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Placebo

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel befasst sich mit dem medizinischen Begriff des Placebo, für die britische Rockband siehe Placebo (Band).

Ein Placebo (lat. „ich werde gefallen“) im engeren Sinne ist eine Tablette oder ein anderes medizinisches Präparat, welches keinen pharmazeutischen Wirkstoff enthält und somit per Definition auch nicht durch einen solchen Stoff eine pharmazeutische Wirkung verursachen kann. So ist die Wirkung eines solchen Scheinmedikaments auch keine pharmakodynamische, sondern eine rein psychische. Im medizinwissenschaftlichen Sprachgebrauch werden heute im erweiterten Sinne auch alle anderen therapeutischen Maßnahmen als Placebo bezeichnet, die ohne naturwissenschaftlich erwiesenen Wirkungsnachweis trotzdem eine positive Reaktion, dem so genannten Placebo-Effekt, am Patienten bewirken können.

Das Gegenstück ist der Nocebo-Effekt (lat. nocebo: „ich werde schaden“). Hierbei handelt es sich im engeren Sinne um negative Nebenwirkungen, die mit einem Placebo auftreten, aber eigentlich nicht auftreten könnten, weil das Placebo ja keinen Wirkstoff enthält. In manchen Fällen können bestimmte Bestandteile eines Placebos auch eine Unverträglichkeitsreaktion auslösen, dies ist aber kein Nocebo-Effekt, da dieser ebenfalls rein psychischer Natur ist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definition

Ein Placebo wird in einer für Medikamente üblichen Darreichungsform hergestellt; es enthält jedoch keinen wirkenden Inhaltsstoff. Weiß der Patient, dass er ein Scheinmedikament einnimmt, so verschwindet auch der positive Effekt auf den Heilungsverlauf.

In der Medizin wird zwischen verschiedenen Typen unterschieden:

  • Echte oder reine Placebos: Damit werden Scheinmedikamente bezeichnet, die nur Milchzucker oder Stärke enthalten. Auch Hilfsstoffe wie Geschmackskorrigentien oder Farbstoffe können enthalten sein. In diese Kategorie gehören auch spezielle Placebo-Akupunkturnadeln, die nicht durch die Haut stechen, sondern in den Nadelhalter einfahren. Der Nadelhalter bleibt dann auf der Haut kleben.
  • Pseudo-Placebos: Es sind echte Medikamente, die jedoch im konkreten Anwendungsfall nach aktueller wissenschaftlicher Erkenntnis nicht wirken können, weil entweder die verabreichte Dosis zu niedrig ist, oder das Wirkungsspektrum keinen spezifischen Einfluss auf die bestehende Krankheit hat.
  • Psychoaktive Placebos: Für besondere Studien werden diese Placebos als Kontrolle eingesetzt. Sie haben nicht die Wirkung des Medikaments, sondern ahmen nur dessen Nebenwirkungen nach.

Placebos werden hauptsächlich in der Forschung eingesetzt. Durch placebokontrollierte, doppelblinde, randomisierte Studien wird die pharmazeutische Wirksamkeit von Medikamenten genau untersucht. Ein Teil der Probanden erhält das zu testende Medikament (Verum), während die Kontrollgruppe ein optisch identisches Placebo erhält. Die Differenz zwischen der gemessenen Wirksamkeit in beiden Gruppen kann so der Wirkung des Verums zugeschrieben werden. Dadurch kann der zum Placebo-Effekt dazukommende Effekt des Verums ermittelt werden, welcher auch wesentlich kleiner als der Placebo-Effekt, und dennoch, für sich genommen, noch statistisch signifikant sein kann. Die in wissenschaftlichen Studien gefundene und für das Verum sprechende statistische Signifikanz der Wirkung (die in diesem Zusammenhang unbedingt von der Relevanz der Wirkung des Verums zu unterscheiden ist) ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Zulassung eines Medikamentes durch die zuständigen Gesundheitsbehörden

Doppelblind sind die Studien, da weder der Arzt noch die Patienten wissen, ob Placebo oder Verum verabreicht wurde. Dadurch wird jegliche Beeinflussung des Ergebnisses ausgeschlossen. Dieser doppeltblinde Ansatz kann die Führung von Studien, in denen das Verum nicht in einer leicht in ein Placebo überführbaren Form vorliegt, vor große Herausforderungen stellen und möglicherweise nur unvollkommen durchgezogen werden. Derartige Studien können bezüglich ihrer wissenschaftlichen Qualität und der Gültigkeit ihrer Aussagen angreifbar werden.

Randomisiert heißt, dass die Kontrollgruppe durch den Zufall, beispielsweise durch das Ziehen von Losen, bestimmt wird. Damit wird vermieden, dass Faktoren wie z. B. das Stadium der Krankheit unbewusst einbezogen werden. Die Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffes muss signifikant über der Wirksamkeit eines Placebos liegen, damit seine medizinische Wirksamkeit als wissenschaftlich erwiesen gelten kann.

Der Placebo-Effekt macht einen großen Teil des Behandlungserfolgs bei bestimmten psychischen Erkrankungen aus. So erzielen Placebos gegenüber unbehandelten Patienten bereits eine signifikant größere Wirkung, allerdings auch signifikant geringer als ein entsprechendes Medikament.

Der Placebo-Effekt ist nach Ansicht einer Anzahl von Wissenschaftlern nicht mit einer Spontanheilung gleichzusetzen, auch wenn vermutet wird, dass bei beiden ähnliche biochemische Prozesse zu beobachten sind. Bei einer Spontanheilung beseitigt der Körper die Krankheit ohne wissentliche Hilfe von außen. Beim Placebo-Effekt hingegen werde der Körper durch äußere Einflüsse angeregt, die eine verstärkende Wirkung auf die Heilung haben sollen. Dieser These steht die entgegengesetzte Meinung entgegen, laut der der Placeboeffekt ausschließlich auf Spontanremission, natürlicher Fluktuation der Symptome und subjektive Beeinflussung der Ergebnisse seitens der Ärzte und Patienten zurückzuführen ist (siehe unten).

Darüber hinaus zeigten Forschungen, dass Eigenschaften wie Größe, Farbe, Art der Verabreichung und Geschmack die positiven Effekte von Placebos beeinflussen. Demnach sind große bunte Kapseln wirkungsvoller als kleine weiße Tabletten. Dementsprechend werden Medikamente und Placebos mitunter gestaltet. Da die Beobachtungen in erster Linie auf den subjektiven Angaben von Patienten beruhen, besagen die Studienergebnisse jedoch nichts über objektiv bessere Wirkungen von bestimmten Placebo gegenüber anderen oder einer Nullbehandlung.

[Bearbeiten] Nocebo-Effekt

Das Nocebo-Phänomen wurde erstmals 1961 (Kennedy, W.P.- The nocebo reaction - Med. World) beschrieben und stellt sozusagen das Gegenstück zum Placebo-Effekt dar. Die Angst vor den bekannten Nebenwirkungen einer bestimmten Arznei oder auch eine allgemeine, negativ- pessimistische Grundeinstellung des Patienten gegenüber bestimmten Therapiemaßnahmen, kann spezifische und unspezifische Nebenwirkungen verstärkt in Erscheinung treten lassen und somit negativ auf die Genesung des Patienten einwirken.

[Bearbeiten] Fallbeispiele

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Mr. Wright hatte Krebs in einem sehr späten Stadium. Er nahm an einer Studie teil, die die Wirkung eines umstrittenen neuen Medikamentes, Krebiozen, prüfen sollte. Es wurde als Wundermittel angepriesen, noch bevor es schlüssige Beweise gab. Auf die Einnahme hin verbesserte sich sein Zustand merklich, er nahm zu, fühlte sich besser und seine Tumore schrumpften beträchtlich. Nachdem er jedoch negative Berichte über das Medikament in der regionalen Presse gelesen hatte, verschlechterte sich sein Zustand merklich, auch seine Tumore wuchsen wieder. Da die Ärzte davon ausgingen, dass die überraschende Heilung bei Wright durch seine Überzeugung stattgefunden hat, machten sie ihm Hoffnung und sagten, dass dies nur die erste Lieferung gewesen sei, eine verbesserte Version würde bald geliefert. Daraufhin bekam er wieder Spritzen, ab da allerdings mit sterilisiertem Wasser. Wie erwartet machte er daraufhin wieder die gleiche wundersame Wandlung durch. Als die Zeitungen aber bald druckten, dass die American Medical Association Krebiozen als wirkungslos befunden hat, verschlechterte sich sein Zustand rapide. Kurz nach der Veröffentlichung der Berichte starb er.

Kritisch muss hierbei jedoch die mangelnde Repräsentativität des Falles sowie die Möglichkeit einer auch bei Krebs vorkommenden Spontanremission bemerkt werden.

Nicht nur Medikamente, auch Operationen weisen einen Placebo-Effekt auf. In einem Experiment in Houston in Texas wurden 120 Patienten mit Knie-Arthrose operiert, 60 erhielten oberflächliche Schnitte auf der Haut. Nach zwei Jahren waren 90 Prozent der Patienten beider Gruppen mit der Operation zufrieden. Einziger Unterschied war, dass die Nicht-Operierten weniger Schmerzen verspürten als ihre Kontrollgruppe. Ob dies jedoch auf die aktive Wirkung einer Placebooperation hindeutet, oder vielmehr von negativen Auswirkungen durch die tatsächliche Operation ausgegangen werden muss, ist umstritten.

Ein ähnliches Experiment wurde auch in einer niederländischen Klinik durchgeführt. Bei 200 Patienten wurde eine Bauchspiegelung durchgeführt, per Los wurde dann entschieden, ob die Operation durchgeführt wird oder nicht. Danach wurden die Patienten ein Jahr lang beobachtet, beide Gruppen unterschieden sich kaum. Abermals muss jedoch bei kritischer Sicht der Einwand erhoben werden, dass es sich bei der Operation schlicht um eine wirkungslose Behandlung handeln könnte.

Ein gutes Beispiel für den Plazeboeffekt ist Einsatz von Botulinumtoxin bei chronischen Spannungskopfschmerzen. Hier war die Responderrate 70%, allerdings war die Responderrate für die Injektion von Botulinumtoxin in Nacken− und Kopfmuskeln genau so hoch wie bei der Injektion von physiologischer Kochsalzlösung. Auch dies ist wiederum ein Beispiel dafür, dass invasive Verfahren einen deutlich höheren Plazeboeffekt haben, als medikamentöse Therapien. [1].

[Bearbeiten] Wirkung

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Der Anteil der Patienten in einer kontrollierten Studie, die unter Placebo eine Besserung erfahren, wird als Placebo-Rate bezeichnet. Der Placebo-Effekt ist vermutlich umso geringer, je schwerer die organische Schädigung fortgeschritten ist. Die genaue Wirkungsweise oder Nichtwirkungsweise des Placebos ist noch nicht ausreichend erforscht.

Neuere Untersuchungen mit scheinbar stark wirksamen Schmerzsalben zeigen erhöhte Gehirnaktivitäten in bestimmten Regionen des Limbischen Systems, sichtbar gemacht im Magnetresonanztomogramm. Der Glaube an eine erwartete Besserung der Beschwerden in Verbindung mit dem Scheinmedikament bewirkt bei Schmerzen die Freisetzung von Endorphinen, er bewirkt bei Infektionen und Entzündungen die Aktivierung des Immunsystems, er entspannt bei Asthma verengte Bronchien, es senkt über die Erweiterung arterieller Gefäße den erhöhten Blutdruck und hat möglicherweise weitere Effekte.

Die Wirkung von Placebo wird durch einen psychischen Aspekt ausgelöst und wirkt sich laut einigen Studienergebnissen auf chemische Weise aus. Man könnte von einer erwünschten psychosomatischen Reaktion sprechen. Diese könnte auch durch die Patientenführung und Autorität des Behandelnden ausgelöst und verstärkt werden. Umgekehrt könnten Skepsis und Unsicherheit im Sinne eines Nocebo-Effekts ein an und für sich potentes Mittel in seiner Wirkung beeinträchtigen.

Zwei der der populärsten Theorien zur Erklärung des Placebo-Effekts sind die Theorie der Erwartung und die der Konditionierung.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Wirkpotenz eines Placebos zu messen:

  1. Als Unterschied zwischen der Placeborate und einem Zeiteffekt, d.h. der in der gleichen Zeit in einer unbehandelten Kontrollgruppe beobachteten Besserung.
  2. Durch Vergleich einer offenen und einer verblindeten Placebo-Einnahme. Bei der offenen weiß der Patient, dass er ein Placebo einnimmt, bei der verblindeten nicht.

Ein Teil des Placebo-Effekts lässt sich über eine Regression zum Mittelwert erklären.

[Bearbeiten] Psychologische Wirkung: Erwartung

Diese Theorie klingt einfach: Wenn der Patient damit rechnet, dass es ihm durch die Einnahme eines Medikamentes besser geht, ist es wahrscheinlich, dass es auch der Fall sein wird. Das Problem dabei ist, dass man Schmerzen nicht objektiv messen kann, sondern sich vollkommen auf die Aussagen der Probanden verlassen muss. Somit ist es schwierig, zu beweisen, dass Placebos nicht nur eine psychische Wirkung haben (der Patient empfindet den Schmerz als weniger stark, obwohl die Reize die gleichen sind), sondern wirklich den Schmerzreiz lindert.

Eine repräsentative New Yorker Studie von 1970 an Asthmapatienten zeigt beispielsweise, wie extrem die Auswirkungen auf den Körper sind. Sie bekamen zwei verschiedene Medikamente: Isoproterenol, welches die Bronchien erweitert und Carbachol, das die Bronchien verengt. Bei letzterem ist also eine Verschlimmerung des Asthmas zu erwarten. Nach der Verabreichung wurde bei jedem Patienten das Lungenvolumen und der Luftstrom gemessen. Einmal sagte man den Patienten, um welches Medikament es sich handelt, das andere Mal sagte man ihnen, dass sie das genau gegenteilige Mittel bekommen.

Als Resultat fand man in erster Linie heraus, dass die Medikamente besser wirken, wenn der Patient weiß, welches Medikament er bekommt. Von weitaus größerem Interesse ist in diesem Fall die Tatsache, dass sich die Bronchien bei den Patienten, die zwar Carbachol bekamen, aber glaubten, sie bekämen Isoproterenol, tatsächlich erweitert haben - ebenso umgekehrt. Dies waren keine Nebenwirkungen, die für das jeweilige Medikament unter normalen Umständen bekannt sind. Dieses erstaunliche Ergebnis zeigt, dass die Erwartung unter bestimmten Umständen den Placeboeffekt so stark unterstützen kann, dass er die chemische Wirkung nicht nur aufhebt, sondern sogar umkehren kann.

Entblindete Blindstudien sind allerdings von zweifelhaftem Wert: "Success of blinding is a fundamental issue in many clinical trials. The validity of a trial may be questioned if this important assumption is violated." [2]. Denn entblindete Probanden neigen dazu das Ergebnis durch vorurteilbehaftetes Handeln massiv zu verfälschen: "When unblinded, participants may introduce bias through use of other effective interventions, differential reporting of symptoms, psychological or biological effects of receiving a placebo (although recent studies show conflicting evidence), or dropping out..") [3].

Als Beispiele für entblindete Blindstudien siehe die folgenden Beiträge, in denen Akupunkturstudien vorzeitige Entblindung vorgeworfen wird: Archives of Internal Medicine,Deutsches Ärzteblatt.

[Bearbeiten] Psychologische Wirkung: Konditionierung

Die klassische Konditionierung besagt, dass dem natürlichen, meist angeborenen Reflex künstlich ein neuer, bedingter Reflex hinzugefügt werden kann. Gegeben sei ein unkonditionierter Reiz (US), der als Reflex eine unkonditionierte Reaktion (UR) auslöst. Bietet man nun vor dem US mehrfach einen bislang neutralen Reiz dar, so wird letzterer zum konditionierten Reiz (CS). Er löst nun ebenfalls eine Reflexreaktion (die konditionierte Reaktion CR) aus, die der unkonditionierten Reaktion UR meist sehr ähnlich ist. Ein Fallbeispiel: Der kleine Albert hört ein lautes Geräusch wie ein Schlag auf ein Rohr dicht hinter ihm. (US) Er erschrickt sich furchtbar und fängt an, zu weinen (UR). Als neutraler Reiz hält man ihm ein Stoffkaninchen hin. Wenn man jetzt auf das Rohr schlägt, fängt er wieder an zu weinen. Wenn man dies wiederholt, werden die Reize unbewusst gekoppelt. Das nächste mal, wenn man Albert das Kaninchen hinhält, wird er anfangen zu weinen. Das Kaninchen (jetzt CS) löst jetzt eine konditionierte Reaktion (CR) aus.

US - Lautes Geräusch ------------------> UR - Angst

NS - Plüschkaninchen ------------------> keine besondere Reaktion

Darbietung des Kaninchens mit gleichzeitigem Lärm:

CS - Plüschkaninchen ------------------> CR - Angst

Was sagt das über Placebowirkung aus? Wenn wir als Kind hingefallen sind und uns am Knie verletzt haben, wurde der Schmerz besser, nachdem unsere Mutter liebevoll ein Pflaster draufgeklebt hat. Wenn eine Person schwer krank wird, daraufhin Spritzen bekommt, und es ihr darauf hin besser geht, wird es sie in gleichem Maße beeinflussen. Sie wird Spritzen für wirksamer als Pillen befinden. Da Konditionierung meist vollkommen unbewusst abläuft, kann dieser Faktor die Wirkung von Placebos ohne das Wissen des Probanden entscheidend beeinflussen.

Die Placebo-Konditionierung wurde im Tierversuch von Dr. Manfred Schedlowski an Ratten nachgewiesen. Hierzu erhielten herztransplantierte Ratten im ersten Schritt eine Süßstoff-Lösung (Saccharin) in Verbindung mit dem Medikament Cyclosporin A, welches immunsuppresiv wirkt. Eine Kontrollgruppe erhielt das Medikament in Verbindung mit normalem Wasser welches keine konditionierende Wirkung auf die Ratten hat. Drei Tage nach der Operation wurde das Medikament abgesetzt. Die Wirkung hielt aber bei den konditionierten Ratten an.[4]

[Bearbeiten] Psychologische Wirkung: Bedeutung

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Auch wenn es nicht zu den konservativen Theorien gehört, ist dieser Punkt nennenswert. Denn die beiden oben genannten Theorien lassen eine Lücke. Die Konditionierung lässt den Probanden als aktiven Part völlig außer acht; die Erwartungstheorie hinterfragt nur, was der Patient denn hinsichtlich der Zukunft erwartet. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Soldaten, die auf dem Schlachtfeld verwundet wurden, klagen weitaus weniger über Schmerzen als Zivilisten, die ähnliche Verletzungen durch zum Beispiel einen Verkehrsunfall erleiden. Das bedeutete nicht, dass Soldaten „härter“ sind oder sich generell weniger beklagen. Untersuchungen haben ergeben, dass sie auch weniger Schmerzen fühlen.

Für eine Privatperson bedeutet ein Unfall vieles: Meist ist ein Krankenhausaufenthalt nötig, eventuell müssen Operationen folgen, eine lange Genesungsphase steht bevor. Dazu kommen finanzielle Belastungen durch den Krankenhausaufenthalt oder sogar die Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu verlieren. Wenn ein Soldat verletzt wird, bedeutet das für ihn etwas vollständig anderes: Er muss in absehbarer Zeit nicht wieder in den lebensbedrohenden Kampf und kann vielleicht sogar nach Hause. Dieser Faktor ist auch in kleinem Rahmen auf psychologischer Ebene sehr wichtig, wenn es darum geht, wie eine eventuelle Heilung das Leben positiv (z.B. Schmerzfreiheit) oder negativ (z. B. weniger Aufmerksamkeit von Angehörigen) verändern könnte.

[Bearbeiten] Biologische Wirkung: Endorphine

Seit Jahrhunderten gehören Opiate zu den meist verwendeten Schmerzmitteln. Opiate wirken wie folgt: Alle Zellen haben auf ihrer Oberfläche, der Zellmembran, bestimmte Bereiche, die Rezeptoren genannt werden. Dort kann immer eine bestimmte Art von Molekülen andocken. Welche Moleküle das sind, liegt an der Form des Rezeptors und an der des Moleküls. Sie müssen wie zwei Puzzleteile zusammenpassen. Wenn das passiert, verändert sich die „zelleigene chemische Fabrik“. Somit kann das Molekül das Verhalten der Zelle beeinflussen. Nach einer Zeit lösen sich die beiden wieder und die Zelle ist in dem selben Zustand, in dem sie war, bevor sich das Molekül an sie gebunden hat. So wirken auch die meisten Medikamente. Die Moleküle der Medikamente haben eine ähnliche Form wie die der körpereigenen Stoffe und können die Zelle so auf gleiche Art und Weise beeinflussen.

Opiate wirken als Schmerzmittel so gut, weil sie eine ähnliche Struktur haben wie die „körpereigenen Morphiumsubstanzen“, die Endorphine. Bei der genaueren Erforschung der Endorphine ergab sich ein Problem: Moleküle, die sich im Hirn befinden, gelangen schwerer in den Blutkreislauf des Körpers (Blut-Hirn-Schranke). So konnte man auf normalem Wege - Blutabnahme und anschließende Analyse - keine korrekten Aussagen über den Endorphingehalt des Körpers machen. Eine Studie mit Naloxon, einem Stoff, der die Rezeptoren für Endorphine vorübergehend blockiert, schien zu zeigen, dass positive Placeboeffekte durch die Gabe von Naloxon aufgehoben werden können. Die Euphorie war entsprechend groß, man dachte, man habe die Wirkung des Placeboeffekts gefunden. Da Placebos aber nicht nur gegen Schmerzen helfen, ist dies nur eine unzureichende Erklärung. Später stellte sich zudem heraus, dass Naloxon Schmerzen lindern kann, ohne die Endorphine zu beeinflussen. Inzwischen hat man herausgefunden, dass es mindestens fünf verschiedene Arten von Endorphinen und drei verschiedene Endorphinrezeptorarten gibt.

Somit kann man mit dieser Theorie die Wirkung von Placebos nicht genau erklären. Es ist wahrscheinlich, dass bei der Schmerzlinderung durch Placebos die Endorphine beteiligt sind. Wie die anderen Wirkungen zu Stande kommen, ist weiterhin unklar.

[Bearbeiten] Biologische Wirkung: Stressentspannungsreaktion

Der menschliche Körper reagiert sehr sensibel auf Stress. Häufig leiden Menschen, die starkem beruflichen Stress ausgesetzt sind, unter Kopfschmerzen oder Bluthochdruck. Anhaltender Stress kann zu Magengeschwüren führen. Verschiedene Gehirnbereiche wie Amygdala oder der Hippocampus reagieren auf emotionale Veränderungen. Sie sind mit dem Kortex, dem Denk- und Schaltzentrum, des Gehirns verbunden.

Diese sind wiederum mit dem Hypothalamus verbunden. Der Hypothalamus liegt außerhalb der Blut-Gehirn-Barriere (siehe oben). Somit kann er durch chemische Substanzen im Blutkreislauf beeinflusst werden. Wenn der Körper unter Stress steht, wird hier mehr von dem corticotropinfreisetzendem Hormon (CFH) produziert.

Das CFH bewegt sich zur naheliegenden Hypophyse, der Hirnanhangdrüse.

Die Hypophyse produziert, angeregt vom CFH, das adrenocorticotrope Hormon (ACTH).

Das ACTH gelangt über den Blutkreislauf zur Nebennierendrüse.

In dem äußeren Bereich wird daraufhin das Steroid Kortisol gebildet. Kortisol erhöht unter anderem den Blutzuckerspiegel und reduziert die Flüssigkeits- und Immunreaktionen. In einem anderen Bereich werden mehr Katecholamine gebildet, die eine starke Wirkung auf das Herz und die Blutgefäße haben.

Kurzzeitig ist der menschliche Körper jetzt auf eine Gefahrensituation vorbereitet. Die Aufmerksamkeit ist erhöht, ebenso wie Puls und Blutdruck, während im Moment unnötige Funktionen wie Verdauung zurückgestellt werden. Der hohe Kortisolspiegel sorgt dafür, dass mehr Zucker im Blut zur schnellen Verbrennung bereit steht. Langfristig ist dieser Zustand jedoch Ursache von Schmerzen im unteren Rückenbereich und von Spannungskopfschmerzen. Nun kann man bei Studien die Kortisol- und Katecholaminspiegel durch einfache Blutabnahmen messen, um zu sehen, ob sie sich durch die Einnahme von Placebo senken. Eine Reihe ältere Studien zeigt, dass Placebos am besten bei Menschen wirken, die mit ein wenig Angst zum Arzt kommen. Wenn die Kortisol- und Katecholaminspiegel als Stressindikator am Anfang sehr niedrig wären, könnte man keine Absenkung erreichen und wenn sie sehr hoch wären, würde die Absenkung vielleicht nicht reichen, um klare Ergebnisse zu erhalten. Bei dieser Theorie geht man davon aus, dass der Placeboeffekt besonders durch die Senkung von Kortisol- und Katecholaminspiegel wirkt.

[Bearbeiten] Die Geschichte des Placebos

Seit vorgeschichtlicher Zeit wurden Kranke durch Besprechen behandelt. Entsprechende Texte wurden von Priester-Ärzten im Alten Orient kanonisiert und teilweise aufgezeichnet. Die erste geschichtliche Erwähnung im Abendland findet der Placebo-Effekt nicht etwa durch einen Arzt, sondern durch den griechischen Philosophen Platon (427–347 vor Christus). Er war der Meinung, dass Worte durchaus die Kraft haben, Kranke zu heilen. Auch legitimierte er die medizinische Lüge, um Ärzten die Scheu davor zu nehmen. So sei es vollkommen in Ordnung, einem schwer kranken Patienten durch Worte das Gefühl zu geben, dass er gute Heilungschancen habe oder dass seine Krankheit weitaus weniger schlimm sei, als er denke. Dass dies der damaligen Vorstellung von guter ärztlicher Behandlung widersprach, sieht man an dem Beispiel Hippokrates (460–377 v. Chr.), einem überragenden Mediziner seiner Zeit, siehe auch Eid des Hippokrates. Er war der Meinung, dass der Arzt keine beratende, sondern viel mehr eine anleitende Rolle besitzt. Den Erfolg von Medikamenten machte man nicht an dem persönlichen Bemühen des Behandelnden fest, sondern an dem möglichst strikten und genauen Befolgen der Anweisungen, was beispielsweise die Einnahme der Medikamente betraf.

Ein weiterer griechischer Arzt namens Galenos von Pergamon (129-200) war Begründer einer neuen Theorie, die wesentliche Gemeinsamkeiten mit chinesischer und hinduistischer ayurvedischer Medizin hat und bis in die heutige Zeit ihren Schatten wirft. Diese Lehre geht von Elementen aus, die den Körper bestimmen, ein Ungleichgewicht dieser Elemente führt demnach zu einer Krankheit. Diese Elemente waren Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle. Da man annahm, dass sie sich sowohl durch physische als auch durch psychische Einwirkung beeinflussen lassen, führte Galens Theorie das erste Mal dazu, dass Ärzte sich auch psychisch mit ihren Patienten auseinandersetzen.

Dies veranlasste Mediziner für die nächsten 1800 Jahre, bei theoretischen Überlegungen über die Wirkungsweise von Heilmitteln psychische Beeinflussungen nicht außer Acht zu lassen. Wann aber konkret das erste mal Scheinmedikamente eingesetzt wurden, ist nicht bekannt. Ein dokumentierter Fall eines Kaufmanns aus dem Jahre 1580, als seine Ärzte nur so taten, als würden sie ihm einen Einlauf machen, lässt sich eher auf einen Streich der Mediziner zurückführen, auch wenn sich der Kaufmann über das gleiche Wohlbefinden wie nach einem wirklichen Einlauf freute.

Im vierzehnten Jahrhundert taucht der Begriff Placebo zwar in Gedichten auf, bezog sich allerdings auf einen Schmeichler oder Schönredner. In einem medizinischen Lexikon tauchte der Begriff zum ersten Mal 1785 auf und für das Jahr 1811 lassen sich Belege finden, dass er auch in einem ähnlichen Zusammenhang wie in der heutigen Zeit stand.

Der erste dokumentierte Versuch, der mit einer Art Placebo kontrolliert wurde, ist aus dem Jahre 1784, durchgeführt von dem bedeutenden Naturwissenschaftler Benjamin Franklin. Damals behauptete Franz Anton Mesmer, dass es in dem Körper eine Art „Fluid“ gäbe, das er aus der Entfernung beeinflussen könne. Der König von Frankreich rief ein Komitee zusammen, welches ihn auf sein Wirken überprüfen sollte. Dieses Komitee, zu dem auch der junge Benjamin Franklin gehörte, führten nun einige Testreihen durch. So ließen sich Frauen in einem Raum „mesmerisieren“, in dem Glauben, der Ausführende säße hinter einem Vorhang im Nebenzimmer, wobei die Information richtig oder falsch sein konnte. Franklin gelang es, nachzuweisen, dass der Erfolg der Behandlung nur davon abhängt, ob die Frauen glauben, der Mesmerist sei da und widerlegte somit die der neuen Mode zugesprochene Wirkungsweise.

Viele Ärzte des 19. und 20. Jahrhunderts stellten die Medikamente noch selbst her, daher fiel die Abgabe von Placebo nicht auf. Da noch die durch Platon „legitimierte Lüge der Medizin“ als ethischer Grundsatz galt, hatten sie auch kein Problem damit. Zusätzlich war den Ärzten bewusst, dass man wenig wirksame Medikamente gegen die vielfältigen Krankheiten hatte. Dies führt zu der Überzeugung mancher Ärzte, dass Placebos von der Bildfläche verschwinden würden, sobald man genügend wirksame Heilmittel zu Verfügung hatte. Dies war einer der Gründe, warum der Gebrauch von Placebos im Laufe des 20. Jahrhunderts abklang. Ein anderer war der Wandel der ethischen Grundsätze; einen Patienten zu täuschen schien nicht mehr adäquat. Zudem glaubten viele Ärzte (und glauben auch heute noch), dass Placebos nur dann wirken, wenn sich der Patient auch seine Schmerzen nur einbildet.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden doppelblinde, randomisierte Studien mit Placebos für die Kontrollgruppe zum Standard in wissenschaftlichen Untersuchungen.

Dass Placebos auch heute noch ein schlechtes Ansehen haben, liegt zum Teil an der Wirkungsweise, die man nur an psychischen Faktoren festmachen kann. Trotzdem haben anonyme Umfragen bei Ärzten und Pflegern ergeben, dass ein großer Teil von ihnen Placeboeffekte bereits bewusst eingesetzt haben. Es gibt Schätzungen, dass ein bis zwei Drittel des schulmedizinischen Effektes auf Placeboeffekte zurückgehen (http://www.morgenwelt.de/416.html).

[Bearbeiten] Placeboeffekt ein Mythos?

In einer 2001 im New England Journal of Medicine erschienenen Metaanalyse gingen zwei Wissenschaftler der Universität Kopenhagen der Frage nach, ob es statistische Beweise für eine Überlegenheit einer Placebobehandlung gegenüber einer Nichtbehandlung gibt. Bei einer Überprüfung von insgesamt 114 randomisierten Studien fanden sie keinen Beleg dafür, dass Placebos eine höhere Wirkung als therapeutischer Nihilismus erzielen.[5] Eine drei Jahre später publizierte Untersuchung der gleichen Autoren, die weitere 52 randomisierte Studien einschloss, bestätigte diese Auffassung.[6]

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Howard Spiro: The Power of Hope: A Doctors Perspective, Yale University Press, 1998, ISBN: 0300076320 (deutsch: Placebo. Heilung, Hoffnung und Arzt-Patient-Beziehung, Verlag Hans Huber, Bern 2005, ISBN 3456842341)
  • Arthur & Elaine Shapiro: The Powerful Placebo, London 5. Auflage 1997, ISBN 0-8018-6675-8
  • Howard & Daralyn Brody: Der Placebo-Effekt. Die Selbstheilungskräfte unseres Körpers, München 2002, ISBN 3-423-24296-5
  • Hrobjartsson A, Gotzsche PC. Is the placebo powerless? An analysis of clinical trials comparing placebo with no treatment. N Engl J Med. 2001 May 24;344(21):1594-602. Review. Erratum in: N Engl J Med 2001 Jul 26;345(4):304. PMID 11372012
  • Hrobjartsson A, Gotzsche PC: Is the placebo powerless? Update of a systematic review with 52 new randomized trials comparing placebo with no treatment. J Intern Med. 2004 Aug;256(2):91-100. PMID 15257721
  • Koch K: Placebo: Ein Mythos wird entzaubert. Deutsches Ärzteblatt 1998; 34-35 (27.08.2001): A-2156 / B-1866 / C-1742. [1]

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quellen

  1. Leicht abgewandelt zitiert nach: Prof. Dr. Hans−Christoph Diener, Editorial, DOI 10.1055/s−2006−951881, Akt Neurol 2006; 33: 531±532, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart ´ New York ´, ISSN 0302−4350, Bezug: Silberstein SD, Gobel H, Jensen R et al., Botulinum toxin type A in the prophylactic treatment of chronic tension−type headache: a multicentre, double−blind, randomized, placebo−controlled, parallel−group study. Cephalalgia 2006; 26: 790±800
  2. Bang, H. et al., Assessment of blinding in clinical trials, Controlled Clinical Trials 25 (2004) 143-56
  3. Devereaux PJ, Bhandari M, Montori VM, Manns BJ, Ghall WA, Guyatt GH, Double blind, you have been voted off the island!. McMaster University, Hamilton, Ontario, Canada. Evidence-Based Mental Health. 5(2):36-7, 2002 May
  4. Dr. Manfred Schedlowski: Konditionierte Immunsupression verlängert die Abstoßungsreaktion nach Herztransplantation bei Ratten In: Konditionierung und Allergie. 1992
  5. Hrobjartsson A, Gotzsche PC. Is the placebo powerless? An analysis of clinical trials comparing placebo with no treatment. N Engl J Med. 2001 May 24;344(21):1594-602. Review. Erratum in: N Engl J Med 2001 Jul 26;345(4):304. PMID 11372012
  6. Hrobjartsson A, Gotzsche PC: Is the placebo powerless? Update of a systematic review with 52 new randomized trials comparing placebo with no treatment. J Intern Med. 2004 Aug;256(2):91-100. PMID 15257721
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