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Liturgische Bewegung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als liturgische Bewegung werden Bestrebungen in den evangelischen Kirchen im deutschsprachigen Raum sowie in der römisch-katholischen Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet, die eine Erneuerung und Vertiefung des Verständnisses der kirchlichen Liturgie unter den Gläubigen zum Ziel hatte.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Römisch-Katholische Kirche

Ihren Ausgang nahm die Bewegung in den Mitte des 19. Jahrhunderts in den Benediktinerabteien von Solesmes und Beuron. Durch deren Wirken erlangte die Gregorianik eine neue Blüte, es wurden Volksmessbücher – wie zum Beispiel der „Schott“ – herausgegeben. Durch das Motu Proprio Tra le sollecitudini Papst Pius X. vom 22. November 1903 wurden die gewonnenen Erkenntnisse von lehramtlicher Seite bestätigt. In diesem Dokument wurde auch zum ersten Mal von der „actuosa communicatio“, der tätigen Teilnahme der Gläubigen am liturgischen Leben der Kirche gesprochen. Dieser Terminus fand Eingang in die Konstitution Sacrosanctum Concilium des 2. Vatikanums.

Der Benediktinermönch L. Beauduin († 1960) machte durch seine Rede beim belgischen Katholikentag am 23. September 1909 in Mecheln die Bewegung in Belgien und Holland bekannt.

Die Wahl Ildefons Herwegen zum Abt von Maria Laach 1913 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der liturgischen Bewegung in Deutschland. In seinem Umfeld entwickelten Romano Guardini, Odo Casel und Johannes Pinsk ihre Gedanken. Guardini schuf mit seinem 1918 erschienenen Werk „Vom Geist der Liturgie“ eine programmatische Zusammenfassung der Bewegung. Sein zentrales Anliegen war die „Weltzuwendung aus der Mitte des Glaubens“ und er sah „die eigentliche Würde des Menschen im Vollzug der Liturgie“. Dabei stand nach wie vor die tätige Teilnahme an der Liturgie im Vordergrund. Wichtiges Instrument war dabei die Verwendung der Volkssprache anstatt des bisher üblichen Lateins. Auch die Feier der Osternacht und die Verwendung des Volksaltars waren wichtigen Elemente.

Durch die Zusammenarbeit mit den katholischen Jugendverbänden – allen voran Quickborn und Bund Neudeutschland – fanden die Ideen im deutschen Klerus rasch weite Verbreitung. Der Augustinerchorherr Pius Parsch verwirklichte die Ideen ab 1922 im Stift Klosterneuburg und machte sie durch volkstümliche Schriften bekannt, in Innsbruck setzte sich der Liturgiewissenschaftler Josef Andreas Jungmann für eine liturgische Erneuerung und Reform (Liturgiereform) ein.

Die von Johannes Pinsk herausgegebenen Zeitschriften Liturgische Zeitschrift (1928 - 1933) und Liturgisches Leben (1934 - 1939), die im Selbstverlag erschien, waren für die liturgische Bewegung einflussreich.

Doch bald regte sich Kritik. Auf der einen Seite war es vielen nicht recht, dass liturgische Bestimmungen missachtet wurden, auf der anderen Seite regte sich auch inhaltliche Kritik. 1939 erschien Max Kassiepes Schrift Irrwege und Umwege im Frömmigkeitsleben der Gegenwart, welches die Ziele der Bewegung scharf angriff. Der Oblatenmissionar Kassiepe war der Ansicht, dass eine Erneuerung des Glaubenslebens nicht dadurch erreicht werden könne, wenn man sein Hauptaugenmerk auf liturgische Detailfragen lerne. Dadurch verliere man den Blick für wesentliches. Einen gewissen Ausgleich in den Auseinandersetzungen erreichte die von der Bischofskonferenz eingesetzte liturgische Kommission sowie die Enzyklika Mystici Corporis vom 29. Juni 1943.

Die Enzyklika Mediator Dei vom 20. November 1947 war die Antwort des Lehramtes auf die liturgische Bewegung. Dabei wurde – in versöhnlichem Ton – manchen Missbräuchen ein Riegel vorgeschoben, auf der anderen Seite jedoch manche Inhalte und Formen bestätigt. Es sollte noch zwei Jahrzehnte dauern, bis mit der Konstitution Sacrosanctum Concilium und der Liturgiereform von 1969 die formalen Forderungen der Bewegung umgesetzt waren. Spätestens im Jahr 1969 hörte die liturgische Bewegung auf zu existieren.

[Bearbeiten] Evangelische Kirchen

Die Neuentdeckung des spezifisch liturgischen Wesens der Kirche haben im deutschen Protestantismus zu einer eigenen Ausbildung der liturgischen Bewegung geführt. Hier unterscheidet man zwischen der älteren und der jüngeren liturgischen Bewegung.


Ältere liturgische Bewegung

Am Ausgang des 19. Jahrhunderts sind es vor allem Kreise aus dem Bereich der sog. liberalen Theologie, die ihr Augenmerk verstärkt auf die Gestaltung des Gottesdienstes legen, um ihn den Anforderungen des gesellschaftlichen Wandels anzupassen. Sie "entdecken" viele liturgische Formen für den Protestantismus neu, so dass bisweilen der Eindruck entsteht, hier würde eine Re-katholisierung des protestantischen Gottesdienstes statt finden. Auch wenn eine Nähe vieler Protagonisten der lit. Bewegung zur römisch-katholischen Kirche nicht abgestritten werden kann, scheinen hier eher Reste der Romantik auf die hochkulturellen Ansprüche kulturprotestantischer Schichten zu treffen. Wichtigstes Organ der älteren lit. Bewegung war die "Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst", die von den beiden Hauptfiguren der Bewegung, Julius Smend und Friedrich Spitta, herausgegeben wurde. Von großem Einfluss waren darüber hinaus die Privatagenden, die in großer Zahl und Variation erschienen und z.T. sogar die offiziellen landeskirchlichen Agenden in den Hintergrund drängten.


Jüngere liturgische Bewegung

Mit dem Ende des ersten Weltkriegs und der daraus folgenden Krise des deutschen Bürgertums setzt eine neue Betrachtung des lit. Handelns ein. Unabhängig voneinander entstehen verschiedene Gruppen und Kreise, die im nach hinein zur jüngeren lit. Bewegung zusammen gefasst werden.

Durch Rudolf Otto gewinnt die Erfahrung des Heiligen und damit ein stark mystischer Zug gegen die pädagogisch-instrumentalisierten Formen Einfluss auf die Gottesdienstgestaltung. Die hochkirchliche Bewegung wird zum Schwerpunkt der Bewegung. Aus dem Umfeld der Jugendbewegung heraus werden hier die ersten Organisationen 1918 gegründet ("Hochkirchliche Vereinigung"). Hier wird von Anfang an auf eine Ökumenizität des Gottesdienstes (deshalb auch hier in der Regel "Messe" genannt) Wert gelegt, anglikanische, römisch-katholische, altkatholische und ostkirchliche liturgische Formen werden wahrgenommen und verarbeitet.

Kennzeichnend sind u.a die Wiederaufnahme gregorianischen Gesangs, die wöchentliche Feier des Abendmahls und die Suche nach verbindlicheren Formen geistlichen Lebens. Aus regelmäßigen Treffen auf dem Gut Berneuchen entsteht 1923 die Berneuchener Bewegung, deren Gruppen bis heute prägend für die liturgische Entwicklung der evangelischen Kirchen sind. Dazu gehören u.a. die Evangelische Michaelsbruderschaft (in der nur Männer Mitglied werden können), der Berneuchener Dienst und die Gemeinschaft St. Michael (siehe Berneuchener Bewegung). Herausragend waren hier die Theologen Karl Bernhard Ritter und Wilhelm Stählin. Prägend für das geistliche Leben ganzer Generationen evangelischer Christen wurde das von der Michaelsbruderschaft herausgegebene "Evangelische Tagzeitenbuch".

Betont lutherisch geprägt ist die 1941 gegründete "Lutherische Liturgische Konfer enz Deutschlands".

Der Förderung des gregorianischen Gesangs hat sich besonders die Kirchliche Arbeit Alpirsbach angenommen, deren Glieder sich zu regelmäßigen Singwochen treffen.


Literatur

Julius Smend: Die evangelischen deutschen Messen bis zu Luthers Deutscher Messe

Julius Smend: Kirchenbuch für evangelische Gemeinden.

Evangelische Michaelsbruderschaft: Evangelisches Tagzeitenbuch

[Bearbeiten] Literatur

  • Walter Birnbaum: Die deutsche katholische Bewegung. Katzmann, Tübingen 1966
  • Didier Bonneterre: Die liturgische Bewegung. Von Dom Guéranger bis Annibale Bugnini oder das Trojanische Pferd in der Stadt Gottes. Mediatrix, Wien 1981, ISBN 3-85406-024-6
  • Max Kassiepe: Irrwege und Umwege im Frömmigkeitsleben der Gegenwart. 2. Aufl. Echter, Würzburg 1940
  • Johannes Wagner: Liturgische Bewegung. In: Lexikon für Theologie und Kirche. 2. Auflage. Herder, Freiburg i. B. 1961 (6. Band)

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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