Kristalloptik
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Die Kristalloptik beschäftigt sich mit der Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung, in der Regel im sichtbaren Wellenlängenbereich, mit kristallinen oder anderweitig anisotropen Festkörpern, aber verallgemeinernd auch mit optisch aktiven Flüssigkeiten. Sie ist ein Teilgebiet der Optik, der Festkörperphysik und der Mineralogie.
Die optischen Eigenschaften der Kristalle, die unter anderem für Reflexion, Refraktion und Absorption des Lichtes verantwortlich sind, sind durch ihren regelmäßigen inneren Aufbau bestimmt. Anders als bei den optisch isotropen Gläsern findet man bei Kristallen in der Regel das Phänomen der Anisotropie: Wichtige Eigenschaften wie beispielsweise die Brechzahl sind von der Ausbreitungsrichtung des Lichts im Kristall und seiner Polarisation abhängig.
Genauer gesagt gilt dies für alle Kristalle, die nicht das kubische Kristallsystem aufweisen. Zur Veranschaulichung trägt man in einem dreidimensionalen Diagramm für jede mögliche Ausbreitungsrichtung von Licht im Kristall den Wert der Brechzahl in dieser Richtung ein. Dadurch ergibt sich immer ein Ellipsoid mit in der Regel drei ungleich langen senkrecht aufeinander stehenden Hauptachsen, das man auch als Indikatrix bezeichnet.
- Ist der Kristall kubisch, reduziert sich das Ellipsoid auf den Spezialfall einer Kugel, da alle drei Hauptachsen dieselbe Länge haben. Die Lichtausbreitung ist in diesem Falle isotrop.
- Im Falle des hexagonalen, trigonalen und tetragonalen Kristallsystems sind nur zwei der Hauptachsen gleichlang, man spricht dann von optisch einachsigen oder uniaxialen Kristallen. Die in der Bezeichnung angesprochene Achse steht senkrecht auf den beiden gleichlangen Hauptachsen. Bei Lichteinfall parallel zu dieser Achse findet keine Doppelbrechung statt.
- Drei unterschiedlich lange Hauptachsen finden sich für das orthorhombische, monokline und trikline Kristallsystem, der Kristall heißt nun optisch zweiachsig oder biaxial. Diese beiden Achsen fallen nicht mit Hauptachsen des Ellipsoids zusammen, sie sind vielmehr eindeutig dadurch definiert, dass sie senkrecht auf den einzigen beiden Kreisen stehen, die sich durch Schnitt einer Ebene durch den Mittelpunkt des Ellipsoids mit der Indikatrix erzeugen lassen (alle anderen Schnitte ergeben Ellipsen und keine Kreise). Der Radius dieser Kreise entspricht der von der Länge her mittleren der drei Hauptachsen.
Eine wichtige Folge der Anisotropie von Kristallen ist die Doppelbrechung, das heißt die Aufspaltung von auf den Kristall auftreffendem Licht in einen ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl, die eine unterschiedliche Polarisation aufweisen.
Auch die optische Aktivität von Kristallen lässt sich auf ihre Anisotropie zurückführen: Dabei wird die Polarisationsebene linear polarisierten Lichtes um einen zur im Kristall zurückgelegten Strecke proportionalen Winkel gedreht. Man unterscheidet je nachdem ob die Ebene im Uhrzeiger- oder Gegenuhrzeigersinn gedreht wird, wenn man genau gegen die Ausbreitungsrichtung des Lichtes schaut, rechts- und linksdrehende Kristalle, die auch als optische Modifikationen bezeichnet werden. Als Beispiele seien Linksquarz und Rechtsquarz genannt.
Eine dritte spezifisch auf Kristalle zutreffende optische Erscheinung ist der so genannte Pleochroismus. Das bedeutet, dass Licht je nach Ausbreitungs- und Polarisationsrichtung unterschiedlich stark absorbiert wird. Da die Absorption zusätzlich noch von der Wellenlänge abhängt, zeigt sich der Pleochronismus in einer richtungsabhängigen Farbänderung des durchstrahlten Lichtes, die in extremen Fällen schon mit bloßem Auge feststellbar ist.
Die optischen Eigenschaften eines Kristalls lassen sich durch äußere elektrische und magnetische Felder, aber auch durch mechanische Belastung beeinflussen, in ersterem Fall spricht man vom elektrooptischen Effekt, im zweiten Fall vom magentooptischen Effekt. Umgekehrt können sie zur Diagnose dieser externen Einflüsse herangezogen werden.
[Bearbeiten] Mathematischer Formalismus
Grundlage des mathematischen Formalismus ist die Tatsache, dass die elektrische Feldstärke E und die elektrische Verschiebungsdichte D nicht mehr gleich gerichtet sind. Damit kann die dielektrische Funktion , welche die beiden Formelgrößen verknüpft, nicht mehr als Skalar aufgefasst werden, sondern muss als Tensor zweiter Stufe behandelt werden. Die Beziehung zwischen D und E schreibt sich nun:
wobei ε0 die Dielektrizitätskonstante des Vakuums darstellt.
Wie sich eine elektromagnetische Welle im anisotropen Medium ausbreitet, lässt sich durch Lösen der Wellengleichung für anisotrope Körper berechnen:
- .
Hier stellt k einen Einheitsvektor dar, der in Ausbreitungsrichtung der Welle zeigt, n ist die Brechzahl.
Algebraisch ist die Wellengleichung ein System aus drei gekoppelten Gleichungen, aus dem sich die zwei Brechzahlen für die beiden verschiedenen Polarisationsrichtungen ableiten lassen. Das Gleichungssystem ist jedoch im allgemeinen in Bezug auf die Polarisationsrichtung nicht eindeutig. Deshalb wird ein Verfahren benutzt, um die drei Gleichungen auf zwei zu reduzieren. Zunächst konstruiert man ein System aus drei paarweise senkrecht aufeinander stehenden Vektoren. Zwei davon sind die Ausbreitungsrichtung k und Verschiebungsdichte D, der dritte ist die magnetische Feldstärke H. Da k nicht mehr wie im isotropen Festkörper im 90-Grad-Winkel zu E stehen muss, ist die Wellengleichung nicht geeignet, um den Polarisierungscharakter der Wellen zu bestimmen.
Nun wird ausgenutzt, dass D senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung k steht. Es ist
- ,
wobei ε − 1 der zu ε inverse Tensor ist. Durch Wahl eines neuen Koordinatensystems mit den Koordinaten a, b, c, das so gewählt ist, dass die c-Richtung parallel zu k liegt, kann man das Gleichungssystem von drei auf zwei Gleichungen reduzieren:
Durch Lösen dieses Gleichungssystems erhält man die beiden Brechzahlen und den Polarisationscharakter für jede beliebige Richtung.