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Protobulgaren

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Protobulgaren oder Hunno-Bulgaren bezeichnet die Ethnologie eine Gruppe der frühen Vorfahren der Bulgaren.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ethnonym

Über die Bedeutung des Volksnamens "Bulgaren" gab es schon zahlreiche Theorien. Man leitete ihn gerne vom Flussnamen der Wolga (Wolgaren) oder, besonders unter den Vertretern der indogermanischen Theorie beliebt, von "Bulg" und "Ar" (Ar für Arier, einem antiken indogermanischen Volk) ab. Zu den neuesten Theorien über das bulgarische Ethnonym zählt die des tatarischstämmigen bulgarischen Philosophen/Anthropologen Geser Kurultaew (Гесер Курултаев), der das Wort "Bulgar" vom türkischen "Bash" und "Gar", bzw. "Ogur" ableitet. "Bash", in den älteren Turksprachen "Bal", bedeutet "Haupt-", "Ober-", während "Gar/Ogur" soviel wie Stamm, Volk bedeutet. "Bulgar" bedeutet demnach "Hauptstamm". Am verbreitetsten ist allerdings die Theorie, daß sich der Name "Bulghar" aus dem alttürkischen "bulganmış" ableitet, was "vermischt" bedeutet.

[Bearbeiten] Geschichte

Bei den Protobulgaren handelte es sich um mehrere turksprachige Nomadenstämme aus Zentralasien, die im 7. Jahrhundert in die südrussische Steppe bzw. in das Gebiet zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer gezogen waren. Dort trafen sie auf andere Steppennomaden, finno-ugrische bzw. ural-altaische Stämme und Turkvölker (z.B. die Kutriguren, Utriguren, Sabiren, Saguren, Onoguren) und nahmen die Reste der Hunnen auf.

Um 560 wurden sie von den Awaren besiegt. Einige schlossen sich den Awaren an und zogen mit diesen weiter westwärts. Große Teile der Protobulgaren, Hunnen und der anderen reiternomadischen Völker verblieben aber in den südrussischen Steppen. In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts vereinte Chan Kubrat all diese Völker zum Großbulgarischen Reich, das allerdings schon in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts von den ebenfalls turkstämmigen Chasaren vernichtet wurde.

Kubrats ältester Sohn Bayan hatte sich zwar den Chasaren unterworfen, seine vier Brüder aber spalteten sich mit bedeutenden Stammensteilen ab. Die nordwärts ziehenden Protobulgaren gründeten das Reich der Wolgabulgaren (bis 1237), die westwärts bzw. südwärts ziehenden Teile unter Kubrats Sohn Asparuch ab 678 das Donaubulgarische Reich, das bis zum Einbruch der Ungarn 895 faktisch den gesamten (nicht-byzantinischen) Balkan umfasste.

Rund 100 in Stein gemeißelte Inschriften der Protobulgaren sind aus der Zeit des Donaubulgarischen Reiches erhalten geblieben und stellen wertvolle historische Zeugnisse dar. Die meisten von ihnen sind in griechischer Sprache verfasst.

In Bulgarien verschmolzen die Protobulgaren vor allem mit den Anten (die teils schon auf dem Balkan siedelten, teils erst mit den Protobulgaren aus Südrussland gekommen waren) und anderen Slawenstämmen sowie den Resten der römischen Provinzialbevölkerung zum Volk der Bulgaren. Die relativ dünne protobulgarische Herrscherschicht ging in den vier unterworfenen Slawenstämmen rasch auf, jedoch wird erst nach der Christianisierung der Bulgaren nicht mehr nach Protobulgaren unterschieden. Die heutigen Türken in Bulgarien sind keine Nachkommen der Protobulgaren.

[Bearbeiten] Religion

Die oberste Gottheit der animistischen Protobulgaren war der Himmelsgott Tangra. Es könnte sich dabei um eine Namensvariation des alttürkischen Himmelsgottes Tengri handeln. "Tangra" wird in nahezu allen protobulgarischen Runeninschriften erwähnt.[1]

"Die Religion der (Proto-) Bulgaren war ursprünglich animistisch und war geprägt vom Ahnenkult und Schamanismus. Die Verehrung ihres höchsten Gottes Tangra vereinte diese Elemente zu einer Religion. Sowohl die archäologischen Ausgrabungen als auch die schriftlichen Überlieferungen belegen die Toleranz der (Proto-) Bulgaren gegenüber Andersgläubiger, und auch daß schon während der Zeit in der sie eine Weile nördlich vom Schwarzen Meer lebten, Christen, Juden und Buddhisten unter ihnen waren."[2].

Die traditionelle Verehrung von hohen Bergen (siehe auch Khan Tengri) führte dazu, daß der höchste Berg auf dem Balkan den Namen des Gottes Tangra erhielt. Dessen Name wurde erst im 15. Jahrhundert durch die Osmanen in Musala (arabisch: Maschallah "Gott sei gelobt") umbenannt[3]. Es wurden aber auch kleinere Berge verehrt, wie etwa der Perpenikon, der jedoch auch schon vor den Protobulgaren ein heiliger Ort für die Thraker und andere ansässige Völker gewesen ist. Am Hang dieses Berges befinden sich noch heute gut erhaltene Kultbauten, die dem altgriechischen Weingott Dionysos (bei Thrakern Zagreus) gewidmet waren. Auf dem höchstgelegenen Felsen von Perpenikon findet man protobulgarische Runeninschriften mit einem Relief der tengristischen Fruchtbarkeitsgöttin Umay[4].

Zusätzlich verehrten die Protobulgaren auch die Sonne, den Mond und die damals ihnen bekannten fünf Planeten: Jupiter, Venus, Merkur, Mars, Saturn.

Als Opfergabe an den Himmelsgott wurden weisse Pferde bevorzugt. Mit dem Eingeweide der geopferten Tiere wurde dann gewahrsagt.

[Bearbeiten] Andere Erklärungsversuche

Neben der obengenannten Theorie existieren noch andere, vor allem in Bulgarien selbst weit verbreitete Thesen, die - wohl auch aufgrund der antitürkischen Geschichtsschreibung der heutigen slawischen Bulgaren - die Turkabstammung der Protobulgaren sowie eine mögliche Verbindung des protobulgarischen Gottes Tangra mit dem von antiken Turkvölkern verehrten Gott Tengri meist ablehnen.

[Bearbeiten] Die indogermanische Theorie

Die Erforschung der Protobulgaren begann im Jahre 1832 damit, dass Christian Martin Frähn bei der Interpretation arabischer Nachrichten über die Wolgabulgaren den Namen des Asparuch als persisch einordnete. Seither sind dann häufiger ähnliche Interpretationen für diese Namen erwogen worden. Da Personennamen besonders häufig aus anderen Sprachen entlehnt werden, ist ihre Aussagekraft jedoch begrenzt.

Dabei wurden die Protobulgaren mit den antiken Pamir-Völkern und ihren Sprachen somit mit dem Avestischen und Sanskrit in Verbindung gebracht. Dabei beziehen sich diese Theorien auf eine deutlich frühere Zeitspanne als die Zeit der protobulgarischen Wanderung nach Europa. Inzwischen gelten diese Theorien als widerlegt. Da aber die bulgarische Geschichtsschreibung traditionell antitürkisch geprägt ist ("Türkisches Joch"), erfreuen sich Abstammungstheorien, nach denen die Bulgaren nichts mit Türken zu tun haben, in Bulgarien immer noch einer gewissen Beliebtheit.

Wesselin Beschewliew rollte im Jahre 1967 mit zwei neuen Artikeln über die Abstammung der Bulgaren die Diskussion darüber auf. Darin akzeptierte er zwar die türkische Abstammung der Protobulgaren, machte aber gleichzeitig auf iranische Einflüsse aufmerksam.

Neuere Arbeiten Petar Dobrews, mit denen er die Protobulgaren erneut mit indogermanischen Stämmen Zentralasiens in Verbindung bringt, sind in Bulgarien sehr populär, aber werden im Ausland als spekulativ kritisiert, da Dobrew ausschließlich Elemente wie etwa einige Namen berücksichtigt, und andere Erkenntnisse über die Protobulgaren unberücksichtigt lässt.

[Bearbeiten] Quellenhinweise

  1. University of Saskatchewan, Andrei Vinogradov, Abteilung für Religionswissenschaft und Anthropologie, November 2003 Seite 78
  2. "Bulgaria Illustrated History" Bojidar Dimitrov, Februar`94
  3. en:Tangra
  4. Siehe hier unter Perpenikon:[1]

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblink

Bezüglich der Protobulgarischen Religion:

Anmerkung: die zwei folgenden Links behandeln die strittigen Theorien bezüglich der Herkunft der Protobulgaren

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