Fahrraddiebstahl
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Der versicherungstechnische Begriff Fahrraddiebstahl (Schweiz.: Velodiebstahl) bezeichnet die widerrechtliche Entwendung eines oder mehrerer Fahrräder oder deren Bauteile. Durch immer wertvollere Fahrräder wird der Fahrraddiebstahl zunehmend ein Problem der Versicherungen und damit auch von der Polizei ein wenig ernster genommen. Diese haben in Deutschland häufig nur einen oder zwei Beamte (Krankheits- und Urlaubsvertretung) im ganzen Landkreis für diesen großen Bereich, den sie als Alltagskriminalität bezeichnen, abgestellt. Mit effektiven Ermittlungen und Wiederbeschaffung gestohlener Räder ist unter solchen Arbeitsbedingungen verständlicherweise nicht zu rechnen, außer bei einem zufällig ertappten Dieb oder Hehler werden gelagerte Räder vorgefunden. Wobei paradoxerweise auch regelmäßig alte und scheinbar unattraktive Fahrräder gestohlen werden. Oftmals werden auch nur Komponenten gestohlen.
Dabei steht bei Kriminalbeamten außer Frage, dass Fahrraddiebstahl bevorzugt von Jugendlichen verübt wird und den Einstieg in eine kriminelle Karriere bedeuten kann, wenn ihm nicht schon in den Anfängen begegnet wird. Gute Erfolge verspricht man sich dabei von Jugendrichtern, die bereits binnen weniger Tage nach der Tat unkonventionelle Strafen und/oder Auflagen verfügen.
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[Bearbeiten] Gegenmaßnahmen
[Bearbeiten] Fahrradregistrierung
Die vor längerer Zeit mögliche Registrierung eines Rades bei der Polizei ist nicht mehr üblich. Die auf Fahrrädern angebrachten Etiketten mit dem Hinweis "Finger weg! Fahrrad ist registriert" sind meist Placebos oder ein Hinweis auf eine am Rad vorgenommene Fahrradcodierung. Siehe hierzu entsprechende Passage. Eine Registrierung der Fahrraddaten erfolgt bei der Polizei erst im Falle einer Verlustmeldung.
Möglich ist eine kostenpflichtige Registrierung des Fahrrads bei einer der privat unterhaltenen Datenbanken im Internet. Über Rahmennummer, Hersteller/Marke, Reifengröße und weitere Merkmale lassen sich somit die Besitzer durch Polizei oder Fundbüros ausfindig machen, wenn die Aufkleber Hinweise auf die Registrierungsstelle geben und der Anbieter noch auffindbar ist.
[Bearbeiten] Fahrradpass
Der Fahrradpass ist ein von der Polizei entwickeltes Formular, in dem wichtige Informationen festgehalten werden können, die zur Identifizierung eines aufgefundenen oder kontrollierten Rades führen können. Vor längerer Zeit konnten diese Pässe bei der Polizei amtlich abgestempelt werden und führten zu vorgenannter Fahrradregistrierung. Dieser Service wurde eingestellt. Vom Eigentümer oder dem Händler ausgefüllt sind sie aber ein sehr gutes Instrument, im Falle einer Diebstahlsanzeige die entsprechenden Fragen der Ermittlungsbeamten zu beantworten.
[Bearbeiten] Fahrradcodierung
Mit großer Wahrscheinlichkeit schreckt die Verwendung einer offiziellen Fahrradcodierung ab. Dabei werden in verschlüsselter Form der Wohnort und die Straßenadresse (bzw. in Berlin das Geburtsdatum) und die Initialen des Eigentümers in den Rahmen eingraviert. Allerdings ist dieser Schutz nur relativ, da ein gestohlenes Fahrrad nur bei einer polizeilichen Kontrolle auffällt bzw. Verdacht auf Diebstahl auslösen kann. Solche Kontrollen kommen sehr selten vor, da die personell unterbesetzte Polizei dafür keine Kapazitäten frei hat, also meist nur, wenn sie schon einen konkreten Verdacht hat, einen Dieb vor sich zu haben. Allerdings ist der Verkauf codierter Räder durch Diebe/Hehler für diese deutlich riskanter als der uncodierter Räder. Der Verkauf gestohlener codierter Räder über ebay ist hoch riskant und daher eher unwahrscheinlich.
Da viele Räder lediglich für eine „Spritztour“ „entliehen“ und dann unverschlossen irgendwo stehen gelassen werden, ist die Chance für deren Rückführung sehr viel höher als die uncodierter Räder. Beispielsweise werden in Frankfurt am Main jedes Jahr ca. 500 uncodierte Räder amtlich versteigert, weil sich der Eigentümer nicht mehr ermitteln lässt. Codierte Räder kommen dem entsprechend höchst selten unter den Hammer.
[Bearbeiten] Fahrradschlösser
Einen relativen Schutz bietet auch die Verwendung eines hochwertigen Fahrradschlosses. Dabei ist ein geschmiedetes Kettenschloss, ein Panzerschloss oder ein Bügelschloss die beste Wahl – allerdings sind gute Schlösser relativ schwer, unhandlich und groß. Nicht jedes Bügelschloss ist automatisch geeignet, einen Diebstahl zu verhindern. Insbesondere sind diese oft schlecht dafür verwendbar, ein Fahrrad an einen Gegenstand (Baum, Laterne usw.) festzuschließen. Gute Bügelschlösser sind aber im Verhältnis zum Gewicht sicher. Kettenschlösser sind bezüglich des Festschließens besser dimensioniert, um das Fahrrad an einen Fahrradständer, Zaun oder ähnliches anzuschließen. Dabei ist es wichtig, den Rahmen sowie mindestens ein Laufrad mit anzuschließen. Der Preis für hochwertige Schlösser ist oberhalb € 50.
Fahrräder, die außerhalb der Wohnräume abgestellt werden (Keller, Schuppen usw.), müssen immer zusätzlich mit einem Schloss gesichert werden, will man bei einem Diebstahl die Versicherungssumme zumindest teilweise von der Hausratversicherung erstattet bekommen.
[Bearbeiten] Sicherheit trotz Schnellspannern
Die Verwendung von Schnellspannern macht es Dieben leicht, das Fahrrad sekundenschnell vom Vorderrad zu trennen, wenn nur dieses angeschlossen ist. Allerdings gibt es hier bereits immer häufiger so genannte Nabenschlösser, die das schnelle Abschrauben des Laufrades verhindern. Dabei ist den komplexen Inbusvarianten und echten Schlössern gegenüber den einfachen 3-, 5- oder 7-Kantschlüsseln der Vorzug zu geben.
Sättel und Laufräder, die mit einem normalen Schnellspanner versehen sind, sollten mit einem Schloss an den Rahmen angeschlossen werden. Es kommt selten vor, dass ein Dieb für einen einzelnen Gegenstand ein Schloss aufbricht, außer der Wert ist hoch, z.B. Nabendynamo oder Rohloff-Schaltung.
[Bearbeiten] Pitlock
Hier bietet sich das Pitlock-System an, das mit mehr als 256 unterschiedlichen Schlüsselformen, damit der PIT nicht überall passt, das Abschrauben von Komponenten deutlich erschwert. Nachteil ist, dass man den PIT stets parat haben muss, wenn unterwegs eine Panne auftreten sollte. Ganz billig ist das Verfahren auch nicht.
[Bearbeiten] Abschließbare Boxen
In fahrradtouristisch bedeutenden Gegenden (z.B. Eichstätt im Altmühltal, Münster, Regensburg) werden zunehmend private oder kommunale Fahrradgaragen errichtet. Diese sind in der Regel bewacht und bieten Diebstahlschutz auch für Gepäck. Der bedeutendste Nachteil ist, dass sie nur begrenzte Öffnungszeiten haben und teuer sind.
An vielen Bahnhöfen gibt es abschließbare Boxen, die von den Bahnkunden gemietet werden können, der Kunde erhält einen Schlüssel und ist somit unabhängig von Dienstzeiten des Bahnpersonals.
[Bearbeiten] Versicherung
Der Diebstahl von Fahrrädern ist häufig durch die Hausratsversicherung gedeckt, jedoch ist ein Blick in die Versicherungsbedingungen sehr zu empfehlen.
- Die Entschädigung ist meist auf max. 5% der Versicherungssumme begrenzt. Bei gleichzeitigem Diebstahl mehrerer Räder werden diese als eine Einheit betrachtet.
- Die Versicherung gilt nur in der Zeit von 6 bis 22 Uhr uneingeschränkt.
- Vandalismus ist nicht versichert, also werden demolierte, aber aufgefundene Räder, nicht entschädigt.
- Die Inanspruchnahme der Versicherung gibt dieser die Möglichkeit, den Vertrag anschließend zu kündigen.
Es gibt bundesweit nur noch sehr wenige reine Fahrrad-Versicherungen, da die Inanspruchnahmen häufig das entsprechende Prämienaufkommen übertrafen, d.h. die Versicherungen Verluste erlitten. Dazu trugen auch vorgetäuschte Diebstähle möglicherweise nicht unwesentlich bei.
[Bearbeiten] Mediale und literarische Bearbeitungen
Filmisch und literarisch wurden immer wieder Milieustudien zum Fahrraddiebstahl inszeniert. Am berühmtesten der Klassiker des italienischen Neorealismus Ladri di biciclette (dt. Fahrraddiebe) 1948 von Regisseur Vittorio De Sica. Einem in ärmlichen Nachkriegsverhältnissen lebenden jungen Mann wird das für die nach langem Suchen gefundene Arbeit als Filmplakatekleber notwendige Fahrrad gestohlen. Trotz aller Bemühungen, es wieder zu erlangen, um den Lebensunterhalt für seine kleine Familie zu bestreiten, gelingt es ihm nicht. Nun stiehlt er in letzter Konsequenz seinerseits ein Gefährt und wird dabei erwischt. Eine filmische Neubearbeitung des gleichen Themas namens "Beijing Bicycle" (China / Frankreich 2000 - Originaltitel: Shi qi sui de dan che) in einer chinesischen Stadtumgebung, mehr als 50 Jahre später gedreht und vom Filmkunstpublikum positiv aufgenommen, zeigte dass sich überall auf der Welt ähnliche Konflikte abspielen. Spannend wird das für die unbeteiligten Außenstehenden nur dadurch, dass sehr genau und mit ironischer Distanz hingeschaut und vergleichbar wird, wie ein Betroffener, dem übel mitgespielt wurde, dem Unglück den Giftzahn zu ziehen imstande ist oder nicht.
Literarisch ist Fahrraddiebstahl häufig in Glossen unter "Vermischtes" Thema, z.B. von Korrespondenten aus Amsterdam, Kopenhagen oder dem City-Maut bewehrten London. Während es im Roman höchstens als retardierendes Moment einen Nebenschauplatz eröffnet, langt es bei Kurzgeschichten gelegentlich zum Hauptthema. Ein besonders beeindruckendes Beispiel liefert die Erzählung "Don Camillo und der Fahrraddieb" von Giovanni Guareschi. Der seines fahrbaren Hilfsmittels beraubte Don Camillo stößt zu Fuß ausschreitend auf dem Rückweg zufällig auf den rastenden Übeltäter. Statt zu zetern und Gegengewalt zu ergreifen, lädt er ihn zu einer gemeinsamen Mahlzeit bei sich zuhause ein und lässt sich die Vorgeschichte des Geschehenen genauestens schildern. Er kommt zu einer verblüffenden Schlussfolgerung.
Der vermutlich häufigste Fall, nämlich dass man als zugezogener Großstadtbewohner Opfer der Beschaffungskriminalität von Drogensüchtigen oder übermütigen Jugendlichen auf "Spaß-Trip" wird, ist gelegentlich Thema in Dokumentarfilmen oder journalistischen Reportagen, die versuchen, das Milieu des Dunkelfelds auszuleuchten.
Eine interessante Untersuchung fand sich im SZ-Magazin. Untersucht wurde die "Verweildauer" unverschlossener Räder an verschiedenen Münchner Plätzen. Die Zeit schwankte zwischen mehreren Minuten und einigen Stunden. Die meist markant höhere Diebstahl- und Vandalismusquote an Bahnhöfen und bei größeren Fahrradansammlungen fand im relativ kompakten, bebilderten Artikel allerdings keine Resonanz.
Als lyrische Verarbeitung des Themas sei die humorvoll-bösartige Kleine Fahrraddiebhalsgerichtsordnung genannt, in der der Dichter und Fahrradfahrer Horst Tomayer mit dem "Klassenfeind des Fahrradeigners" abrechnet.