Hoechst AG
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Die Hoechst AG war eines der drei größten Chemie- und Pharmaunternehmen Deutschlands und wurde 1951 als Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning in Frankfurt aus kleineren Betrieben und deren Forschungskapazitäten gegründet.
1999 wurde sie mit Rhône-Poulenc zur Holding Aventis fusioniert. Als Zwischen-Holding der Aventis - die dadurch zum weltweit drittgrößten Pharmakonzern wurde - waren Hoechst-Aktien weitere fünf Jahre, bis Ende Dezember 2004, an der Börse notiert. Nach der Übernahme durch die französische Sanofi-Synthélabo 2004 verschwand der Name Hoechst endgültig. Die verbliebenen deutschen Standorte firmieren heute unter dem Namen Sanofi-Aventis.
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[Bearbeiten] Firmengeschichte
[Bearbeiten] Kurze Firmengeschichte 1863 bis 1945
1863 gründeten Carl Friedrich Wilhelm Meister, Eugen Lucius und Ludwig August Müller die Teerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co. direkt am Ufer des Mains in der kleinen Stadt Höchst, die heute ein Stadtteil von Frankfurt am Main ist. Nach dem frühen Ausscheiden von Müller übernahm Adolf von Brüning dessen Position. Er wird deshalb oft auch als Gründungsmitglied bezeichnet.
Die Fabrik stellte zunächst die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts so bezeichneten Teerfarben her. Sie waren im Gegensatz zu den damaligen Konkurrenzprodukten kostengünstig aus den Abfallstoffen der Metallverarbeitung zu gewinnen. 1880 wurden aus dem kleinen Unternehmen die Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG, die bald mit der Produktion von synthetischen Arzneimitteln bekannt wurden. Der Name lautete fortan einfach Hoechst. Als internationales Unternehmen verzichtete man auf die Verwendungen von deutschen Umlauten.
Die Firma bemühte sich auch um das Wohl ihrer Mitarbeiter. In Höchst und Zeilsheim entstanden Wohnsiedlungen mit billigen Mieten. 1916 war Hoechst Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft Farbenindustrie, aus der 1925 die I.G. Farben hervorging. Von 1920 bis 1924 wurde von Peter Behrens das Technische Verwaltungsgebäude gebaut.
[Bearbeiten] 1945 bis zur Fusion 1999
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die I.G. Farbenindustrie AG entflochten und die Hoechst AG neu gegründet. Längst waren "Life Science"-Produkte wie Pharmazeutika und Düngemittel zur Produktpalette der "Farbwerke" hinzugekommen. Das weltberühmte Logo der neuen Hoechst AG zeigt Turm und Brücke des von Peter Behrens entworfenen Technischen Verwaltungsgebäudes. Zum hundertjährigen Jubiläum beschloss der Vorstand der Hoechst AG unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Karl Winnacker, 1963 den Bau der Jahrhunderthalle. Auch ein Schwimmbad, das so genannte Silobad wurde gebaut.
1962 beschäftigten die Farbwerke Hoechst AG 54.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden DM. Das Unternehmen hatte zu dem Zeitpunkt bereits international viel Erfolg und expandierte auf den Weltmärkten, doch bald wusste die Unternehmensleitung kaum mehr, wie breit die Palette der produzierten Güter geworden war.
1972 waren 146.300 Mitarbeiter bei Hoechst beschäftigt und erzielten einen Jahresumsatz von 13,6 Milliarden DM.
1990 beschäftigte der Hoechst-Konzern 172.900 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von 44,862 Milliarden DM. In den 90er Jahren wurde das operative Geschäft der Hoechst AG in zahlreiche kleine sowie drei große Unternehmen (Clariant, Celanese, HMR) überführt. Einige Betriebe auf dem Gelände des Hauptsitzes, dem heutigen Industriepark Höchst, wurden dabei teils an andere Nachfolger der I.G. Farben, wie Bayer, teils auch an Konkurrenten, wie Solvay verkauft. Gleichzeitig wurde das weltberühmte Logo in ein einfaches, schwarzes oder blaues Quadrat geändert.[1]
1999 fusionierte Hoechst mit Rhône-Poulenc zu Aventis. Das fusionierte Unternehmen hatte seinen Sitz in Straßburg und war an der Pariser Börse notiert. Der damalige Vorstandsvorsitzende von Hoechst, Jürgen Dormann, hatte diese Konstruktion befürwortet, da er in der Fusion die einzige europäische Perspektive für Hoechst sah. Die Hoechst AG blieb als Zwischen-Holding erhalten und bündelte alle deutschen Tochtergesellschaften von Aventis. Die Aktie blieb weiterhin in Frankfurt notiert, wurde jedoch nur noch wenig gehandelt, da weniger als 4% außenstehende Aktionäre verblieben waren. Die Marke Hoechst, die traditionell an vielen Apotheken zu sehen war, wurde nach und nach zugunsten des neuen Aventis-Firmenzeichens aufgegeben.
[Bearbeiten] seit 1999
Mitte 2004 fusionierte Aventis mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi-Synthelabo. Das neue Unternehmen Sanofi-Aventis wurde zum größten Pharmaunternehmen Europas. Formal war die Übernahme eine Fusion unter Gleichen, tatsächlich war es eine Übernahme, der ein sogenanntes „feindliches Übernahmeangebot“ von Sanofi-Synthelabo vorangegangen war. Obwohl Sanofi-Synthélabo deutlich kleiner als Aventis war, hatte das Unternehmen wegen seines schnellen Wachstums eine hohe Bewertung an der Börse und befand sich in einer relativ sicheren Ausgangsposition, da es mit L'Oréal und Total zwei Großaktionäre hatte, die die Übernahmestrategie unterstützten. Zudem hatte auch die französische Regierung das Fusionsvorhaben begrüßt, um auf diese Weise einen europäischen Champion zu schaffen. Die deutsche Regierung verhielt sich neutral, um mögliche künftige Übernahmen französischer Unternehmen durch deutsche nicht zu gefährden.
Sanofi-Aventis beschloss nach der Übernahme, die verbliebenen Hoechst-Aktionäre abzufinden und die Hoechst AG von der Börse zu nehmen. Auf der letzten Aktionärssitzung von Hoechst am 21. Dezember 2004 in Wiesbaden wurden die restlichen 2 Prozent Aktien von Kleinaktionären an Aventis zu je 56,60 € verkauft. Dieses Ergebnis der zweitägigen Sitzung macht immerhin 600 Millionen € aus. Die gegen den Hauptversammlungsbeschluss angestrengten Anfechtungsklagen wurden im Juli 2005 durch Vergleich beigelegt. Sanofi-Aventis übernahm das gesamte Grundkapital von Hoechst und sagte die für den 29. Juli geplante Hauptversammlung ab. Im Oktober 2005 wechselte Hoechst die Rechtsform von einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Hoechst GmbH ist heute eine Zwischenholding innerhalb der Sanofi-Aventis-Gruppe ohne operative Geschäfte.
Für den größten deutschen Standort von Sanofi-Aventis war die Entwicklung seit Mitte der 90er Jahre vorteilhaft. Im Industriepark Höchst wurden seit 2000 jährlich mehr als 300 Mio. Euro investiert, das ist mehr als in den besten Jahren der Hoechst AG. Die Zahl der Arbeitsplätze stieg von ca. 19.000 Ende der 90er Jahre auf ca. 22.000 im Jahr 2005.
Die Farbenstraße und der S-Bahn-Haltepunkt Farbwerke erinnern noch heute an den Ruhm der Hoechst AG. Das Unternehmensarchiv wird von der HistoCom GmbH verwaltet, die auch zahlreiche Publikationen zur Unternehmensgeschichte herausgegeben hat. Das Firmenmuseum der Hoechst AG befindet sich im Alten Schloss in Höchst.
[Bearbeiten] Was seit 1994 aus der Hoechst AG wurde: Käufe und Verkäufe
- 1994: Ausgliederung des Geschäftsbereiches Landwirtschaft in die Hoechst Schering AgrEvo, ein Joint Venture mit der Schering AG. Die Schering-Anteile wurden später von Aventis übernommen und das Unternehmen in Aventis Crop Science umfirmiert. Aventis Crop Science wurde 2003 an die Bayer AG verkauft und firmiert heute als Bayer Crop Science.
- 1995: Verkauf von Riedel de Haën an Allied Signal und Sigma-Aldrich
- 1995: Verkauf des Anlagenbauunternehmens Uhde an Krupp
- 1995: Auflösung des Geschäftsbereichs Kosmetika: Die Marbert GmbH wird an Perform verkauft, die Jade GmbH in Frankfurt-Fechenheim an L'Oréal, und die Firma Schwarzkopf an Henkel
- 1995: Verkauf von SGL Carbon als Aktiengesellschaft an der Börse
- 1995: Ausgründung des Geschäftsbereichs Textilfarben in die DyStar Textilfarben GmbH, ein Joint Venture mit Bayer. DyStar wurde inzwischen mit dem Textilfarbenbereich der BASF AG zusammengelegt und 2004 von dem Finanzinvestor Platinum Equity übernommen.
- 1995/96: Kauf von Marion Merrel Dow und Roussel Uclaf (restliche 43%) und Fusion zu Hoechst Marion Roussel
- 1996: Ausgründung des Bereichs Information und Kommunikation (I+K) in die HiServ GmbH
- 1997: Der Geschäftsbereich Spezialchemikalien wird in die Clariant AG ausgegliedert, dafür erhält Hoechst 45% des Clariant-Kapitals.
- 1997: Ausgliederung des Polyethylen-Geschäfts in die Hostalen GmbH. Hostalen wurde im Oktober 1998 an Elenac verkauft, ein Joint Venture der BASF mit der Shell .
- 1997: Einbringung der europäischen Polypropylen-Aktivitäten in die Targor GmbH, ein 50-50-Joint Venture mit der BASF, ging im Oktober 2000 zusammen mit Elenac GmbH und Montell in der Basell auf.
- 1997: Ausgliederung des Geschäftes mit organischen Basischemikalien in die Celanese GmbH.
- 1997: Die Geschäfte mit anorganischen Chemikalien gehen an verschiedene Käufer: die amerikanische Laroche übernimmt die Chlorgeschäfte, die Grillo AG das Geschäftsfeld Schwefel, die Phosphorprodukte gehen an Thermphos und Fluor an Solvay.
- 1998: Verkauf von Herberts (Autolacke) an DuPont
- 1998: Die Clariant-Anteil werden an der Börse verkauft
- 1998: Verkauf der Trevira-Sparte (Polyesterfaser) an KoSa, ein Gemeinschaftsunternehmen der amerikanischen Koch Industries, Inc. mit der mexikanischen Saba. KoSa ging am 1. Mai 2004 zusammen mit dem traditionellen Faserbereich der Firma DuPont Textiles and Interiors in der Invista auf, einer Tochtergesellschaft der Koch Industries, Inc. Der geschützte Markenname Trevira und das Geschäft mit Hochleistungs-Polyester-Fasern und -Filamenten wurde separat veräußert, es gehört heute der indischen Reliance Group.
- 1998: Hoechst Diafoil (Polyesterfolien) wird von der Mitsubishi Chemical Corporation übernommen.
- 1999: Die Hoechst AG und Rhône-Poulenc fusionieren zu Aventis. Das verbliebene Chemiegeschäft von Hoechst wird in der Celanese-Gruppe gebündelt und an die Börse gebracht. Die Hoechst-Aktionäre erhalten für je 10 Hoechst-Aktien eine neu ausgegebene Celanese-Aktie.
- 2001: Verkauf des 66,6%-Anteils an der Messer Griesheim an die Finanzinvestoren Allianz Capital Partners und Goldman Sachs
- 2003: Die Aktien der Celanese werden von der amerikanischen Investmentgesellschaft Blackstone aufgekauft.
- 2004: Aventis wird von der französischen Firma Sanofi-Synthélabo übernommen.
- 2005: Wacker Chemie kauft ein 50%iges Anteilpaket des Hoechst-Nachfolgers Sanofi-Aventis zurück.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Stephan H. Lindner: Hoechst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich. C.H.Beck, 2005, ISBN 3406529593
- Ernst Bäumler: Die Rotfabriker. Familiengeschichte eines Weltunternehmens. Piper, 1988, ISBN 3492106692
- Ernst Bäumler: Ein Jahrhundert Chemie, Econ, 1963
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Historische Bilder und Dokumente zur Hoechst AG – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- http://www.hoechst.de
- http://www.industriepark-hoechst.com/ - Industriepark Höchst