Mozarabischer Ritus
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Der Mozarabische Ritus, (auch mozarabische Liturgie, westgotische Liturgie oder altspanische Liturgie) ist eine Liturgieform innerhalb der römisch-katholischen Kirche, die sich auf der Iberischen Halbinsel entwickelt hat und die heute noch an einigen wenigen Orten in Spanien praktiziert wird. Auch Bezeichnungen wie Toledanischer Ritus oder Isidorianischer Ritus (nach Isidor von Sevilla) sind vereinzelt zu finden.
[Bearbeiten] Geschichtliche Entwicklung
Der infolge der raschen Ausbreitung des Christentums entstandene Ritus war ein Zeichen der erstarkenden Kirche auf der Iberischen Halbinsel und ihrer relativen Unabhängigkeit von Rom. Die Liturgie wurde schon im 4. und 5. Jahrhundert, also kurz nach der Erhebung des Bistums Toledo zum Erzbistum Toledo, in Spanien gefeiert und ist zur Zeit der Westgotenherrschaft und der Bekehrung der arianischen Westgoten zur Dreifaltigkeitslehre um 589 belegt. Ihre Hauptverbreitungszeit wird auf das 7. Jahrhundert datiert.
Nach dem Einfall der Mauren im Jahre 711 in Hispanien und der damit verbundenen Ausbreitung des Islams durfte diese Liturgie während der maurischen Herrschaft weiterhin gefeiert werden. Die verbliebenen christlichen Bewohner im maurischen Teil Hispaniens wurden auch Mozaraber genannt, woraus sich der Name des Ritus ableitet.
Die Übernahme der römischen Liturgie und Kirchenordnung ist Bestandteil der “Europäisierung” der Iberischen Halbinsel, da für die Besiedlung der von den Christen im Rahmen der Reconquista neu gewonnenen Regionen und der damit verbundenen Organisation weltlicher und kirchlicher Herrschaft nicht nur geeignete Personen, sondern zum Teil auch neue rechtliche Grundsätze und Formen nötig wurden. Besonders das Papsttum unterstützte diesen Prozess, der auch die Besetzung von Bischofssitzen mit französischen Klerikern, den wachsenden Einfluss der Benediktinerregel und der Cluniazenser, die Ablösung der traditionellen westgotischen durch die schon lange in Westeuropa übliche karolingische Schrift u.a. umfasste.
Der Historiker Klaus Herbes unterscheidet die seit der Westgotenzeit sich auf der Iberischen Halbinsel herausgebildete mozarabische Liturgie von der römischen vorrangig in ihren Formen und Abfolgen:
- größere Anzahl von Lesungen aus dem Alten Testament; - andere Anordnung einzelner Teile der Messe; - z.T. abweichende Mönchsliturgie; - differenzierterer Festkalender; - die mozarabische Messe war in zwei deutlich getrennte Abschnitte geteilt, Katechumenen, d.h. (erwachsene) Taufschüler, durften nur am ersten, Getaufte auch am zweiten Teil teilnehmen; - die Kommunion wurde unter beiderlei Gestalten gereicht; - das Vaterunser wurde vor der Wandlung gesprochen; - das Credo war in das Hochgebet der Messe integriert; u.a.
Nachdem Papst Alexander II. den Wechsel verordnet haben soll, begann dieser im Königreich Aragón und wurde 1080 auf einem Konzil in Burgos für alle Landesteile der Iberischen Halbinsel als verbindlich erklärt.
Gegen die Durchsetzung des römischen Ritus gab es vielfältigen Widerstand, da der Rituswechsel den Anschluss der Kirchen der Iberischen Halbinsel an Rom bedeutete. Damit verbunden war eine deutliche Schwächung des Einflusses der Laien in den Kirchen und Klöstern, was wiederum die Grundlagen der Herrschaft des Iberischen Adels einschränkte und letztlich die Zentralgewalt des Königtums stärkte.
Mit der einheitlichen Einführung des Römischen Ritus im Rahmen der Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts wurde die mozarabische Liturgie durch Papst Gregor VII. 1074 verboten. Der Papst erlaubte nur sechs Pfarren, den Mozarabischen Ritus weiterzuführen. Das Konzil von Trient bestätigte jedoch neben dem Ambrosianischen auch den Mozarabischen Ritus in dem bestehenden Umfang.
Heute ist der Mozarabische Ritus im Großen und Ganzen als ausgestorben zu betrachten und kommt nur noch in sehr beschränktem Ausmaß in einer nach den Vorgaben der Liturgiereform bearbeiteten Form vor allem in und um Toledo zur Anwendung.
[Bearbeiten] Literatur
- Ludwig Vones, Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter 711-1480: Reiche - Kronen - Regionen, Sigmaringen (Thorbecke) 1993, 390 S., hier besonders: S. 83 ff., ISBN 3799571132
- Klaus Herbes, Geschichteb Spaniens im Mittelalter. Vom Westgotenreich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Stuttgart (Kohlhammer) 2006, 382 S., hier besonders: S. 150 ff.
ISBN-10:3-17-018871-2 sowie ISBN-13:978-3-17-018871-6
[Bearbeiten] Weblinks
Siehe auch: Mozarabische Sprache