Hirnschaden
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Klassifikation nach ICD-10 | ||
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F05.0 | Delir, nicht durch Alkohol oder Drogen verursacht, hirnorganisch | |
F06.9 | Hirnorganisches Psychosyndrom (auch: Hirnorganisches Syndrom, Organische psychische Störung) | |
F07.9 | Psychoorganisches Syndrom (auch: Organisches Psychosyndrom) | |
F09.0 | Organische Psychose (auch: Nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische psychische Störung) | |
G93.4 | Enzephalopathie, nicht näher bezeichnet | |
G93.9 | Gehirnschaden (auch: Krankheit des Gehirns, nicht näher bezeichnet) | |
I61.9 | Intrazerebrale Blutung, nicht näher bezeichnet | |
I62.9 | Intrakranielle Blutung (nichttraumatisch), nicht näher bezeichnet | |
I63.9 | Hirninfarkt, nicht näher bezeichnet | |
I64.0 | Schlaganfall, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet | |
P96.9 | Frühkindliche Hirnschädigung (auch: angeborene Schwäche) | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Ein Hirnschaden, auch Gehirnschaden, Hirnschädigung oder Gehirnschädigung genannt, ist ein zusammenfassender, unspezifischer Begriff für eine angeborene oder erworbene Krankheit oder ein Trauma des Gehirns, z. B. durch Zyanose, eine Gehirnblutung oder einen Gehirnabszess. Auch Sauerstoffmangel Hypoxie, eine Infektionskrankheit oder eine chronische Krankheit kann einen Hirnschaden verursachen. Akute Krankheit der schwangeren Mutter (z.B. Toxoplasmose) kann das Kind schon im Uterus schädigen, während älterere Infektionen das Kind in der Regel nicht mehr infizieren.
Im späteren Lebensalter sind meist Unfälle, schwere Erkrankungen wie Thrombosen mit Folge von Infarkten, Hypoxie, aber auch Kriege und Naturkatastrophen Ursachen.
Der frühkindliche Hirnschaden ist eine Hypoxie (Sauerstoffmangelschädigung) bei der Geburt und war früher ein ungenauer Begriff für verschiedene psychische Störungen im Säuglings- und Kindesalter als man grob fälschlich bereits eine sogenannte Aufmerksamkeitsstörung als frühkindlichen Hirnschaden bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Pathophysiologie
Ursachen für Hirnschädigungen sind unter anderem:
- Lokale Ischämie: Durch eine Verengung der arteriellen Blutgefäße, entweder durch Arteriosklerose oder durch einen thromboembolitischen Verschluss kann es zu einem Infarkt des Gehirnareales durch das versorgende Blutgefäß kommen.
- Globale Ischämie ist Folge einer Minderdurchblutung des gesamten Gehirns. Dies geschieht insbesondere dann, wenn der notwendige Perfusionsdruck unter den Schwellenwert von 5,3 kPA (~40 mmHg) abfällt. Die für eine konstante Durchblutung zuständige Autoregulation der Gefäße versagt und es kommt zu einem dramatischen Druckabfall. Ursachen können zum Beispiel ein Herzinfarkt, eine Herztamponade oder eine Heroinüberdosierung sein.
- Bei Hypoxie ist die Blutversorgung zwar normal, es gelangt jedoch kein Sauerstoff in das Gehirn. Ursachen können zum Beispiel eine fehlende (Spontan-)Atmung, eine Cyanid- oder Kohlenmonoxidvergiftung sein.
- Nicht selten wird eine Kombination aus Hypoxie und Ischämie beobachtet, die daraus resultierenden Hirnschäden werden oberflächlich unter „hypoxisch-ischämische Enzephalopathie“ zusammengefasst. Die einzelnen Strukturen des Gehirns reagieren mit unterschiedlicher Empfindlichkeit auf den Mangelzustand. Meist sind zuerst Neurone des Hippocampus sowie die Purkinje-Zellen des Kleinhirns als erste geschädigt.
- Hämorrhagische Blutung: Dies kann primär durch eine Blutung eines gerissenen Gefäßes (insbesondere eines Aneurysma) oder sekundär durch Einblutung in ein vorbestehendes Infarktgebietes entstehen. Die daraus resultierenden neurologischen Ausfälle werden als Schlaganfall bezeichnet.
[Bearbeiten] Symptome und Beschwerden
- Je nach Ursache kommt es bei einem Hirnschaden zunächst zu Bewusstseinsstörungen und / oder Störungen der Sprache, zu Schluckstörungen mit Aspirationsgefahr, zu Sehstörungen, zur Schläfrigkeit, völliger Bewusstlosigkeit bzw. Apathie, zum Einnässen und Einkoten und (partiellen bzw. halbseitigen) Lähmungen.
- Auch lediglich Kopfschmerzen (evtl. mit Nackensteifigkeit), Schwindelgefühle, Übelkeit und Erbrechen sind (am Anfang) möglich.
- Teilweise verspüren die Patienten ein (unangenehmes) Kribbeln und/oder Taubheitsgefühl oder auch brennende oder stechende Schmerzen in Körperteilen („wie wandernde Würmer“), die von (wandernden) Blutpfropfen Thromben herrühren und Thrombosen verursachen - insbesondere von Unterschenkeln ausgehend (Unterschenkelthrombose) - mit Abschneiden der Blutzufuhr (Infarkten) in Organen. Besonders gefährlich sind Herzinfarkt, Hirninfarkt und Lungenembolie mit Folge von Zyanose und Hypoxie mit Folge eines sogenannten hypoxischen Gehirnschadens.
- Auch Erregungszustände mit motorischer Unruhe, Misstrauen, Aggressivität und Wahnvorstellungen sind in leichteren Fällen möglich.
- Zustände der Reglosigkeit verursachen verminderte Psychomotorik, Teilnahmslosigkeit, verminderte Kontaktfähigkeit und einen „eingefrorenen“ Gesichtsausdruck.
- Bei Verwirrtheitszuständen kommt es zu Orientierungsstörungen, Gedankenflucht, Störungen von Gedächtnis und Merkfähigkeit, schlecht verständlicher oder zusammenhangsloser Sprache, Unruhe und Umtriebigkeit.
- Bei Kindern kann es zu frühkindlichem Gehirnschaden mit Lernschwierigkeiten, zu kognitiver Behinderung oder zu Verhaltensstörungen kommen.
- Besonders beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom kommt es zu „Zappeligkeit“, zur Unaufmerksamkeit, zu starker Ablenkbarkeit und zu Reizbarkeit sowie zu Schwierigkeiten beim Sozialverhalten.
- Je nach Art, Schwere und Lokalisation kann ein Hirnschaden zu mehr oder minder schwerer Amnesie und Epilepsie führen
[Bearbeiten] Gründe
Betroffene Speicherzellen (Neuronen) des geschädigten cerebralen Bereichs sind absolut und irreversibel zerstört (Analogie: Bereiche bei einem PC-Plattencrash). Andere Bereiche weniger, wenig, oder gar nicht. Auf einen partiell defekten Speicher kann man normalerweise zunächst so wenig mit Sinn zugreifen, wie auf eine (partiell) zerstörte Platte. „Spezialprogramme“ können aber unzerstörte Inhalte und Funktionen reanimieren (PC-Analogie: Recovery), soweit Funktionen, Fähigkeiten oder Daten nicht durch Totalausfall komplett verschüttet sind.
Ein beanspruchtes oder bewusst trainiertes Gehirn versucht zumindest neue Verbindungen (Synapsen) zwischen noch intakten und ungenutzten Neuronen neu herzustellen, mit Daten und danach ganzen Funktionen und Fähigkeiten (Analogie: PC-Funktionen und Programme). Die neuen Verbindungen erfolgen zwischen den noch nicht zerstörten, intakten Speicherzellen (mit unzerstörten Inhalten) zu den in der Regel Milliarden noch unzerstörten und bisher ungenutzten, Speicherzellen. Solche sind im Gehirn normalerweise als enorme Reserve vorhanden, bedürfen aber der Anregung. Ohne (REHA-) Spezialprogramme, massive Hilfe und dann dringend nötige dauernde(!) Selbstquälerei, landen Betroffene leider zu oft in Anstalten bzw. Betreuung.
Schock durch Unfall oder gravierenden Verlust kann psychisch - als reale oder fiktive Lebensbedrohung - eine partielle Amnesie verursachen (Filme zeigen das z.T. phantastisch verzerrt).
Alzheimer zeitigt langsam zunehmend analoge Zerstörungen. Letztere wirken progressiv verschlimmernd. http://www.memorylossonline.com/glossary/alzheimer.html
Gehirnschäden durch Unfall, Hypoxie oder Krankheit sind anfangs schlimmer, haben dagegen aber meist noch gute Chancen für eine relevante Verbesserung.
Jedenfalls muss der Betroffene nach physisch oder psychisch bedingten Gedächtnisverlust (Amnesie) durch cerebrale Zerstörung oder Schock Verlorenes wiedergewinnen oder neu erlernen und neu organisieren. Lang anhaltende Hilfestellung von außen ist dazu oft dringend nötig. http://www.memorylossonline.com/glossary/anterogradeamnesia.html http://en.wikipedia.org/wiki/HM_(patient) http://richardhhall.org/neuroscience/06_complex_learning/amnesia.pdf. http://www.david.peterzell.org/5-MemoryI.pdf http://www.uni-klu.ac.at/psy/download/Cognitive_Neuroscience_of_Memory.ppt.
Je nach aktuellem Grad der Zerstörung - in allen Fällen einmal als Momentaufnahme stat dynamisch gesehen - kann Erlerntes oder auch ein wichtiger Teil von neuen Informationen mehr oder minder rasch wieder weg sein: In Minuten, Stunden, Tagen, Wochen; in günstigen Fällen erst binnen Monaten oder Jahren in Richtung Normalität.
Eine partielle Amnesie kann sich in beiden Fällen verschlimmern durch fehlende Motivation, Lächerlich-Machen des Zustandes durch eine verständnislose Umwelt und durch Isolation mit Vereinsamung.
[Bearbeiten] Sehr Wichtig
Bei jeder Hirnschädigung ist es sehr wichtig, Betroffene möglichst früh massiv zu betreuen, mental und - quälend, das wird oft unterlassen mit insgesamt unermesslichem Schaden! - sie zu schulen und Erinnerungen aus dem Leben des Betroffenen wieder zu beleben. Ab ca. einem Jahr ohne Training beginnt eine Irreversibilität der cerebralen Zerstörungen bis zu einer Grenze von grob ca. drei Jahren. Wer bis dahin eine für ihn individuell ausreichende Rekonvaleszenz geschafft hat, kann oft noch ein weitgehend normales Leben führen.
Eine partielle Gehirnschädigung wirkt dann wie ein vorzeitiger Alterungsprozess, der bis zu einem bestimmten Grad - gemäß dem Schädigungsgrad und den Anstrengungen danach - teilweise reversibel erscheint und sich danach zumindest Jahrzehnte lang auf etwa gleichem Niveau erhalten kann.
Sich erholende Neuronen können neue Leitungen zwischen alten und unbenutzten Speicherzellen schaffen. Durch ständige Wiederholungen kann man zerstörte Fähigkeiten (Analogie: zerstörte PC-Programme) und zerstörte Daten (Analogie: Eingabe- und Ausgabewerte für Anwendungsprogramme für PC) neu lernen, incl. sie neu organisieren! – Bei total zerstörten Bereichen muss man aber wieder ganz von vorne anfangen zu lernen und Daten zu sammeln, wie ein kleines Kind. Dessen Gehirn ist aber erheblich lernfähiger, hat dagegen anfangs noch nichts im Speicher.
[Bearbeiten] Folgen und Komplikationen
Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns beeinträchtigen die Lebensqualität des Betroffenen stark.
- Halbseitige Lähmungen, Sehstörungen und Fallneigung führen evtl. zur Pflegebedürftigkeit des Patienten.
- Kopfschmerzen, Störungen des Gleichgewichts, Übelkeit und Erbrechen sowie Inkontinenz können den Alltag zur Qual machen.
- Bei Krampfanfällen besteht Verletzungsgefahr durch Stürze, das Autofahren und die Ausübung bestimmter Tätigkeiten werden unmöglich.
- Erregungszustände mit Aggressivität, motorischer Unruhe und evtl. Wahnvorstellungen führen zu Eigen- und Fremdbedrohung.
- Zustände der Reglosigkeit führen evtl. zu Bewegungsmangel und zu sozialer Isolation.
- Insbesondere der stark verwirrte oder schwer geistig behinderte Patient ist ständig auf die Hilfe anderer angewiesen.
- Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom führt zu Lernschwierigkeiten und evtl. zu schlechten Schulleistungen, zu starker Ablenkbarkeit und zu Störungen des Sozialverhaltens bis hin zur Isolation des Kindes in der Schulklasse. Die Möglichkeit der Eltern, ihr Kind zu erziehen, sind eingeschränkt.
[Bearbeiten] Sofortmaßnahmen, Behandlung
- Bei halbseitiger Lähmung, Kopfschmerzen mit Nackensteifigkeit, „Schiefgesicht“, Gleichgewichtsstörungen, plötzlich verwaschener Sprache, bei Bewusstlosigkeit oder Krampfanfällen den Notruf absetzen! Keine Angst vor „falschem Alarm“!
- Bei Bewusstlosigkeit die stabile Seitenlage herstellen. Ständig Bewusstsein, Atmung und Puls kontrollieren!
- Gelähmte Extremitäten abpolstern.
- Patienten während eines Krampfanfalls vor Verletzungen schützen, beispielsweise scharfkantige Gegenstände aus seiner Umgebung entfernen und den Kopf abpolstern.
- Schwer erregte, motorisch unruhige, aggressive und misstrauische Patienten durch ruhiges und besonnenes Auftreten beruhigen. Evtl. auf die Gedankengänge des Kranken eingehen. Den Patienten keinesfalls reizen oder „in die Enge treiben“.
- Bei Zuständen der Reglosigkeit auf plötzliche „Ausbrüche“ gefasst sein, den Betroffenen nicht allein lassen und auf ärztlicher Behandlung bestehen.
- Vor allem bei verwirrten und bei schwer geistig behinderten Patienten ist die nonverbale Zuwendung wichtig: berühren, Hand halten und ruhiges Auftreten. Den Betroffenen durch Umsicht vor Verletzungen schützen und „Stolpersteine“ (zum Beispiel Teppichschwellen, Stühle) aus dem Weg räumen. An körperliche Ursachen der Symptome denken.
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