Ingermanland
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Ingermanland (finn. Inkeri, schw. Ingermanland) ist eine historische Landschaft im nordwestlichen Russland rund um das heutige Sankt Petersburg. Sie wird im Westen vom Fluss Narva, im Südwesten vom Peipussee begrenzt. Die historische Grenze zu Karelien bildete die Sestra (finnisch Rajajoki, "Grenzfluss"), (schwedisch Systerbäck, "Schwesterbach").
Das Land wurde nach der schwedischen Königstochter Ingegärd benannt, die 1019 Jaroslaw den Großen, den Herrscher von Nowgorod, heiratete. Es stellte seither einen Teil Russlands dar; 1617-1721 gehörte es zu Schweden. Nach dem Großen Nordischen Krieg fiel es wiederum an Russland; 1703 hatte Peter der Große im sumpfigen Delta der Newa, flussabwärts der alten schwedischen Befestigung Nyenschanz, mit dem Bau der Peter-und-Paul-Festung begonnen. Aus ihr entwickelte sich Sankt Petersburg, die neue Hauptstadt des Zarenreiches.
Die ursprüngliche Bevölkerung des Ingermanlands sind die im 10. Jahrhundert aus Karelien eingewanderten Ischoren, die Ingrier und die Woten, drei Finno-ugrische Völker mit eigenen Sprachen. Im 17. Jahrhundert siedelten sich zudem Schweden und Finnen an. Auch die Wepsen, ein ebenfalls finno-ugrisches Volk, haben einen Teil ihres Siedlungsgebietes in Ingermanland.
Nach der Oktoberrevolution 1917 gab es eine kurzlebige Unabhängigkeitsbewegung, die von Finnland aus operierte und 1919-20 sogar einen Teil Nordingermanlands erobern konnte. Die provisorische Regierung ließ eigene Briefmarken drucken, die heute unter Sammlern sehr begehrt sind. Mit dem Frieden von Dorpat fiel das Gebiet 1920 an die Sowjetunion. Während des Zweiten Weltkriegs flohen die meisten Ingrier, Woten und Finnen nach Finnland, mussten aber auf Geheiß Stalins zurückkehren. Sie wurden daraufhin nach Sibirien deportiert.
Auch die nationalsozialistische Führung wollte dem Ingermanland ihren Stempel aufdrücken. Gemäß der nationalsozialistischen Germanisierungspolitik sah der Generalplan Ost vor, das Ingermanland mit Deutschen zu besiedeln. Große Teile der ursprünglichen Einwohner sollten ermordet oder vertrieben werden.
Heute stehen Kultur und Sprache der Ingrier, und insbesondere der Woten und Ischoren, vor dem Aussterben.