 1970 und 1990 mäßig ab. Obwohl die Art zwischen 1990 und 2000 grundsätzlich weitgehend stabil war und stabilen, fluktuierenden oder steigenden Trends in großen Teilen Europas unterliegt, gilt die Population als noch nicht als erholt, da sie die Stufe vor dem Schwinden noch nicht erreicht hat. Konsequenterweise wird sie vorläufig als dezimiert (Depleted) [4] und wenig bedroht (LC) [5] geführt.
Der Eisvogel ist gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 11 BNatSchG eine in Deutschland streng geschützte Art. Er war 1973 Vogel des Jahres in Deutschland und 2006 Vogel des Jahres in der Schweiz.
Gefährdung und Schutz
Die Größe des Brutbestands wird wesentlich von der Winterstrenge bestimmt. Harte Winter mit länger andauernden Kälteeinbrüchen können regional zu drastischen Bestandseinbrüchen (bis zu 90 Prozent) führen, da diese die meisten Fischgewässer zufrieren lassen und an eisfreien Gewässern durch Eisperlen zum Verlust der Flugfähigkeit oder zum Anfrieren auf dem Ansitz führen. Durch die hohe Fortpflanzungsrate des Eisvogels können Verluste der Bestandsdichte innerhalb weniger Jahre wieder geschlossen werden.
Früher wurde der Eisvogel von Binnenfischern stark verfolgt. Heute ist er durch die Vernichtung seines Lebensraums bedrängt, da fast alle europäischen Flüsse und auch Bäche in der Vergangenheit ausgebaut oder reguliert, die Tümpel zugeschüttet und die Feuchtgebiete trocken gelegt wurden. Durch diese Maßnahmen hat sich das Nahrungsangebot sowie die Zahl der Ansitze und ruhigen Buchten verringert. Zudem verhindern abgeschrägte, befestige Böschungen die Entstehung von Uferabbrüchen. Vereinzelte Renaturierung hat daran nichts Wesentliches geändert. Auch verschmutztes und saures Wasser entzieht dem Eisvogel die Nahrungsgrundlage. Zur Beseitigung des Brutplatzmangels vom Menschen geschaffene Steilwände wurden erfolgreich angenommen. Der Erhalt naturnaher, von künstlichen Eingriffen unabhängige Fluss- und Bachlandschaften stellt das wichtigste Kriterium für den Schutz des Eisvogels dar, so dass er bei Naturschutzorganisationen als Stellvertreter für die weniger bekannten Arten dieses Lebensraums steht.
Eisvogel und Mensch
Etymologie und Benennung
Im Jahr 1758 bezeichnete Carl von Linné den Eisvogel als Alcedo ispida. Der lateinische Name Alcedo ist abgeleitet vom griechischen Halkyon, was so viel wie „die auf dem Meer Brütende“ bedeuten kann. Die genaue Namensherkunft wird in der griechischen Mythologie beschrieben: Die um ihren Gemahl Keyx trauernde Alkyone und er selbst waren nach ihrem Tod von einem barmherzigen Gott in Eisvögel verwandelt worden. Jeden Winter trägt nun die Eisvogelhenne ihren toten Partner zu Grabe. Danach baut die Henne ein Nest, das sie auf den Wellen treiben lässt. Hinein legt sie die Eier und brütet ihre Küken aus. Nestbau und Brüten geschieht in den halkyonischen Tagen, das sind die je sieben windarmen Tage vor und nach der Wintersonnenwende.
Zur Herkunft des deutschen Namens gibt es mehrere Theorien. So lässt sich der Name wahrscheinlich vom altdeutschen „eisan“, was „schillern“, „glänzen“ bedeutet ableiten. Wenige Autoren beziehen den Namen tatsächlich auf das Eis, indem sie einen Bezug zu seinem Aufenthalt an zugefrorenen Gewässern, dem Abeisen oder zu toten Tieren im Eis herstellen. Andere beziehen sich auf die „eisblauen“ Rückenfedern oder seine leichtere Auffindbarkeit bei Eis und Schnee. Zuletzt gehen einige Autoren davon aus, dass der Name ursprünglich „Eisenvogel“ bedeutet haben sollte, da die Rückenfedern des Vogels stahlblau oder die Unterseite rostrot gefärbt sei.
Früher waren einige Synonyme, die heute selten benutzt werden, in Gebrauch: Uferspecht, Wasserspecht, Blauspecht, Wasserhähnlein, Königsfischer. Bei den Briten heißt er „kingfisher“ und bei den Schweden „kungsfiskare“. Als weitere Name wird die Bezeichnung Sankt-Martins-Vogel oder Martinsfischer in Frankreich, Spanien und Italien verwendet.
Mythologie und Kult
Die alten Griechen und Römer gingen tatsächlich von einem auf dem offenen Meer schwimmenden Nest aus. Plutarch dachte, es bestünde aus ineinander verflochtenen, kleinen Fischgräten. In seiner Naturalis historia um 70 nach Christus berichtet Plinius der Ältere von einem schwammähnlichen, nicht durch Eisen zerschlagbaren Nest. Auch im 19. Jahrhundert hielt man die halkyonischen Tage für die Brutzeit des Eisvogels.
Auf Grund der griechischen Sage um Keyx und Alkyone hielt sich der Glaube an die Gattenliebe und die Treue des Eisvogels bis mindestens ins 19. Jahrhundert hinein. So ging der Naturforscher Conrad Gesner 1669 davon aus, dass das Weibchen beim Tod des Männchen einen Trauergesang anstimmen würde. Er soll Macht und Reichtum, Frieden und Schönheit verheißen. Zudem gilt er als Glücksbringer. Zuletzt soll er den Fischern reichen Fang und den Schiffern eine gute Reise ermöglichen.
Nach einer französischen Sage wurde der damals noch grau gefärbte Eisvogel von Noah der Taube nachgeschickt. Er sollte erkunden, ob sich die Wasser der Sintflut zurückgezogen hätten. Da er auf seinem Flug einem Sturm ausweichen musste, flug er so hoch, dass die Oberseite die Farbe des Himmels annahm und die Unterseite von der Sonne rot gebrannt wurde. Als der Bote Bericht erstatten wollte, konnte er die Arche nicht mehr finden, so dass er heute die Gewässer nach Noah suchend abstreift.
Im Aberglauben wurden Talismane von Eisvogelfedern und -bälgen gegen Blitzschlag eingesetzt. Das am Hals getragene getrocknete Herz sollte vor Gift und schwerer Not schützen. Mumifizierte Vögel dienten als Mittel zur Mottenabwehr, und an einem Faden aufgehängt auch als Kompass und Wetterfahne. Sich widersprechenden Theorien zufolge sollte der Schnabel immer nach Norden oder in Windrichtung zeigen. Paracelsus nahm an, dass der Eisvogel nach seinem Tod nicht verfaule, so dass der Naturforscher Balthasar Sprenger 1753 einen bestätigenden Artikel darüber abfasste.
Im 19. Jahrhundert galten die Federn des Eisvogels als Modeartikel, der insbesondere Damenhüte dekorierte. Auch zur Herstellung von bunten, künstlichen Fliegen für Angler wurden tausende Vögel getötet.
Referenzen
Einzelnachweise
- ↑ http://www.bioone.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1642%2F0004-8038(2006)123%5B487%3AAMPOKA%5D2.0.CO%3B2
- ↑ http://www.itis.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=554549
- ↑ http://www.bsc-eoc.org/avibase/avibase.jsp?pg=search&fam=86.0&lang=DE
- ↑ http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp1066.pdf
- ↑ http://www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=1066&m=0
Literatur
- Urs N. Glutz von Blotzheim: Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 9. Columbiformes - Piciformes. Aula-Verlag, Wiesbaden, 1994, ISBN 3-89104-562-X
- D. Boag: The Kingfisher. Blandford Press, Poole, 1982
- Alfred Brehm: Tierleben, 4. neu bearbeitete Auflage von Otto zur Strassen, 1922
- Bruun, Delin, Svensson: Der Kosmos Vogelführer, Kosmos-Verlag, Stuttgart, 1993
- Margret Bunzel-Drüke, Joachim Drüke: Eisvögel. Faszinierende Meisterfischer in bedrohten Lebensräumen. G. Braun Verlag, Karlsruhe, 2003, ISBN 3-7650-8143-4
- Margret Bunzel: Der Eisvogel (Alcedo atthis) in Mittelwestfalen. Studien zu seiner Brutbiologie, Nahrung und Siedlungsbiologie. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Dissertation, 1987
- R. Eastman: The Kingfisher. Collins, London, 1970
- P. Fioratti: Kingfisher. Harper Collins, London, 1992
- W. Zöller: Eisvögel – viele Jahre beobachtet. Karlsruhe, 1985
Weblinks
Wiktionary: Eisvogel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
Commons: Eisvogel – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Videos zum Eisvogel
- Der Eisvogel bei NABU mit Klangbeispiel
- Der Eisvogel im Naturlexikon
- Der Eisvogel bei Birdlife
- Alcedo atthis in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: BirdLife International, 2004. Version vom 11. Mai 2006
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