Linda (Kartoffel)
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Linda ist eine festkochende Kartoffel mit tiefgelbem Knolleninneren, die als besonders aromatisch gilt. Sie hatte im Jahr 2004 einen Marktanteil von etwa 1,4 % in Deutschland. Beim Direktverkauf von ökologisch wirtschaftenden Landwirten ist sie jedoch eine wichtige Sorte. Um die Verlängerung der deutschen Sortenprüfung ist derzeit ein Rechtsstreit anhängig.
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[Bearbeiten] Sortenschutz in Deutschland
Linda wurde von der Saatzucht Friedrich Böhm, Trauen gezüchtet. Dafür hat 1974 das deutsche Bundessortenamt den Sortenschutz erteilt. Die Produktion und der Verkauf einer Kartoffelsorte in Deutschland bedingt die vorherige Zulassung durch das Bundessortenamt und Eintragung in die Bundessortenliste. Für neue Sorten kann von deren Züchter parallel zur Eintragung in die Bundessortenliste der Sortenschutz beantragt werden. Dieser gewährt ihm für einen Zeitraum von 30 Jahren das alleinige Verfügungsrecht über seine Sorte. Die Eintragung in die Bundessortenliste wiederum bedingt Verpflichtungen für den Antragsteller. Er ist zu einer ordnungsgemäßen Erhaltungszucht verpflichtet und Gebührenschuldner gegenüber den zuständigen Behörden. Der Sortenschutz wurde von der Europlant Pflanzenzucht GmbH genutzt; da er nach 30 Jahren endet, kann jeder Lindapflanzgut vermehren und vertreiben.
[Bearbeiten] Bundessortenliste in Deutschland
[Bearbeiten] Geschichte
Linda war durch mehrmalige Verlängerungen für die Zeit von 1974 bis 2009 in der deutschen Bundessortenliste geführt. Ende 2004 hat Europlant diese Zulassung für die gewerbliche Pflanzgutproduktion mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zurückgezogen, die nach dem Ende des Sortenschutzes auch andere Landwirte hätten nutzen können. Die Eintragung im Sortenregister ist gemäß Saatgutverkehrsgesetz notwendig, damit Saatgut gewerblich gehandelt werden darf. Karsten Ellenberg, Biohofbetreiber und Erhaltungszüchter anderer seltener Kartoffeln, hat am 10. Januar 2005 die Wiederzulassung beantragt, das Verfahren dauert jedoch bis voraussichtlich 2008. Eine Zulassungsverlängerung kann während des Sortenschutzes nur der Schutzinhaber beantragen.
Das Bundessortenamt hatte ursprünglich eine Auslauffrist von sechs Monaten festgesetzt, also bis zum 30. Juni 2005. Es verlängerte sie bis zum 30. Juni 2007, der längstmöglichen Auslauffrist nach dem Saatgutverkehrsgesetz, nachdem Ellenberg dies beantragte hatte. Nach erfolglosem Widerspruch hat Europlant am 7. Juli 2005 eine Schadenersatzklage gegen das Bundessortenamt beim Verwaltungsgericht Hannover eingereicht. Sie argumentiert, dass sie wegen der kurzen Auslauffrist Vermehrungsmaterial, welches von landwirtschaftlichen Vermehrungsbetrieben kostenintensiv produziert wurde, im sechs- bis siebenstelligen Eurobereich vernichtet hätte, dies nach der Verlängerung aber doch hätte verkaufen können.
Europlant weist ihre bisherigen Pflanzgutproduzenten darauf hin, dass sie vertraglich verpflichtet sind, nur an Europlant zu liefern, und hat am 28. Juli 2005 beim Schiedsgericht für Saatgutstreitigkeiten der Landwirtschaftskammer Hannover durchgesetzt, dass drei ihrer bisherigen Vertragspartner das vertragswidrig angebaute Lindapflanzgut bis zur endgültigen Klärung nicht vermarkten dürfen. Die drei berufen sich darauf, dass der Vertrag ausgelaufen sei.
Europlant hat ebenfalls die Wiederzulassung von Linda beantragt.
Zur Unterstützung der Linda hat sich der Freundeskreis Rettet die Linda gebildet, dem die Verbraucherverbände Verbraucherzentrale Hamburg und Slowfood sowie die bäuerlichen Verbände Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bioland und Demeter angehören.
Die im Auftrag der Saatgutindustrie tätige Saatgut-Treuhand möchte von vielen Landwirten Auskunft über die angebauten Sorten wissen, so auch über Linda. Dafür erhielt sie den Big Brother Award 2005 in der Kategorie Wirtschaft,[1] weil sie deren Adressen rechtswidrig erlangt habe, und die Landwirte nicht immer zur Auskunft verpflichtet sind.
[Bearbeiten] Argumente
Europlant argumentiert, dass Linda sehr anfällig gegen Krautfäule, Knollenfäule und Virusnekrosen und nicht resistent gegen Nematoden und Krebserkrankungen sei. Deshalb benötige sie unnötig viel Pflanzenschutzmittel. Des weiteren sei ihre Kocheigenschaft oftmals nicht stabil, das heißt sie verändere diese während der Lagerperiode von fest- zu mehligkochend.
Im Interesse des Umwelt- und Verbraucherschutzes empfehle sie deshalb andere Sorten. Befürworter der Linda verweisen auf die ökologische Landwirtschaft, die Pflanzenschutzmittel gegenüber den ohnehin hohen gesetzlichen Bestimmungen weiter beschränke, sodass eine Gefährdung der Umwelt und der Verbraucher vernachlässigbar sei.
Mit der ebenfalls von ihr angebotenen Kartoffel Belana habe Europlant einen höherwertigen Ersatz, der weniger krankheitsanfällig sei und im Lager nicht die Kocheigenschaften verliere. Bei Testessen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und der Kieler Nachrichten habe sich ferner herausgestellt, dass die neue Sorte Belana den Verbrauchern besser schmecke. Die Anhänger von Linda widersprechen letzterem Argument und loben insbesondere den hervorragenden Geschmack von Linda; die Lagerfähigkeit sei dagegen nicht so wichtig.
Auch ohne Linda gibt es laut Europlant stets neue Sorten, die zudem stets besser als bisherige seien, da dies eine Zulassungsbedingung des Bundessortenamts ist. Kritiker verweisen darauf, dass das Amt nicht über guten Geschmack entscheide. In einer Marktwirtschaft sei dies Aufgabe des Verbrauchers. Gegenüber dem Argument, dass sich die Sortenvielfalt verringere weist Europlant darauf hin, dass eine Rücknahme der Sorte Linda vom Markt nicht komplett durch eine einzige neue Sorte ersetzt werde. Ganz im Gegenteil: Durch die aktive Züchtung neuer Sorten deutscher Unternehmer, darunter auch Biolandwirt Ellenberg, sei eher von einer Zunahme der für den Verbraucher verfügbaren Sorten auszugehen. In Deutschland werden jährlich 10 neue Kartoffelsorten zugelassen. Die Sortenvielfalt nimmt zu.
Europlant verweist auf schlechte Erfahrungen mit anderen Sorten, bei denen nach Wegfall des Sortenschutzes minderwertige Qualität produziert worden sei. Ohne den Sortenschutz könnten Landwirte Linda unter kostengünstigeren, qualitätsmindernden Bedingungen produzieren. Die mit dem Sortennamen vom Verbraucher in Verbindung gebrachte hohe Qualität werde nicht mehr erfüllt. Zum anderen verlören die Anbauer, die die betroffene Sorte weiterhin in bester Qualität mit hohem Kostenaufwand produzierten, ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage. Die Anhänger von Linda argumentieren, dass die Käufer von Linda schon immer besonders qualitätsbewusst seien, und deshalb die Qualität nicht am Namen, sondern an Qualitätsiegeln festmachen. Die Verbraucher hätten aus Erfahrungen mit anderen Sorten wie Bintje und Sieglinde gelernt.
Europlant wird kritisiert, nach dem Wegfall des Monopols für Linda durch Ausnutzung einer Gesetzeslücke im Saatgutverkehrsgesetz Landwirte zu behindern. Dafür hätte sie sogar bereits produziertes Pflanzgut im Wert von mehreren hunderttausend Euro vernichtet. Da Europlant einen Marktanteil von 48% habe, kaufen bisherige Linda-Landwirte voraussichtlich wieder von ihr.
Die Befürworter der Erhaltung der Sorte Linda vertreten die Meinung, dem Recht, 30 Jahre lang den Sortenschutz exklusiv nutzen zu können, stehe das Recht der Allgemeinheit gegenüber, die Sorte anschließend lizenzfrei zu nutzen. Nur wenn die Sorte zu einem öffentlichen Kulturgut werde, finde das staatlich gewährte Monopol Akzeptanz. Dies gelte insbesondere für Grundnahrungsmittel, bei denen auch moralische Gründe gegen eine Exklusivnutzung sprächen.
Die Linda-Erhalter werden vom SPD-Bundestagsabgeordneten und Anwalt für Sortenschutzrecht Matthias Miersch vertreten.
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Weblinks
- Europlant Pflanzenzucht GmbH Argumente gegen weitere Zulassung von Linda
- Biolandhof Karsten Ellenberg Argumente und Presseschau für weitere Zulassung von Linda
- Westdeutscher Rundfunk Bericht vom Mai 2005
- Kartoffelkultur. Letztes Gefecht um Königin der Knollen, Artikel in Spiegel Online vom 4. September 2006
- Beschreibung der Kartoffelsorte Linda