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Gregorianischer Choral

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Gregor I. diktiert einem Schreiber die Gregorianischen Choräle, die ihm vom Heiligen Geist (in Gestalt einer Taube dargestellt), eingegeben werden. Auf der Tafel des Schreibers sind die Neumen des Introitus "Ad te levavi..." vom Ersten Advent zu lesen, denn damit beginnt das Kirchenjahr.
Gregor I. diktiert einem Schreiber die Gregorianischen Choräle, die ihm vom Heiligen Geist (in Gestalt einer Taube dargestellt), eingegeben werden. Auf der Tafel des Schreibers sind die Neumen des Introitus "Ad te levavi..." vom Ersten Advent zu lesen, denn damit beginnt das Kirchenjahr.

Unter dem Gregorianischen Choral versteht man den einstimmigen, lateinischen, unbegleiteten, liturgischen Gesang in der Kirche, der im frühen Mittelalter komponiert wurde, auch heute noch praktiziert wird und in der Regel von einer Choralschola vorgetragen wird.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Anfänge

Der Gregorianische Choral ist benannt nach Papst Gregor I., genannt der Große († 604 n.Chr.). Die angebliche Beziehung Papst Gregors zu dem nach ihm benannten Gesängen taucht erstmals im Prolog des Cantatoriums von Monza im 9. Jahrhundert auf. Dort heißt es: "Gregorius praesul composuit..." (Papst Gregor komponierte...). Nach übereinstimmender Meinung von Historikern und Musikwissenschaftlern kann Papst Gregor aber nicht als der Komponist dieser Gesänge betrachtet werden. Sicher ist, dass die gregorianische Form des Liturgiegesangs aus Rom stammt, wo sie zwischen dem 4. und dem frühen 8. Jh. nach und nach geschaffen wurde. Die Vorgeschichte ist weitgehend unbekannt. Die führende Rolle bei der Schaffung der Gregorianischen Messgesänge hatte offenbar die päpstliche Schola cantorum.

Im Zuge der karolingischen Liturgiereform (um 760) wurden diese römischen Gesänge in das Frankenreich importiert. Ein Zentrum der Reform war anscheinend Metz. Dass dabei die römischen Gesänge eine substantielle Überarbeitung erfahren haben, machen neuere Untersuchungen unwahrscheinlich.

[Bearbeiten] Form

Der gregorianische Gesang ist ein einstimmiger Solo- oder Chorgesang mit rhythmischer und dynamischer Differenzierung und mit formaler Gliederung in Phrasen und Perioden gemäß der Struktur des jeweiligen Textes. Metrum und absolute Tonhöhe sind nicht vorgegeben. Die Melodien der Gesänge wurden erst seit dem 9. Jahrhundert mit der Hilfe von sogenannten Neumen festgehalten und vorher mündlich tradiert. Aus der Zeit vor Einführung der Neumen sind allerdings Textbücher des gregorianischen Repertoires überliefert, gewissermaßen Gesangbücher ohne Noten. Grundlage aller Gregorianik sind Psalmodie bzw. liturgisches Rezitativ. Die wichtigsten Formen sind Antiphon und Responsorium. Die Texte der gregorianischen Gesänge sind fast ausschließlich der Bibel entnommen, vorwiegend den Psalmen.

[Bearbeiten] Weitere Entwicklung

Mit dem gregorianischen Gesang entwickelte sich im 10. Jahrhundert das Prinzip unserer Notenschrift mit teilweise mehrfarbigen Notenzeilen, Notenschlüsseln und Notenköpfen. Guido von Arezzo erfand 1025 das 4-Linien-System und die zwei Notenschlüssel (F- und C-schlüssel). Durch das Studium der alten Handschriften seit über einhundert Jahren ausgehend von der Abbaye Saint-Pierre de Solesmes können die Gesänge heute relativ zuverlässig rekonstruiert werden. Das Studium der alten Handschriften bildet auch die Grundlage der Gregorianischen Semiologie.

In karolingischer Zeit entstanden zu den offiziell sanktionierten Gesängen verschiedene Arten von Ergänzungen und Modifikationen, die als Tropus bezeichnet werden. Dabei handelt es sich sowohl um Textierungen bestehender Melismen als auch um den Einschub oder das Anhängen neuer Melismen oder textierter Melodieabschnitte.

[Bearbeiten] Sequenzen

Mit der Textierung des Alleluja-Schlussmelismas (Jubilus) beginnt gegen 850 die Geschichte der Sequenz. Bis zum 12. Jahrhundert bildet sich die vom Alleluja unabhängige Reimsequenz heraus mit gereimten und rhythmisch angeglichenen Versen. Sie führt zu den groß angelegten Strophensequenzen. Strophensequenzen haben die Struktur mehrstrophiger, metrisch geordneter und gereimter Hymnen. Sie wurden im späten Mittelalter sehr beliebt, es sind etwa 5000 Strophensequenzen bekannt.

Neben einer Reglementierung der Figuralmusik gab das Konzil von Trient (1545–1563) auch Vorgaben für den gregorianischen Choral. So wurden von den Sequenzen des späten Mittelalters nur noch vier in der offiziellen römischen Messliturgie zugelassen. 1727 wurde eine fünfte Sequenz eingeführt.

[Bearbeiten] Gregorianischer Choral in anderen Sprachen

Der Gregorianische Choral hat auch die Entstehung der Kirchenmusik in anderen Sprachen beeinflusst. Seit dem Hochmittelalter gibt es z.B. in Deutschland einzelne Gesänge, die vom Lateinischen ins Deutsche übertragen wurden und sich z.T. noch heute in den kirchlichen Gesangbüchern (evangelisch und katholisch) befinden. In der Reformationszeit bemühten sich dann mehrere Reformatoren, u.a. Thomas Müntzer in seinem „Deutschen Kirchen-Amt“ (1524) und Martin Luther in seiner „Deutschen Evangelischen Messe“ (1526) um z.T. freie, z.T. sehr eng an den lateinischen Vorlagen bleibende Übertragungen.

Als unproblematisch und vertretbar werden solche Versuche, Gregorianische Gesänge in anderen Sprachen zu singen, heute allgemein lediglich für die Rezitation der Lesungen und Gebete, für die Hymnen und evt. auch die Psalmodie betrachtet. Die Übertragung der kunstvolleren Gesänge wie Antiphonen, Responsorien oder Messgesänge dagegen wird heute von der Mehrzahl der Fachleute kritisch betrachtet.

[Bearbeiten] Heute

Das 2. Vatikanische Konzil empfahl den Gregorianischen Choral zwar sehr deutlich, setzte der Praktizierung des Gregorianischen Chorals auf breiter Basis jedoch durch die Einführung muttersprachiger Gesänge faktisch ein Ende. Der Gregorianische Choral erklingt nur noch in wenigen Kirchen und auch dort meist vereinzelt in der Liturgie. Dennoch gründen sich beflügelt durch die neueren Forschungsergebnisse (Gregorianische Semiologie) in den letzten Jahrzehnten immer wieder neue Choralscholen, die diesen Gesang pflegen. Der Erforschung und Verbreitung des Gregorianischen Chorals widmet sich die Internationale Gesellschaft für Studien des Gregorianischen Chorals (AISCGre). Die in der heutigen römischen Liturgie gültigen Gesänge finden sich in verschiedenen Choralbüchern wie dem Graduale Romanum (auch im Graduale Simplex und im Graduale Triplex) oder dem Liber Hymnarius. Ältere Sammlungen wie der Liber Usualis bieten – auch wenn sie nicht mehr den aktuellen Stand der Liturgie und nicht immer authentische Melodien aufweisen - dennoch eine Quelle für gregorianische Gesänge.

[Bearbeiten] Zitate

  • „Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen.“ - Konstitution über die heilige Liturgie - Sacrosanctum Concilium - Kapitel VI: Die Kirchenmusik - Artikel 116
  • „Außerdem achte man darauf, dass in den Ausgaben für das Volk wenigstens einige lateinische Texte erhalten bleiben, besonders aus dem unvergleichlichen Schatz des Gregorianischen Chorals, den die Kirche als den der römischen Liturgie eigenen Gesang betrachtet und der darum, gleiche Bedingungen vorausgesetzt, in den liturgischen Handlungen den ersten Platz einnehmen soll. Denn dieser Gesang trägt in höchstem Maße dazu bei, den menschlichen Geist zum Übernatürlichen zu erheben.“ - Fünfte Instruktion zur ordnungsgemäßen Ausführung der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie - 2001 - Artikel 28
  • „Der Gregorianische Gesang ist darum bis heute ein Element der Einheit in der römischen Liturgie.“ - Chirograph von Papst Johannes Paul II. zum 100. Jahrestag der Veröffentlichung des Motu Proprio »Tra le sollecitudini« über die Kirchenmusik - Artikel 7
  • „Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden.“ - Papst Benedikt XVI. - Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis - Zweiter Teil: Eucharistie, ein Geheimnis, das man feiert - Actuosa participatio - Die lateinische Sprache - Artikel 62

[Bearbeiten] Literatur

  • Luigi Agustoni, Johannes Berchmans Göschl: Einführung in die Interpretation des Gregorianischen Chorals. Bosse, Regensburg, 1987 (Band 1), 1992 (Band 2 in zwei Teilbänden), ISBN 3-7649-2343-1 (Band 1), ISBN 3-7649-2430-6 (Band 2/I), ISBN 3-7649-2431-4 (Band 2/II).
  • Eugène Cardine: Gregorianische Semiologie. Les Éditions de Solesmes, Solesmes, 2003, ISBN 2-85274-049-4.
  • Bernhard Gröbler: Einführung in den Gregorianischen Choral. IKS Garamond, Jena, 2. Aufl., 2006, ISBN 3-938203-09-9
  • David Hiley, Western Plainchant, Oxford 1997
  • James McKinnon,The Advent project : The later-seventh-century creation of the Romman Mass proper, Berkely, Los Angeles, London 2000
  • Andreas Pfisterer, Cantilena Romana – Untersuchung zur Überlieferung ..., Paderborn 2000

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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