Repräsentative Demokratie
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In der Repräsentativen Demokratie werden politische Sachentscheidungen im Gegensatz zur Direkten Demokratie nicht durch das Volk selbst, sondern ausschließlich durch Volksvertreter (Abgeordnete) getroffen. Die Volksvertreter können gewählt oder durch Los ins Amt berufen werden. Sie entscheiden eigenverantwortlich und ohne Eingriffsmöglichkeit durch das Volk.
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[Bearbeiten] Repräsentation
Das „Volk“ ist keine Einzelinstanz mit einem freien und gleich gerichteten oder gar homogenen Willen, sondern eine große Anzahl von gleichberechtigten Individuen, von denen jedes seinen eigenen Willen hat. Aufgabe demokratischer Systeme ist es also, sich so zu organisieren, dass dabei die Einzelinteressen ausgeglichen werden und sich die Entscheidungen nach einem mutmaßlichen Gesamtwillen richten.
Da in der Praxis das Staatsvolk jedoch nicht über jedes Detail des politischen Tagesgeschäftes entscheiden kann, haben sich alle bestehenden Demokratien dergestalt organisiert, dass – meist auf mehreren Ebenen wie Gemeinde, Land, Staat etc. gestaffelt – Einzelentscheidungen an gewählte Volksvertreter delegiert werden. Das Volk gibt dann in Wahlen durch Personalentscheidungen die „grobe Linie“ vor, an der sich die gewählten Vertreter idealerweise orientieren, da davon ihre Wiederwahl abhängt. Diese Vertreter sollen als Repräsentanten der Wählerschaft agieren, von der sie gewählt wurden und deren Interessen und Ziele sie in den entsprechenden Gremien im Interesse ihrer Wähler durchsetzen sollen. Insofern ist die repräsentative Demokratie eine Ausprägung von Arbeitsteilung in Folge wachsender Sachentscheidungskomplexität.
Der Einfluss, den das Volk als Souverän während der Amtszeit der gewählten Vertreter auf diese behält, unterscheidet sich in den jeweiligen Demokratieformen. In manchen Systemen wie in der Schweiz behält das Volk ein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen der Volksvertreter, in anderen besteht lediglich ein Petitionsrecht, wieder andere beschränken sich auf das Wahlrecht für die Volksvertretung. Es gibt auch die Forderung nach einer Umsetzung von radikaldemokratischen Systemen, die ohne Volksvertreter auskommen sollen oder das Repräsentationsprinzip verachten (siehe z. B. Partizipatorische Demokratie).
[Bearbeiten] Funktionsweise in der Parteiendemokratie
Aus der Mandatsverteilung der Parteien, die sich aus den Wählerstimmen und dem Wahlrecht ergibt, resultieren die Machtverhältnisse im Parlament. Nach den Wahlen bildet sich eine Regierung.
Die Entscheidungsmöglichkeit des Volkes beschränkt sich auf die Auswahl der Volksvertreter (beim Personenwahlrecht, die Spitzenkandidaten und Wahllisten werden von den Parteien selbst auf Parteitagen bestimmt) und damit die Abwahl einer Regierung zum Wahltermin. In der plebiszitären Demokratie kann das Wahlvolk auch während einer Legislaturperiode eigene politische Richtungsentscheidungen unmittelbar treffen, etwa in Form von Volksabstimmungen. Im Gegensatz dazu steht die direkte Demokratie, in der das Volk nahezu alle Entscheidungen jederzeit unmittelbar treffen kann und muss.
[Bearbeiten] Wertung
[Bearbeiten] Vorteile der repräsentativen Demokratie
Die repräsentative Form der Demokratie bietet zunächst den Vorteil, dass die Entscheidungsfindung schneller und preisgünstiger vollzogen wird. Wahlkämpfe und die Kosten für die Abstimmung und Auszählung nehmen viel Zeit und Geld in Anspruch. Weiter führen die Befürworter des Systems an, dass die Repräsentanten sich voll auf ihre politische Arbeit konzentrieren können und der politische Entscheidungsprozess so professionalisiert wird. Für komplexe Sachverhalte wie Einzelfragen zur Steuer- und Sozialgesetzgebung kann so Expertenwissen genutzt werden, über das der durchschnittliche Bürger nicht verfügt.
Repräsentative Systeme gelten auch als weniger anfällig für kurzzeitige Einflüsse durch Demagogie und Populismus und des "Volkszorns". Als Beispiel führen die Befürworter repräsentativer Systeme gerne an, dass kurz nach ausnehmend grausamen Mordfällen die Zustimmung zur Todesstrafe bei Umfragen rapide zunimmt.
[Bearbeiten] Nachteile der repräsentativen Demokratie
Die repräsentative Demokratie konzentriert die Macht in den Händen einer Oligarchie, was die Wahrscheinlichkeit von Korruption und Lobbyismus erhöht.
Kritiker führen in Form von Parlamentarischen Regierungssystemen, sofern sie auf einem Verhältniswahlrecht beruhen, den Fraktionszwang auf. Die Regierung kann mit Neuwahlen drohen oder abweichendes Verhalten mit aussichtslosen Listenplätzen bestrafen. Diese Mechanismen begrenzen das freie Mandat des Abgeordneten.
Ferner wird die mangelnde Einflussnahme der Stimmbürger auf Sachthemen beklagt und auf die Gefahr hingewiesen, dass die Volksvertreter zu sehr entfernt von den Auffassungen der normalen Leute leben würden.
Zudem wird befürchtet, dass repräsentative Systeme leichter von Einzelinteressen sowie Interessengruppen beeinflusst werden könnte, da es günstiger ist eine Gruppe von Abgeordneter zu überzeugen als eine breite Masse von Stimmberechtigten. Die politische Affären zu Parteispenden der letzten Jahre in Deutschland, die Flick-Affäre und CDU-Spendenaffäre, werden als Beispiele angeführt.
In Deutschland wurde Anfang 2004 der Begriff "Lobbykratie", also Herrschaft der Lobbys geprägt, da vielen offenbar wurde, dass in den Reformen gerade die, die keine Lobby haben, stark benachteiligt wurden, wobei Bereiche mit starkem Lobbyismus z. B. Empfänger von Groß-Subventionen bei Sparmaßnahmen ausgespart wurden.
Kritiker halten entgegen, dass die Gefahr der Anfälligkeit des Volkes gegenüber dem Populismus durch die repräsentative Demokratie nicht vollständig verhindert werden könne, was man an populistischen Wahlkämpfen und entsprechenden Repräsentanten erkennen könne.
[Bearbeiten] Bedeutung in der Praxis
In der Praxis gibt es reine Repräsentative Demokratie nur sehr selten. Wesentlich häufiger sind Mischformen, bei denen repräsentative und direktdemokratische Elemente zum Tragen kommen. Als eine Ausprägung ist die Plebiszitäre Demokratie die am stärksten verbreitete Demokratieform in der Welt. Eine weitere Mischform ist die Rätedemokratie.
Repräsentative Demokratien: USA, Vereinigtes Königreich
[Bearbeiten] Siehe auch
- Liste der Staatsformen, Stochokratie, Wahlaristokratie, Wahlbasisdemokratie