Martin Bartenstein
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Martin Bartenstein (* 3. Juni 1953 in Graz) ist österreichischer Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (ÖVP).
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
Martin Bartenstein studierte nach seiner Matura in Graz von 1971 bis 1978 Chemie an der Karl-Franzens-Universität Graz. 1978 wurde er zum Dr. phil. promoviert. 1974 absolvierte er ein Semester an der Miami Universität Ohio (USA). Nach dem Abschluss des Studiums der Chemie trat er 1978 in das Familienunternehmen Lannacher Heilmittel GmbH ein, dessen Alleingeschäftsführung er 1980 übernahm. Diese Funktion übte er bis 1995 aus. 1986 gründete er zusammen mit seinem Studienkollegen, Wolfgang Leitner, das Pharmaunternehmen Genericon, das bis heute sehr erfolgreich ist. Kritiker sehen durch dieses persönliche Naheverhältnis zur Pharma -und Generikaindustrie Interessensunvereinbarkeiten mit seinen politischen Ämtern begründet.
Von 1988 bis 1992 war Martin Bartenstein Bundesvorsitzender der Jungen Industrie Österreichs. Seit 1992 ist Bartenstein Landesparteiobmann-Stellvertreter der ÖVP Steiermark.
Bartenstein war von 1991 bis 1994 als Abgeordneter zum Nationalrat und Industriesprecher der ÖVP, von 1994 bis 1995 als Staatssekretär im Bundesministerium für Öffentliche Wirtschaft und Verkehr tätig. 1995 wurde er Bundesminister für Umwelt. In dieser Funktion übernahm er bei der Wiener Tagung 1995 die Konferenzpräsidentschaft zum Montreal-Protokoll. Ab 1996 war er Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, wobei ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit der Kampf gegen sogenannte Sekten, neu- und pseudoreligiöse Gruppen war. 1998 war er Ratsvorsitzender der EU-Vertreter bei der Klimaschutzkonferenz in Buenos Aires.
Im Jahr 2000 übernahm er das Wirtschaftsministerium, das nun zum Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit umgeformt wurde. Diese Zusammenlegung der beiden bislang getrennten Ressorts zu einem Ministerium führte zu heftiger Kritik, da dadurch der Interessensgegensatz von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu Gunsten der Unternehmer verschleiert würde. Bartenstein gilt als einer der vermögendsten österreichischen Politiker.
[Bearbeiten] Weitere öffentliche Ämter
Bartenstein ist ständiges Mitglied des OECD Roundtable for Sustainable Development. Er war in verschiedenen Funktionen in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Steiermark und in der Bundeswirtschaftskammer tätig. 1990 war er Kurator des ORF. Seit 2002 ist er Präsident der Österreichischen Basketball-Verbandes (ÖBV). Seit 1992 ist er Obmann der Steirischen Kinderkrebshilfe, seit 1993 Präsident der Kinderkrebshilfe.
[Bearbeiten] Die Arbeitsmarktpolitik des Martin Bartenstein
In die Amtszeit Martin Bartensteins als Wirtschaftsminister fällt sowohl die höchste Beschäftigung, als auch die höchste Arbeitslosigkeit der 2. Republik in Österreich. Das erklärte Ziel Bartensteins, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, wurde klar verfehlt: Die Zahl der in der amtlichen Statistik arbeitslos registrierten Personen (ohne Hinzunahme der als "arbeitsuchend" registrierten Erwerbslosen) hat sich vom Jahr 2000 (Jahresschnitt: 194.314 Personen) bis 2005 (252.655 Personen) um 30,0% erhöht. Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit weist unter der Amtsführung Bartensteins einen drastischen Anstieg auf: Von 2000 bis 2005 hat sich die Zahl arbeitslos gemeldeter Jugendlicher (unter 25 Jahre) um 48,74% von 27.945 auf 41.568 erhöht; die Zahl der als arbeitssuchend registrierten Jugendlichen ist sogar um 70,17 % gestiegen.
Kritiker führen dies insbesondere auf eine verfehlte Konjunktur- und Steuerpolitik zurück, die 2001, zum Zeitpunkt des Konjunkturtiefs, als einziges Land der EU die Steuern stark anhob. Österreich erreichte so mit 46,5 % des BIP die höchste Abgabenquote seiner Geschichte, was laut der Kritik von Medien und Experten dazu geführt hätte, dass die Entwicklung des Binnenkonsums weiter gebremst und die Arbeitsmarktsituation in der Folge verschärft worden sei. Der Anstieg der Beschäftigten bei gleichzeitiger Rekordarbeitslosigkeit wird u.a. auch darauf zurückgeführt, dass wenig qualifizierte Arbeitskräfte auf den österreichischen Arbeitsmarkt kommen, während die Unternehmen einen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften haben, wodurch es zu einem Anstieg qualifizierterer ausländischer Arbeitskräfte in Österreich kam. Ein Beispiel dafür ist der Bereich Gastronomie.
Vor allem fällt in Amtszeit von Martin Bartenstein ein rapider Trend von Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigungen. Kritiker verweisen auf die in Österreich bisher nicht gekannte Gruppe der "working poor", die in keiner Arbeitslosenstatistik aufscheinen. Selbst in der kurzen Phase vor den Nationalratswahlen 2006, in der Bartenstein vor einem guten konjunkturellen Hintergrund seine Anstrengungen im Kampf gegen die sichtbare Arbeitslosigkeit intensivierte und noch mehr Menschen in Schulungen unterbrachte und die Anreize für Teilzeitbeschäftigung erhöhte, sank die Zahl der Vollzeitbeschäftigten während die Teilzeibeschäftigung stark zunahm. Nach Berechnungen des WIFO sind zwischen 2000 und 2005 rund 85.000 Vollzeitarbeitsplätze verloren gegangen, die Teilzeitbeschäftigung hat zugleich um 140.000 zugenommen.[1] Damit tritt auch in Zeiten sich positiv entwickelnder offizieller Arbeitslosenstatistiken immer stärker Teilzeitarbeitslosigkeit, die nicht statistisch erfasst wird, an die Stelle von Erwerbsarbeit, die die materiellen Bedürfnisse der Betroffenen decken kann.
Eine Möglichkeit, die offiziellen Arbeitslosenzahlen in Österreich zu senken, deren sich schon Bartensteins Vorgänger bedienten, ist es, die Arbeitslosen in Kursen des Arbeitsmarktservice (AMS) anzumelden. Dadurch scheinen diese nicht mehr in der offiziellen Arbeitslosenstatistik auf. So konnte Bartenstein im April 2006 von einer Entspannung am Arbeitsmarkt sprechen, weil die offizielle Statistik einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit auswies. Tatsächlich konnte dies nur dadurch erreicht werden, dass 10.000 Menschen zusätzlich in AMS-Schulungen geschickt wurden. Aus kritischer Perspektive steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich trotz Wirtschaftswachstums auch weiterhin.
Seit Mitte der 1990er Jahre machten Politik und AMS das verhaltene Wirtschaftswachstum in Österreich und Europa für die wachsende Arbeitslosigkeit verantwortlich und legten sich in der Hoffnung auf Beseitigung der Arbeitslosigkeit durch beschleunigtes Wirtschaftswachstum strategisch auf ein Abwarten der nächsten Konjunkturphase fest; das, obwohl zu dieser Zeit internationale Beispiele bereits belegten, dass das Wirtschaftswachstum ohne Beschäftigungszuwachs (Jobless Growth) diese Hoffnung enttäuschen würde. Es folgt nun einer Phase der Stagnation mit wachsender Arbeitslosigkeit eine Phase des Wirtschaftswachstums mit wachsender Arbeitslosigkeit.
Im Mai 2006 kritisierte der Rechnungshof in einem Prübericht zum AMS u.a. die mangelhafte Umsetzung der von Bartenstein eingeleiteten Restrukturierung des AMS, sowie nicht den Vorgaben entsprechende Beratung, Verletzung der Intimsphäre der Kunden, personelle Überbesetzung, Managementfehler und schlechte interne Zusammenarbeit der Abteilungen des AMS.
[Bearbeiten] Trivia
- Für negative Schlagzeilen und öffentliche Häme sorgte Bartenstein im Frühjahr 2003 mit der so genannten Schuhaffäre, als er in einem Schuhgeschäft Rabatt verlangte und dieses Ansinnen bis an die Geschäftsführung herantrug, wo ihm stattgegeben wurde.
- Bartenstein ist Besitzer des Schlosses Lannach, welches während der NS-Diktatur das SS-Institut für Pflanzengenetik beherbergt hat und eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen war. Bartenstein sagt, er habe von diesem Teil der Geschichte des Schlosses Lannach nichts gewußt und kündigt eine wissenschaftliche Aufarbeitung an.
- Bartenstein ist Mitglied des "Akademischen Turnvereins Graz", einer nichtschlagenden national-freiheitlichen Studentenverbindung, die sich zur "deutschen Kulturnation" und dem "Jahn'schen Turnen" bekennt.
- Martin Bartenstein verfügt über ein geschätztes Privatvermögen von €110 Mio.[2]
[Bearbeiten] Weblinks
- Biografie, Kontaktangaben und Debattenbeiträge von Martin Bartenstein im österreichischen Parlament
- Literatur von und über Martin Bartenstein im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
- Lebenslauf (www.bmwa.gv.at)
[Bearbeiten] Quellen
Vinzenz Kotzina | Josef Moser | Karl Lausecker | Karl Sekanina | Ferdinand Lacina | Heinrich Übleis | Robert Graf | Wolfgang Schüssel | Johannes Ditz | Johann Farnleitner | Martin Bartenstein
Personendaten | |
---|---|
NAME | Bartenstein, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | Unternehmer, Minister |
GEBURTSDATUM | 3. Juni 1953 |
GEBURTSORT | Graz |