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Keuschheit - Wikipedia

Keuschheit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hans Memling: Allegorie der Keuschheit (15. Jh.)
Hans Memling: Allegorie der Keuschheit (15. Jh.)

Keuschheit (keusch aus lat. conscius, "bewusst") ist die Abstinenz von sexuellem Verhalten. Im Allgemeinen wird darunter der freiwillige Verzicht auf Sexualität verstanden. Das Ideal der Keuschheit geht jedoch weiter als ein bewusster und gewollter Verzicht auf den sexuellen Genuss.

In der Idealvorstellung bezeichnet Keuschheit das Verhalten einer der sinnlichen Inbrunst (Leidenschaft) durchaus fähigen Person, sich vermöge eines erworbenen Schamgefühls oder kraft eines bewussten Grundsatzes vor Sexuellem zu hüten, seien es auch nur Andeutungen anderer oder eigene Anwandlungen. In viele Kulturen spielt die Keuschheit eine meist religiöse Rolle. Sie wird häufig speziell von jungen Menschen erwartet (siehe auch Jungfrau).


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Keuschheit, Sitte und Ideologie

Wird „Keuschheit“ zu einer moralpolitischen Forderung nach „Sittlichkeit“ erhoben, so kollidiert dies mit der Idealvorstellung einer unwillkürlichen und vorbewussten Keuschheit und sie wird erfolgreichen Falls zu einer gängigen „Sitte“. Diese ist daran erkennbar, dass ganz gewisse Haltungen gegenüber Anderen (z. B. das Augensenken, die Verschleierung) zur Vorschrift gemacht werden. Eine solche Moralpolitik kann auch extreme Formen, wie zum Beispiel die Verstümmelung weiblicher Genitalien, annehmen.

Geraten Sitten sexueller Zurückhaltung ihrerseits in einen Parteienstreit, etwa als symbolische Muster, so wird „Keuschheit“ leicht zu einer bloßen Ideologie, z. B. im gegenwärtigen „Kopftuchstreit“ in Frankreich oder Deutschland seit der Jahrtausendwende.

[Bearbeiten] Schwangerschaft und Krankheit

Obwohl die Forderung nach Keuschheit in vielen Kulturen stark kulturell oder religiös begründet wird, hat diese mehrere sehr profane Vorteile: Der Verzicht auf Sex verhindert eine Schwangerschaft. In vielen Kulturen ist oder war die wirtschaftliche Situation von alleinerziehenden Müttern äußerst schwierig und wird oder wurde durch soziale Ächtung noch verschärft. Keuschheit verhindert zudem auch die sexuelle Übertragung von Krankheiten.

Enthaltsamkeit und AIDS

Trotz des medizinischen Fortschritts gibt es immer noch unheilbare Infektionskrankheiten (AIDS). Keuschheit oder auch die starke Beschränkung der Zahl von Sexualpartnern reduziert das persönliche Risiko zu erkranken und die Ausbreitung dieser Krankheiten.

Heute stehen effektive Verhütungsmittel wie die Antibabypille ­­­­­zur Verfügung, die eine Schwangerschaft zwar nicht vollkommen ausschließen, deren Wahrscheinlichkeit jedoch stark senken. Kondome reduzieren darüber hinaus auch das Risiko einer Infektion (Safer Sex).

Uganda ist eines der wenigen afrikanischen Länder, die Erfolge im Kampf gegen AIDS vorweisen können. Diese beruhen auf einem „ABC“-Programm, das Keuschheit (Abstinence), Treue (Be Faithful) mit Safer Sex (Condoms) kombiniert [1].

Christliche Gruppen in den USA und die katholische Kirche propagieren Keuschheit darüber hinaus als alleiniges Mittel gegen ungewollte Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten. Sexuelle Aufklärung und Kondome werden von ihnen abgelehnt. Eine Studie der Universitäten Columbia und Yale zeigte jedoch, dass eine solche Strategie nicht gegen sexuell übertragbare Krankheiten hilft.[2]

[Bearbeiten] Keuschheit in den Religionen

[Bearbeiten] Christentum

Die christlichen Kirchen verstehen unter "Keuschheit" den bewussten freiwilligen Verzicht auf sexuelle Handlungen bei unverheirateten Partnern und beim Ehepaar den Verzicht auf sexuelle Handlungen mit jemand anderem als dem Ehepartner. Sie wurde traditionell als christliche Tugend und moralische Anforderung aus dem 6. Gebot (Du sollst nicht ehebrechen) abgeleitet.

[Bearbeiten] Katholizismus

Der Katechismus der Katholischen Kirche hat zum Begriff der Unkeuschheit, Absatz 2351, folgendes zu sagen: "Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird."

Demnach ist Keuschheit nicht zwangsläufig der Verzicht auf Geschlechtverkehr, sondern primär ein ethischer Umgang mit der eigenen Sexualität. Das Ausleben der Sexualität im Rahmen einer ehelichen Bindung ist folglich keineswegs mit der Unkeuschheit zu verwechseln. Diese beinhaltet nämlich, dass Sexualität zur Sucht wird, und "um ihrer selbst willen angestrebt" wird.

Im kirchlichen Zölibat (Verpflichtung zur Ehelosigkeit von Klerikern) und im Ordensleben nach den Evangelischen Räten (Versprechen der Ehelosigkeit durch Gelübde) bedeutet Keuschheit nicht nur den Verzicht auf die Ehe, sondern auch auf alle sexuellen Handlungen, und streng genommen auch die Unterdrückung sexueller Fantasien (Keuschheit der Gedanken, vgl. dazu den Apostel Paulus, aber auch Jesu Aussagen über den Ehebruch in der Bergpredigt ("Wer eine Frau anschaut, ihrer zu begehren, ...")).

[Bearbeiten] Freikirchen

Anfang der 1990er Jahre entstand in den USA in evangelikalen Kreisen die Jugendbewegung "True Love Waits", die für Enthaltsamkeit bis zur Ehe eintritt. Daraus entwickelte sich eine internationale Jugendbewegung, die auch im deutschen Sprachraum unter dem Namen „Wahre Liebe Wartet“ vertreten ist.

[Bearbeiten] Islam

Im Islam ist unter anderem das Kopftuch (oder auch der Schleier) ein symbolisches äußeres Zeichen für den freiwilligen Verzicht auf sexuelle Handlungen zwischen unverheirateten Partnern/Verlobten und beim Ehepaar für den Verzicht auf sexuelle Handlungen mit jemand anderem als dem Ehepartner (s. a. Treue). Sozialer Hintergrund ist, dass das entblößte Haupthaar in diesen (wie auch in vielen anderen historischen und gegenwärtigen Gesellschaften) als sinnlicher (sexueller) Reiz empfunden wird. (Vgl. dazu den Habit christlicher Nonnen.)

Eine wichtige Aussage des Koran findet sich in Sure 17:32: Und nahet nicht dem Ehebruch .... Darüber hinaus empfiehlt der Islam, jeden unnötigen Kontakt zwischen den Geschlechtern zu vermeiden. Männer werden dazu aufgefordert, ihre Blicke zu Boden zu schlagen (Sure 24:30). Sie sollen sich ebenso keusch wie die Frauen verhalten (Sure 33:35).

Lebenslange Enthaltsamkeit wird im Islam aber abgelehnt, da (nach einem Hadith) die Ehe der halbe Glauben ist und der Koran das Mönchstum ablehnt (Sure 57:27).

[Bearbeiten] Sexuelle Praxis

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Thema „Keuschheit“ die BDSM-Szene beschäftigt. Ein moderner Keuschheitsgürtel gibt dem dominanten Partner die (fast absolute) Kontrolle über das Geschlecht und das Sexualverhalten des submissiven Partners. Die Keuschheit dient als Teil des einvernehmlichen Spiels dazu, Macht auszuüben oder zu verspüren. Damit kann eine einzelne Session sehr einfach im Verborgenen auf den Alltag zu einer 24/7 SM-Beziehung ausgedehnt werden, ohne Verwandte und Bekannte durch ein Coming-out vor den Kopf zu stoßen. In diesem Zusammenhang wird die Idealvorstellung der „Keuschheit“ ad absurdum geführt, denn es soll die sexuelle Spannung gesteigert werden, um sie beim Aufschließen des Gürtels desto unkeuscher zu entladen.

[Bearbeiten] Gegenbegriffe

Den Gegensatz zur Keuschheit bildet die Geilheit (Lüsternheit), die als Wollust (luxuria) in der christlichen Religion eine der sieben Todsünden darstellt.

[Bearbeiten] Zitate

  • Keuschheit ist ein Teil der Frucht des Geistes, von der die Bibel in Galater 5, 22 spricht: "Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit" (Lutherübersetzung) (I. Witt)
  • Herr, gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit, aber noch nicht jetzt! (Augustinus von Hippo als Jugendlicher vor seiner Bekehrung)
  • Und keusche Frauen der Gläubigen und keusche Frauen derer, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, wenn ihr ihnen ihre Morgengabe gebt, nur in richtiger Ehe und nicht in Unzucht, noch dass ihr heimlich Buhlweiber nehmt. (Sure 5:5)
  • Sprich zu den gläubigen Männern, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit wahren sollen. Das ist reiner für sie. (Sure 24:30)
  • Und diejenigen, die keine (Gelegenheit) zur Ehe finden, sollen sich keusch halten, bis Allah sie aus Seiner Fülle reich macht. (Sure 24:33)
  • Wo ist sie hin, die Zeit, da ich noch alle Männer für redlich und alle Weiber für keusch hielt. (Jean Paul)
  • Von allen sexuellen Verirrungen ist die Keuschheit die abwegigste. (Anatole France)
  • Ein Großteil des modernen Widerstandes gegenüber Keuschheit stammt vom Glauben der Menschen, dass sie ihre eigenen Körper ‘besitzen’. (C. S. Lewis)
  • Wenn du fest entschlossen bist, ein sauberes Leben zu führen, ist die Keuschheit keine Last für dich, sondern Krone des Sieges. (Josemaría Escrivá)
  • Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein. Die Geschlechtlichkeit, in der sich zeigt, daß der Mensch auch der körperlichen und biologischen Welt angehört, wird persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist. (Aus dem Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2337)

[Bearbeiten] Weblinks


[Bearbeiten] Verwandte Themen

Enthaltsamkeit, Jungfrau, Jüngling, Nacktheit, Scham, Scheu, Weiblichkeit, Zensur.

[Bearbeiten] Siehe auch

Triebverzicht, Satyagraha

[Bearbeiten] Quellen

  1. Uganda AIDS Commission: Frequently Asked Questions
  2. Tagesspiegel Online: Wer dem Sex abschwört Bushs Keuschheitskampagne hilft nicht gegen Aids
commons:Hauptseite
Commons
Commons: Keuschheit – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

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