Kanzlei
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Der Begriff Kanzlei (v. ital.: cancelli = Trennschranken für Arbeitsräume) bezeichnet heute meist das Büro eines Rechtsanwalts oder eines Patentanwalts (Anwaltskanzlei). Bei Gericht wird die für die Ausfertigung von Urkunden und die Durchführung des Schriftverkehrs zuständige Abteilung als Gerichtskanzlei (Geschäftsstelle, Gerichtsschreiberei) bezeichnet.
Mit Kanzlei wird eine Behörde der obersten Verwaltungsebene bezeichnet, die über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt und in der Regel keine Ressortzuständigkeit wahrnimmt, sondern Koordinierungs- und Abstimmungsfunktionen ausübt (z.B. Bayerische Staatskanzlei, Sächsische Staatskanzlei, Reichskanzlei usw.).
Im behördlich-diplomatischen Sprachgebrauch ist die Kanzlei (Botschaftskanzlei) das Gebäude, das die Botschaft beherbergt, im Gegensatz zur Residenz, in welcher der Botschafter wohnt; beide können am selben Ort, aber auch kilometerweit getrennt sein.
[Bearbeiten] Geschichtliche Bedeutung
Historisch gesehen ist die Kanzlei die Behörde des Regenten oder einer Stadt, die den Schriftverkehr führt und archiviert und für Beurkundungen zuständig ist.
Das Byzantinische Reich führte die Verwaltungstradtion des Spätrömischen Reiches fort und verfügte bis zu seinem Untergang 1453 (freilich in verschiedenster Ausprägung) über eine Kanzlei im Sinne einer Verwaltungsbehörde.
Ab dem 4. Jahrhundert gab es erstmals eine Apostolische Kanzlei als Einrichtung der römischen Kurie, später wurde der Begriff für Behörden der langobardischen und fränkischen Könige übernommen. Leiter war ein Kanzler bzw. Erzkanzler.
Im Mittelalter erlangten Kanzleien hohe Bedeutung. Allerdings entwickelte sich die Kanzlei von Land zu Land unterschiedlich. Die auf den Kanzleien übliche allgemeine Kanzleisprache bot Martin Luther die Voraussetzung der Schaffung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache.
Der Begriff Reichskanzlei wurde neben Hofkanzlei bereits für Behörden im Heiligen Römischen Reich verwendet. Seit 1620 gab es eine österreichische Hofkanzlei, sie war die zentrale Behörde für die österreichischen Reichsländer. Nach der Reichsgründung von 1871 bezeichnete die Reichskanzlei das Büro des Reichskanzlers.
Aufgrund des halboffiziellen Charakters der deutschen Rechtsanwaltschaft (Organ der Rechtspflege) werden auch heute noch verschiedene Begriffe aus der Verwaltungssprache auf den Anwaltsberuf angewendet. Beispiele sind Kanzlei und Gebühren.
[Bearbeiten] Schweiz und Österreich
In der Schweiz ist der Begriff heute noch üblich für die Bezeichnung von Stabsstellen von Regierungen, vgl. Gemeindekanzlei, Staatskanzlei oder Bundeskanzlei.
Auch in Österreich ist der Begriff für Verwaltungseinrichtungen z.B. des Bundesheeres ("Sicherheitskanzlei", "Kanzleischreiber") gebräuchlich.