Kontenabruf
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Kreditinstitute sind verpflichtet, eine Datei zu führen, in der die Kontostammdaten ihrer Kunden gespeichert sind. In gesetzlich eindeutig geregelten Fällen darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei Erfüllung ihrer Aufgaben auf diese Datei zugreifen sowie Auskunft über einzelne Kontostammdaten eines in Deutschland geführten Bankkontos an andere Behörden erteilen. So z.B. auf Ersuchen des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt), wenn ein Steuerpflichtiger keine hinreichenden Angaben über seine Einkommensverhältnisse geben kann oder will.
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[Bearbeiten] Abfragbare Daten
Gespeichert werden Kontonummer, Eröffnungs- und Auflösungsdatum sowie Namen (Nachname und alle Vornamen), Geburtsdatum des Kontoinhabers, Namen (Nachname und alle Vornamen) eines oder mehrerer evtl. abweichenden wirtschaftlich Berechtigten (hier auch die Adresse) sowie Namen (Nachname und alle Vornamen) und Geburtsdatum von Verfügungsberechtigten des Kontos. Wertpapierdepots werden wie Konten gemeldet. Änderungen der Kontoinformationen sind täglich für den Abruf bereit zu stellen.
Die Daten sind für 3 Jahre zu historisieren. Die Speicherung begann ab dem 1. April 2003 und wurde per 12. Juli 2006 spezifiziert (mit Wirkung zum 1. August 2007).
Eine Speicherung von Kontoständen oder -Umsätzen erfolgt nicht.
[Bearbeiten] Verfahren
[Bearbeiten] Bereitstellen der Daten
Es besteht keine zentrale Datenbank (Kontenevidenzzentrale), in der die Daten zusammengeführt werden. Statt dessen halten die einzelnen Banken die Daten vor. Vielfach wird diese Datenhaltung an externe Dienstleistungsunternehmern (z.B. die Dienstleistungsgesellschaften der jeweiligen Bankenverbände) ausgelagert. Die Banken sind verpflichtet, die Daten in einer gesonderten Datenbank bereit zu halten und erfahren nicht, auf welche Daten die Behörden zugreifen.
[Bearbeiten] Abruf der Daten für steuerliche Zwecke
Finanzbehörden können über das BZSt Kontendaten abrufen, sofern dies für das Besteuerungsverfahren notwendig ist.
[Bearbeiten] Abruf der Daten für andere Zwecke über das BZSt
Die zuständigen Behörden können über das BZSt Kontendaten in folgenden Fällen abrufen:
- Sozialhilfe: Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 82 Abs. 1 Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu dem bei der Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigenden Einkommen gehören, bestimmen sich die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 bis 3 EStG (§ 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII).
- Sozialversicherung: Im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie der sozialen Pflegeversicherung (Sozialversicherung) ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (§ 16 SGB IV).
- Wohnraumförderung: Bei der sozialen Wohnraumförderung basiert das maßgebende Gesamteinkommen auf der Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 und 5 a EStG (§ 21 Wohnraumförderungsgesetz).
- Ausbildungsförderung und Aufstiegsförderung: Bei der Ausbildungsförderung und der Aufstiegsförderung basiert das maßgebende Einkommen auf der Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (§ 21 Bundesausbildungsförderungsgesetz; § 17 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz).
- Wohngeld: Bei der Gewährung von Wohngeld basiert das maßgebende Gesamteinkommen auf der Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 und 5a EStG (§ 10 Wohngeldgesetz).
- Erziehungsgeld: Bei der Gewährung von Erziehungsgeld basiert das Einkommen auf der nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (§ 6 Bundeserziehungsgeldgesetz).
- Unterhaltssicherung: Die Leistungen zur Unterhaltssicherung sind um die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte des Wehrpflichtigen zu kürzen, die er während des Wehrdienstes erhält (§ 11 Unterhaltssicherungsgesetz).
[Bearbeiten] Abruf der Daten für andere Zwecke über die BAFIN
Ordentliche Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden, Zollfahndungsämter, Steuerfahndungsstellen, Straf- und Bußgeldstellen von Finanzämtern, Bundespolizeiinspektionen sowie die BAFIN selbst können bei den Kreditinstituten über die BAFIN Kontendaten für die Erfüllung ihrer Aufgaben abrufen.
Abfragen 2004 | Abfragen 2005 | |
BaFin | 1.380 | 632 |
Polizeibehörden | 26.212 | 38.675 |
Finanzbehörden | 6.057 | 10.008 |
Staatsanwaltschaften | 3.038 | 7.494 |
Zollbehörden | 2.251 | 5.160 |
Sonstige | 479 | 441 |
Gesamt | 39.417 | 62.410 |
[Bearbeiten] Gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Grundlage für das Kontoabrufverfahren ist § 24c des Kreditwesengesetz (KWG). Die Zugriffsmöglichkeiten des BZSt sind in § 93 Abgabenordnung (AO) geregelt. Relevant ist weiterhin der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 10. März 2005.
[Bearbeiten] Kritik
Das Kontenabrufverfahren wird von zwei Seiten kritisiert. Datenschützer befürchten den so genannten Gläsernen Bankkunden und fordern striktere Zugangsbeschränkungen. Von Seiten der Banken wird auf die Kosten des Verfahrens verwiesen, die die Banken tragen müssen, obwohl sie nicht die Nutzer des Systems sind. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind daher zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Kontoabrufverfahren anhängig.