Rabenpresse
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Die Rabenpresse ist ein Verlag, der 1926 von Victor Otto Stomps und Hans Gebser – der später in der Schweiz unter dem Namen Jean Gebser als Philosoph bekannt werden sollte – in Berlin zusammen mit der Druckerei "Stomps & Gebser. Buch- und Kunstruckerei – Verlagsanstalt" gegründet wurde. Sie bot zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus einen gewissen Freiraum für einige Autoren, die den Machthabern missliebig waren.
Im Gegensatz zu den etablierten Großverlagen konzentrierte sich die Rabenpresse auf die kleine Form und produzierte geringe Auflagen in hoher handwerklicher Qualität. Sie wandte sich besonders der Lyrik und Erstlingswerken junger Autoren zu.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte und Anfänge
Die Verlagsgeschichte begann 1925, als Stomps eine gebrauchte Tiegelpresse kaufte und zusammen mit Heinz O. Wuttig und Gebser im Handbetrieb den Band "Lyrik in kleinen schmalen Heften" druckte. Im Jahr darauf fand die eigentliche Gründung der Druckerei und des Verlages statt.
Stomps verlegte in der Rabenpresse auch eigene Werke, so 1926 als zweiten Druck den Gedichtband "Von Sternen" und 1928 "Vier Gedichte" und "Die neun Dinge".
[Bearbeiten] Literaturzeitschriften
Im Jahr 1926 erschien in der Rabenpresse die Literaturzeitschrift "Der Fischzug", die von Stomps und Eberhard Heinatsch unter der Redaktion von Walther G. Oschilewski herausgegeben und nach wenigen Ausgaben wieder eingestellt wurde. Von Heinatsch erschien im gleichen Jahr in der Rabenpresse die Tragödie "Schwert über Golgotha".
1932 gründete Stomps eine neue Literaturzeitschrift, "Der weiße Rabe", die bis zu ihrer Einstellung Anfang 1934 in der Rabenpresse herausgegeben wurde.
[Bearbeiten] Aufschwung der Verlagsproduktion
Die eigentliche Verlagsproduktion der Rabenpresse begann erst 1932, bis dahin hatte der Verlag nur neun Bücher herausgebracht.
Viele der in der Rabenpresse erschienenen Werke stammen von expressionistisch geprägten Autoren. Stomps sah als Verleger sein Vorbild in Alfred Richard Meyer, genannt "Munkepunke", der seit 1907 in eigenen Verlagen und Zeitschriften insbesondere die expressionistische Lyrik gefördert hatte. Meyers Werk "Munkepunkes fünfzig törichte Jungrauen" erschien in der Rabenpresse, ein weiteres Beispiel ist "Terzinen für Thino" von Paul Zech, wobei mit Thino Else Lasker-Schüler gemeint ist. Insgesamt war der Verlag aber keiner bestimmten literarischen Tendenz verpflichtet.
Zu dem besonders gepflegten äußeren Erscheinungsbild der Ausgaben der Rabenpresse gehörte auch, dass die meisten Bände mit Illustrationen oder wenigstens einer Titelzeichnung von teilweise bekannten Künstlern ausgestattet waren, die diese unentgeltlich zur Verfügung stellten. Für Oschilewskis "Gesang der Sterne" stellte Frans Masereel einen Holzschnitt her, Hannah Höch lieferte Illustrationen zu "Scheingehacktes" von Til Bragmann. 1933 erschien Horst Langes Erzählung "Die Gepeinigten" mit Original-Holzschnitten des mit ihm befreundeten schlesischen Bildhauers Joachim Karsch, und 1936 trug Alfred Kubin die Titelzeichnung zu Stomps' "Fabel von Paul und Maria" bei.
Stomps experimentierte außerdem gerne mit Schriften und anderen typographischen Elementen, zum Beispiel mit ungewöhnlichen Papiersorten. So druckte er Zechs "Terzinen für Thino" eine Sonderausgabe auf Büttenpapier, und die einzige Nummer der Reihe "Das Mundtuch" sogar titelgerecht auf Serviettenpapier.
[Bearbeiten] Rückgang und Verkauf im Dritten Reich
Im Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus hatte der Verlag in der Berliner Literaturszene eine besondere Bedeutung, da er anfangs noch einen begrenzten Freiraum bieten konnte. Stomps passte sich nicht dem Geschmack der Machthaber an und kümmerte sich auch nicht darum, ob die Werke seiner Autoren bereits den Bücherverbrennungen anheim gefallen waren.
Seit 1931 veranstaltete die Rabenpresse regelmäßig Leseabende mit Autoren wie Horst Lange, dessen Roman "Ulanenpatrouille" später durch die Nationalsozialisten verboten werden sollte, Hermann Kasack, Oskar Loerke, Paul Zech, Werner Bergengruen , Herbert Fritsche und vielen anderen. Diese Veranstaltungen waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge und ein Grund für den zunehmenden Druck, den diese auf die Rabenpresse ausübten.
1933 erschien die Erzählung "Die Gepeinigten" und 1935 ein weiterer Text von Horst Lange, 1934 der Gedichtband "Preußische Wappen" der Jüdin Gertrud Kolmar, die 1943 von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Die finanzielle Situation der Rabenpresse war stets prekär, selbst nach der sehr erfolgreichen Veröffentlichung im Jahre 1934 der "Briefe an R. M. Rilke" von Lisa Heise, deren Erstauflage von eintausend Exemplaren bereits weit über den für die Rabenpresse normalen drei- bis fünfhundert lag. 1937 musste Stomps auf Druck der Nationalsozialisten und aus finanziellen Gründen den Verlag verkaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in der Rabenpresse 112 Bücher erschienen. Der Verlag wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges weitergeführt.