Kirchweih
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Kirchweih ist ursprünglich ein heidnisches Fruchtbarkeits- oder Erntedankfest, das später von der katholischen Kirche adaptiert und mit einem neuen Sinn versehen wurde. Im Mittelalter wurde Kirchweih als religiöses Fest anlässlich der Weihe einer christlichen Kirche gefeiert.
Heute spielt der religiöse Kontext oft eine untergeordnete Rolle. Wegen der einseits weiten Verbreitung der Kirchweih als auch ihrer jeweiligen lokalen Besonderheiten haben sich in den regionalen Dialekten verschiedene Bezeichnungen für die Kirchweih eingebürgert:
- Kirmes (aus "Kirchmesse"),
- Kerb, Kirb, Kermes (in Hessen, im Spessart, Rheinhessen Nordpfalz und Saarland)
- Kier (in Oberndorf (Jossgrund) in Hessen)
- Kemmes (in Nassau)
- Kirbe oder Kerwe, Kärwe (in der Pfalz, der Kurpfalz und Teilen Baden-Württembergs),
- Kerwa bzw. Kärwa (in Franken),
- Kerm (speziell in Unterfranken),
- Kirwa (in der westlichen, mittleren und nördlichen Oberpfalz und im östlichen Teil Frankens),
- Käada und Kiada (in der südlichen Oberpfalz),
- Kerms, Kermst, Kärms oder Kärmst (Sachsen und Thüringen)
- Kirda, Kirtåg bzw. Kiritåg oder ganz offiziell Kirtag (aus „Kirchtag“) in Österreich
- Kirda, Kirta in Altbayern.
- Kilwi oder Kilbi in Baden.
- Kirwe im Vogtland.
In der Schweiz ist der Begriff Chilbi geläufig, in der Niederlande Kermis. Und sogar in einigen Regionen von Kroatien sagt man Kirvaj dazu.
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Datum
Oft wird die Feier des Jahrestages auf den Namenstag des gewählten Schutzheiligen der Kirche gelegt. Es gibt aber auch Kirchtage am Tag der Weihe der jeweiligen Kirche oder am allgemeinen (bayerischen) Kirchtag, das ist der dritte Sonntag im Oktober.
Im ländlichen Raum bildet die Kirchweih eine wichtige dörfliche Institution, mit den – zumeist jugendlichen – Kirmesburschen (in Franken auch „Ortsburschen“ oder „Kärwaboum“; in Hessen „Kerweborsche“, „Kerbeborsch“, „Kermesborsche“, „Plobursche“ oder „Kerbborsch“ genannt, im Saarland und Rheinland-Pfalz auch „Straußbuwe“ wegen des oft kunstvoll verzierten Kirmesbaums), die das jährliche Fest organisatorisch tragen. Mittlerweile nehmen daran in vielen Dörfern auch Mädchen und junge Frauen teil („Kärwamadla/-madli“).
Im hessischen Odenwald wird die „Kerwe“ traditionell „ausgegraben“, also eröffnet. Die Dorfbewohner ziehen meist freitags oder samstags durch die Ortsstraßen zum Haus des „Kerweparrers“ (Kerwepfarrers), holen diesen ab und gehen gemeinsam zu einem Punkt, an dem eine Flasche oder etwas ähnliches aus dem Boden ausgegraben wird. Mit diesem Ritual ist die Kerwe eröffnet und wird erst wieder durch das Eingraben einer neuen Flasche für das nächste Jahr beendet. Sonntags findet in vielen Dörfern ein Kerweumzug statt, bei dem Gruppen, Vereine und Personen aus dem Ort und der Region mit kreativen Ideen und gestalteten Wagen/Traktoren durch die Ortsstraßen ziehen.
Bei der original fränkischen „Kerwa“ bzw. oberpfälzer „Kirwa“, die man in den Monaten April bis Oktober in vielen Ortschaften findet, dauert die Veranstaltung meist von Freitag bis Montag. Am Freitag finden meist Musikveranstaltungen für die Jugend statt.
Am Samstag wird der „Kirchweihbaum“ von den ortsansässigen Burschen aufgestellt. Am Samstag früh fahren die Burschen (15–25) mit den Traktoren und Anhängern in den Wald, um den vorher ausgesuchten Baum umzulegen und ins Dorf zu fahren. Der Baum darf dabei beim Fällen nicht durchbrechen. Mit Bändern geschmückt und von der Musik begleitet, wird der Baum dann am Nachmittag in das Dorf gefahren und vor der Wirtschaft, in der die Burschen verkehren, oder auf dem Dorfplatz wieder aufgestellt. Dieser Vorgang zieht sich meist über mehrere Stunden hin und ist sehr anstrengend, da der Baum über 30 Meter hoch sein kann. Am Sonntag trifft man vereinzelt noch das „Fässla ausgraben“ an.
Dabei wird, wenn es zwei „rivalisierende“ Gruppen von Burschen gibt, ein Bierfass im Garten der jeweils anderen Gruppe versteckt und muss dann von den ortsansässigen Burschen gesucht werden. Schaffen sie es nicht, ist es eine Schmach, wenn die andere Burschenschaft das Bierfass wieder ausgräbt.
Weitere Formen
Eine weitere Form, wie sich rivalisierende Kerweburschen die Getränke finanzieren, ist das Kerblies klauen. Die Kerblies, mancherorts auch Kerbeliesel, Kerbonkel, Schlackes oder Lisbeth genannt, ist eine am Kerbbaum aufgehängte Strohpuppe. Diese wacht während der Zeit über die Kerb. Vorrangig nachts kommen auswärtige Kerbbuschen um die Lies vom Baum zu holen und nach erfolgreicher Tat am nächsten Tag gegen Flüssiges einzutauschen. Das Fällen des Baumes ist jedoch nicht zu gerne gesehen. Wenn die Lies geklaut wurde, sind die Kerwebuschen am nächsten Tag meist dem Hohn und Spott der vorigen Jahrgänge ausgesetzt, da diesen die Schmach „angeblich“ nie passiert ist.
Am Montag wird dann der „Betz ausgetanzt“ (teilweise auch der „Kirchweihbaum ausgetanzt“). Dabei suchen sich die Burschen am Montag morgen ein Mädchen aus und tanzen, meist sogar in ortstypischer Tracht. Dabei wird pro Runde ein Blumenstrauß von Paar zu Paar gegeben. Auf einem Wecker wurde eine bestimmte Zeit eingestellt, zu der er dann klingelt. Wer dann den Strauß hat, ist der „Masta“ (Meister) und muss die Zeche für die Burschen für den ganzen Abend zahlen. Zusätzlich werden nach der Kirchweih alle Burschen und ihre Mädchen bei ihm zum Schnaps- und Kaffeetrinken eingeladen. Oftmals fällt auf den Montag auch die Übergabe der Kirmes an die Kirmesburschen des nächsten Jahrgangs, wobei das Publikum durch zu bestehende Prüfungen derer unterhalten wird.
Auch gehört zur Kirchweih in manchen Orten eine Kirchweihpredigt, in welcher Ereignisse des vergangenen Jahres ausgewertet werden. Am Ende des Kirchweihfestes wird dann die Kirchweih (in der Pfalz „Kerweschlumbl“ oder „Kerweliesl“) beerdigt.
Neben der „normalen“ Kerb gibt es in vielen Gegenden noch weitere Abarten dieses Festes. So wird in Büttelborn z. B. die „Spargelkerb“ gefeiert, wo auch eine Spargelkönigin gekürt wird. In den 50er Jahren wurde dort auch die „Kartoffelkerb“ abgehalten. In Trebur gibt es die „Zuckerrübenkerb“.
In Kirchweih-Lieder
Analog zu den verschiedenen Bezeichnungen für „Kirchweih“ werden Kirchweih-Lieder in den jeweiligen Dialekten gesungen. Beispiel:
- „Wem ist die Kerb? – Unser!“ (Nauheim – Kreis Groß-Gerau)
- „Wem isch die Kerwe? – Unser!“ (Kurpfalz)
- „Wem is die Kerwe? – Unser!“ (Vorderpfalz)
- „Wer houd Kirwa? – Mir hom Kirwa!“ (Oberpfalz)
- „Wem iss (werd) die Kerb? – Uss!“
- „Kirmes, Kirmes, Kirmes is heut!“ (Ober Eichsfeld)
- „Die Kärwa is kumma, die Kärwa is dou!“ (Franken)
- „Bem is die Kirmes? – Uns!“ (Osthessen)
- „Wem es de Kemess? – Uus!“ (Nassau)
Traditionen
siehe auch: Hauptartikel Kirchweihtraditionen
Traditionell trafen sich Menschen nach der Messe am Marktplatz, um von vorbeiziehenden Händlern Waren zu erstehen. Diese Tradition hielt sich mancherorts bis heute.
Anlässlich der Kirchweihfeste findet neben religiösen Feiern (Gottesdienste, Heilige Messen) oft auch ein Volksfest mit Fahrgeschäften (zum Beispiel Karussells) und sonstige Vergnügungen statt, häufig auch eine Verkaufsmesse für Vieh, andere landwirtschaftliche Produkte oder für Waren aller Art.
Bei der kurpfälzer Kerwe wird der „Kerweschlumpel“-Brauch gepflegt – eine weibliche Strohpuppe nimmt an prominenter Stelle an den Kerwefeierlichkeiten teil und wird von den jungen Männern des Ortes umsorgt. Zum Abschluss der Kerwetage wird die Kerweschlumpel unter großem Wehklagen und nach einer Grabrede des „Kerweparrers“ feierlich verbrannt.
Da sich früher die Kirchweihfeierlichkeiten noch über den Montag hinaus hinzogen, gibt es in Altbayern den Spruch: „A guate Kirta geht bis Irta, und bleibst nacha picka, dann halt bis Micka“ (Eine gute Kirchweih dauert bis Dienstag, und bleibst Du nachher hängen, dann halt bis Mittwoch).
In vielen Dörfern wurde früher darauf Wert gelegt, dass die Kirmesburschen ein Mädchen aus einem anderen Ort wählten. Ein Kirmesbursche, der ein Mädchen oder ein Mädchen aus dem gleichen Ort wählte, musste mit diversen Sanktionen (z. B. Bier ausgeben, in den Schweinestall gesperrt zu werden, etc.) rechnen. Sicherlich Brauch (siehe auch: Exogamie), der der Inzucht vorbeugen sollte.
Siehe auch
- Jahrmarkt
- Dult
- Mühlhäuser Kirmes
- Odžak, (Bosnien-Herzegowina) unter Kirchweih (Blagoslov) in Odžak und den umliegenden Gemeinden